Opioid - Tödliche Krise in den USA

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Marle
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Anmeldungsdatum: 06.10.2016
Beiträge: 3309

BeitragVerfasst am: 27. Okt 2021 12:22    Titel: Antworten mit Zitat

ast hat Folgendes geschrieben:
schon witzig, im Zusammenhang mit Sucht von Eigenverantwortung zu sprechen...wenn du plötzlich einen Stoff hast, mit dem du dich so gut wie nie im Leben fühlst und alle Probleme wie weggeblasen sind, macht man sich herzlich wenig Gedanken über das Kleingedruckte Wink

Hm - wundert mich jetzt schon, dass so was von Dir kommt, lieber Ast.
An anderer Stelle bei anderen Themen hättest Du durchaus gern mehr Mündigkeit und Eigenverantwortlichkeit.
Beim ersten, anfänglichen Einwerfen von so einem Zeug ist ja noch niemand per Definition süchtig, kann und darf aber gerne ganz eigenverantwortlich sich darüber informieren. Halt unter der Risikobedingung einer eventuell folgenden Abhängigkeit (Sucht).

Was ganz anderes ist, wenn man dann später in der manifestierten Sucht über die Eigenverantwortung diskutiert.
Da gehen die Ansichten und Meinungen (vor allem unter Süchtigen) weit auseinander.
Und ja, als ich selbst meine Sucht realisiert habe, war mir schon klar, dass ich da ohne Übernahme von Eigenverantwortung nie wieder rauskomme. Rational hab ich das jedenfalls so gesehen. Emotional und suchtbedingt vernebelt "wollte" ich es lange Zeit so überhaupt nicht sehen, und hab Gott und die Welt dafür verantwortlich gemacht.

Aber in einem Punkt hast Du absolut recht: Weil es so viele Ärzte gibt, die m. E. unverantwortlich (ohne Wissen über ein Abhängigkeitspotential beim Patienten) verschreiben, und so viele Patienten, die sich sehr unmündig "herzlich wenig Gedanken" über die Folgen machen, ist das ganze Sucht-Dilemma erst möglich.

Grüßle
Marle
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Dr.Mabuse
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Anmeldungsdatum: 19.02.2015
Beiträge: 4074

BeitragVerfasst am: 27. Okt 2021 12:31    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
wenn du plötzlich einen Stoff hast, mit dem du dich so gut wie nie im Leben fühlst und alle Probleme wie weggeblasen sind


Die Probleme werden mehr...und das um ein vielfaches...

Leider

Ich hab die Regeln nicht gemacht...
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Praxx
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Anmeldungsdatum: 25.07.2014
Beiträge: 3203

BeitragVerfasst am: 28. Okt 2021 00:17    Titel: Antworten mit Zitat

Da es die Opioidkrise NUR in den USA gibt, aber nicht in anderen entwickelten Ländern, in denen Opioide genausooft eingesetzt werden, muss an den spezifischen US-Bedingungen liegen.
Wird eine Schmerztherapie mit Opioiden regelrecht durchgeführt, ist sie wenger gefährlich als eine Dauerbehandlung mit rezeptfreien NSAR - die verursachen hierzulande sicher einen erheblichen Anteil der 400.000 Herz-Kreislauf-Todesfälle!

Was ist in den USA anders?
Wer krank nicht zur Arbeit kommt, wird oft sofort gefeuert, bezahlte Krankentage gibt es nicht. Arztbesuche müssen meist vorfinanziert werden und kosten nicht unter 100-300 USD pro Konsultation, auch Versicherte müssen oft ganz erhebliche Eigenanteile zahlen.
Das verführt zur vermeintlich sparsamen "Einnahme nach Bedarf", die den Weg in die Sucht bahnen kann.
Und wenn das Geld für Arzt und Apotheke nicht mehr reicht, steht an der nächsten Ecke der Dealer mit dem Heroin (oft auch Fenta) und verkauft seinen Dreck billiger als die Apotheke...

Ich selbst habe seit 5 Jahren eine chronische Nervenwurzelreizung und nehme genauso lange eine Tagesdosis von 0.8 mg Buprenorphin ein, manchmal auch 1.2 mg. Mit einer 70er-Packung komme ich etwa einen Monat aus.
Ich würde wahrscheinlich beim Absetzen ein leichtes Entzugssyndrom bekommen, habe aber kein Bedürfnis, die Dosis zu steigern oder sonstige Spielchen zu betreiben (obwohl ich meine eigenen BtM-Rezepte habe und an der Quelle säße!)

LG

Praxx
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Marle
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Anmeldungsdatum: 06.10.2016
Beiträge: 3309

BeitragVerfasst am: 28. Okt 2021 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

Praxx hat Folgendes geschrieben:
Da es die Opioidkrise NUR in den USA gibt, aber nicht in anderen entwickelten Ländern, in denen Opioide genausooft eingesetzt werden, muss an den spezifischen US-Bedingungen liegen.

OECD-Studie: Auch in Europa immer mehr Opioid-Süchtige

Zitat:
Ich selbst habe seit 5 Jahren eine chronische Nervenwurzelreizung und nehme genauso lange eine Tagesdosis von 0.8 mg Buprenorphin ein, manchmal auch 1.2 mg. Mit einer 70er-Packung komme ich etwa einen Monat aus.
Ich würde wahrscheinlich beim Absetzen ein leichtes Entzugssyndrom bekommen, habe aber kein Bedürfnis, die Dosis zu steigern oder sonstige Spielchen zu betreiben (obwohl ich meine eigenen BtM-Rezepte habe und an der Quelle säße!)

Sorry, aber das ist ja nun wirklich eine sehr, sehr scheuklappenmäßige Sicht, zudem als SUCHT-Arzt.
Wenn Du mit Deinem Buprenophin so gut zurecht kommst, dann hast Du wahrscheinlich das Glück, dass Du keine grundsätzlich Suchtveranlagung hast.
Ich selbst kenne aber zwei Anästhesisten und mindestens einen Arzt, die voll drauf sind.
Und dann kenne ich noch ein paar "Patienten", die richtig drauf sind, weil sie Ärzte haben, die ihnen ständig Nachschub verschreiben. Wink

Grüßle
Marle
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Quasimodus
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Anmeldungsdatum: 04.02.2015
Beiträge: 1797

BeitragVerfasst am: 28. Okt 2021 17:59    Titel: Antworten mit Zitat

wenn Eigenverantwortung und Kontrolle bei Süchtigen funktionieren würde, könnten Theraoien , Substiärzte etc dichtmachen.
Wir halten den Geschäftszweig am laufen.
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Praxx
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Anmeldungsdatum: 25.07.2014
Beiträge: 3203

BeitragVerfasst am: 1. Nov 2021 00:52    Titel: Antworten mit Zitat

Süchtige überschätzen ganz oft den Anteil der Substanz an ihrer Störung! Es gibt Untersuchungen - Quelle kann ich auf die Schnelle jetzt nicht nennen - deren Ergebnisse zeigen, dass für praktisch alle Rauschdrogen der "abhängige Konsum" eher die Ausnahme darstellt.
Die meisten Drogenkonsumenten sind immer noch Gelegenheitskonsumenten.
Vor allem natürlich Cannabis, Cocain, Amphetamine, Extasy werden bevorzugt anlassbezogen konsumiert, aber auch bei Heroin gaben 60% der Konsumenten an, höchstens einmal pro Woche zu konsumieren.
Diese Ergebnisse kommen aus großen Drug-Surveys, die einen großen Bevölkerungsquerschnitt untersuchen und nicht die "Szene".
Ich habe in 30 Jahren als substituierender Arzt bisher keinen Patienten getroffen, der über eine BtM-Verordnung in die Sucht geraten ist. In zwei oder drei Fällen begann es mit Opioiden wie Tilidin oder Tramadol, die man sich über Ärzte-Hopping ja problemlos in riesigen Mengen verschaffen kann
Ganz früher gab es regelmäßig Mitteilungen der Krankenkassen an die Kreisstellen der KV, aber der Datenschutz hat diese Praxis beendet...

Ich stelle natürlich auch fest, dass stark wirksame Oioide wie Fentanylpflaster in großen Mengen und hohen Dosen verordnet werden.

Allerdings gibt es bei chronischen, nicht ursächlich zu behandelnden Schmerzen keine bessere Option als Opioide - alles andere ist für eine Dauerbehandlung einfach viel zu toxisch...

LG

Praxx
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Marle
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Anmeldungsdatum: 06.10.2016
Beiträge: 3309

BeitragVerfasst am: 1. Nov 2021 12:14    Titel: Antworten mit Zitat

Gottseidank ist das so, dass Suchtmittelabhängige eher eine Minderheit darstellen, bezogen auf die Gesamtgesellschaft.

Will Dir nicht nahe treten Dr. Praxx, aber ich finde es immer wieder …. nun ja …. Erschreckend, wie Du als Arzt, der jahrzehntelang die Folgen der diversen Süchte hautnah miterlebt hast, versuchst Rauschmittel und Co. zu „relativieren“ oder gar zu verharmlosen.

Als ich das letzte Mal in einer hiesigen Suchtklinik einen Besuch machte, war ich sehr erschrocken darüber, wie hoch inzwischen der Anteil der Patienten dort ist, die wegen diversen Medikamentensüchten auf Entzug waren. Wie mir der Stationsarzt erzählte, kamen dann noch die Alkis und von illegalen Drogen Abhängige dazu, die polytox drauf waren, also auf mehrere Substanzen. Von legalen (verschriebenen) bis zu illegalen.

Wie geschrieben: Ist Deine Sicht, ich als suchtkranker Betroffener in der Suchtselbsthilfe habe eine völlig andere.

Grüßle
Marle
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ast
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Anmeldungsdatum: 14.03.2012
Beiträge: 3305

BeitragVerfasst am: 1. Nov 2021 15:44    Titel: Antworten mit Zitat

ich denke nicht, dass Praxx verharmlost, sondern vielmehr (gerade weil er jahrzehntelang hautnah die Folgen der diversen Süchte miterlebt hat) eine nüchtern/realistische Sichtweise auf die Problematik entwickelt hat.

aber klar, es ist natürlich nur eine Perspektive...von einer anderen aus gesehen, könnte man genauso gut von Fatalismus sprechen.
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mikel015
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Anmeldungsdatum: 27.03.2015
Beiträge: 4068

BeitragVerfasst am: 1. Nov 2021 16:50    Titel: Antworten mit Zitat

Marle hat Folgendes geschrieben:


Als ich das letzte Mal in einer hiesigen Suchtklinik einen Besuch machte, war ich sehr erschrocken darüber, wie hoch inzwischen der Anteil der Patienten dort ist, die wegen diversen Medikamentensüchten auf Entzug waren.



Das ist doch nichts Neues Marle!Wenn ich so zurückdenke,an die 70ziger und 80ziger Jahre,da waren auch schon viele Leutz drauf von legal verschreibungspflichtige Medis,wie Babiturate,Remedacen (Codein) und Valoron,von Benzos wie Valium und co. mal ganz zu schweigen.Die waren in Entgiftungen genauso oft anzutreffen wie eben die üblichen "Verdächtigen"...

Gruß
Mikel
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Marle
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Anmeldungsdatum: 06.10.2016
Beiträge: 3309

BeitragVerfasst am: 1. Nov 2021 21:32    Titel: Antworten mit Zitat

@Mikel
Also von Seiten der Behandler, bzw. dass eben diese Medikamentenabhängige ganz offiziell aufgrund ihrer Medikamentensucht primär auf dieser Entzugsstation aufgenommen werden, ist das schon anders, wie in früheren Jahren.
Dass der polytoxe Substanzmissbrauch nichts Neues ist, ist klar.

Ansonst: Immer wieder interessant, zu welchen Themen aus welcher (eigenen) Betroffenheit die diverse Statements kommen Wink

Fatalismus Laughing
Ist wie bei einem anderen Thema: Wenn's einem passt, passt einem auch Fatalismus, ansonsten weist man ihn weit von sich Mr. Green

Mich betreffend würde das nichts so ganz passen, weil ich ja bekannterweise ein starker Vertreter von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Verantwortungsübernahme in der Sucht bin. Twisted Evil

Grüßle
Marle
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Praxx
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Anmeldungsdatum: 25.07.2014
Beiträge: 3203

BeitragVerfasst am: 2. Nov 2021 03:59    Titel: Antworten mit Zitat

Also mal wieder gaanz weit ausholen:
Ich denke nicht daran, Suchtkrankheiten zu verharmlosen oder zu relativieren.
Ich unterscheide bloß zwischen dem therapeutischen Einsatz von hochwirksamen Arzneimitteln zur Behandlung von anders nicht oder nur mit großen Risiken behandelbaren Zuständen und dem unkritishen Gebrauch von Substanzen zur Selbstregulierung.

Ich bin ein entschiedener Verfechter der Entkriminalisierung von Drogen: Den Handel mit gefährlichen Substanzen darf man nicht ausschließlich Kriminellen überlassen. Wie ein legaler, kontrollierte und regulierter Zugang zu Drogen für Erwachsene aussehen könnte, ist letztlich eine poltische Entscheidung. Fest steht nur: Prohibition ist nutzlos und schadet Gesellschaft und Konsumenten

Im Gegensatz zu anderen Gebieten der Medizin und da besonders der Psychiatrie und Psychotherapie besteht der einzige Fortschritt der Suchtmedizin in den letzten 100 Jahren in der offiziellen Anerkennung als Krankheit - wobei das in der Regel nur als Floskel zu sehen ist, da die überwiegende Mehrheit von Bevölkerung und medizinischem Personal insgeheim immer noch von einem charakterlichen Mangel der Betroffenen ausgeht und Sucht quasi als selbstverschuldet ansieht - kann jeder Suchtpatient bestätigen, der das Gesundheitswesen in Anspruch nimmt.

Es gibt in der internationalen Literatur umfangreiche Untersuchungen, die letztlich zeigen, dass sich behandelter und unbehandelter Verlauf der AoD-Dependence ("Alcohol and other Drugs") über lange Zeiträume NICHT UNTERSCHEIDEN!

Eine Zusammenfassung gab es im Ärzteblatt 03/2014 unter dem Titel "Suchtkrankheiten -Remission eher die Regel".
In der anglo-amerikanischen Fachliteratur werden im Langzeitverlauf Remissionsraten ohne therapeutische Intervention bis zu 75% beschrieben (Überleben vorausgesetzt), wobei nur etwa die Hälfte der Remittierten durchgehend Abstinenz angibt.

Dabei stelle ich mir nach 30 Jahren Substitution die Frage, ob die nicht den günstigen Spontanverlauf mit 55% Remission verhindert und zur Chronifizierung des Suchtverhaltens maßgebich beiträgt - der Ausstieg erfordert eine aktive Entscheidung dafür, die sich ohne Konsequenzen beliebig aufschieben lässt - die Versorgung ist ja gesichert.

LG

Praxx
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Dr.Mabuse
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Anmeldungsdatum: 19.02.2015
Beiträge: 4074

BeitragVerfasst am: 2. Nov 2021 06:48    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
da die überwiegende Mehrheit von Bevölkerung und medizinischem Personal insgeheim immer noch von einem charakterlichen Mangel der Betroffenen ausgeht und Sucht quasi als selbstverschuldet ansieht


geht 3 mal am tag in die kirche zum beten...

und danket dem Herrn nicht süchtig zu sein...
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