Crystal - vom Mensch zum Monster & ich als dessen Opfer

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traeuMerle
Anfänger


Anmeldungsdatum: 13.06.2011
Beiträge: 1

BeitragVerfasst am: 13. Jun 2011 09:32    Titel: Antworten mit Zitat

Liebe unverstanden!
Nachdem ich seit Monaten stiller Mitleser dieses Forums bin, habe ich mich nun angemeldet,um Dir meinen ersten Beitrag zu widmen.

Ich möchte Dir sagen, dass ich Dich für Deine Stärke und die Art,mit der Du die Herausforderungen dieser Beziehung angegangen bist, bewundere.
Ich kann Deine ambivalenten Gefühle nicht nur verstehen,sondern nachempfinden. Ich war vier Jahre mit einem psychisch kranken Mann zusammen, der ebenfalls eine starke antisoziale Persönlichkeitsstörung hat und kenne die Gradwanderung zwischen Gefühlen wie Verständnis und Fürsorge,als auch Angst und Wut.
Auch das schlechte Gewissen der Familie gegenüber ist mir bestens vertraut. Am meisten beeindruckt hat mich, dass Du einen Weg gefunden hast, ihm beizustehen und dennoch Grenzen zu ziehen. Oft verkommen Beziehungen dieser Art entweder zu einem Machtspiel (zwischen "Gutmensch"in der Rolle des mächtigen und dem Süchtigen, in der Rolle des ausgelieferten) oder zu einer kranken Beziehung, wenn der einstmals gesunde nicht selbstbewusst genug ist, sich abzugrenzen. Auf mich traf leider letzteres zu.
Es erscheint mir, als wärst Du eine starke, gesunde Frau, die ihr Herz an dem richtigen Fleck hat.
Natürlich würde es mich sehr interessieren, was sich zwischenzeitlich bei Dir ereignet hat. Vielleicht ließt Du ja meinen Eintrag und magst berichten.
Viele herzliche und zugetane Grüße
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unverstanden
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 26.06.2010
Beiträge: 77

BeitragVerfasst am: 14. Jun 2011 10:15    Titel: Entscheidung und Hoffnung Antworten mit Zitat

@ trauMerle: Vielen Dank für deinen Beitrag. Es gibt wirklich Neuigkeiten:

Ich komme gerade von der Gerichtsverhandlung. Es war furchtbar, ich konnte kein bisschen sagen, was ich hätte sagen wollen. Es war oberflächlich, kurz und irgendwie "menschlich desinteressiert". Er hat 9 Monate bekommen, aber es ist nicht das letzte Verfahren.

Ich habe ihm nochmals gesagt, dass er doch noch nicht tot ist und noch alles ändern kann, dass er mit seinem psychischem Problem sehr gut leben könnte, wenn er endlich das Richtige tun würde.

Ich hatte seit über 2 Wochen nichts von ihm gehört und befürchtete schon, dass er nicht kommen würde. Er wurde zusammengeschlagen und ausgeraubt. Er lag wohl eine Woche im Krankenhaus und hat nichts mehr um irgendwie sich online, geschweige denn sich per Handy, zu melden.

Er wollte sowohl vor, als auch nach der Verhandlung meine Handynummer. Ich habe sie ihm erstmal nicht gegeben und meinte, wenn ich Kontakt möchte, entscheide ich das und finde ihn schon.

Ich bin sehr deprimiert über das Ergebnis.

Allerdings war ich froh, dass er mit einem Betreuer vom Obdachlosenhaus/ betreuten Wohnen kam. Ich hatte nämlich schon befürchtet, er könnte mich eventuell danach verfolgen. Ach verdammt, was will er in Haft? Er ist einfach nur krank und das macht doch alles nur noch schlimmer! Manchmal ist es schwer zu begreifen, dass man auf solche Dinge wohl keinen Einfluss hat.

Und nun? Wer weiß, wann er die Haft antreten muss. Ich weiß ja noch nicht mal in welches Gefängnis er vermutlich kommt, da er Verhandlungen in zwei verschiedenen Bundesländern hat. Aber ich bin guter Dinge, dass ich das rausfinde, wenn ich das möchte. Ich würde mir aber WENN wohl ein Postfach zulegen. Alles andere wäre mir zu riskant.

Ich habe ja immer noch die Hoffnung, dass er aufwacht und irgendwann mal selbst in eine Psychiatrie geht und auch eine zeitlang dort bleibt. Ich habe mich erst gestern mit einem Mitarbeiter einer Psychiatrie unterhalten und er sagte mir, dass es sehr wohl möglich wäre mit so einen psychischen Problem außerhalb der Anstalt zu leben. Ich wünsche mir sehr, dass er das irgendwann schafft...

LG unverstanden
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unverstanden
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 26.06.2010
Beiträge: 77

BeitragVerfasst am: 23. Jul 2011 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

Mh, auch wenn sich irgendwie keiner mehr interessiert, wollte ich mal was hinterlassen, wenn ich schon mal dabei bin hier im Forum zu schreiben:

Er hat sich mittlerweile wieder bei mir gemeldet. Nächste Woche gehts in Haft und ich weiß nun auch wohin. Ein Postfach habe ich in der Zeit auch schon eingerichtet. Er scheint richtig friedlich zu sein, trotz allem was vor ihm liegt. Als er erfahren hat, dass ich einen neuen Partner habe, ist er erstmal total verzweifelt gewesen, aber er hat es wohl vorerst akzeptiert. Er ist froh, dass ich den Kontakt nicht abbrechen möchte.

Naja, aber was den neuen Partner betrifft. Es läuft nicht wirklich so, wie ich mir das vorstelle. Aber ich wollte eine neue Chance. Mh, aber glücklich bin ich nicht...

LG unverstanden
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Trini
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 17.06.2009
Beiträge: 1147

BeitragVerfasst am: 24. Jul 2011 03:07    Titel: Antworten mit Zitat

liebe unverstanden.
Ich bin mir sicher das das viele gelesen haben aber aus irgendeinem Grund keine Antwort folgte. Das passiert öfter mal das was untergeht, aber auch so wieder aufersteht.

Ich habe mir jetzt deinen Startthread durchgelesen und finde das echt traurig.
Ich habe ja auch einen Heroinabhängigen Freund und erlebe wie die Sucht das Leben zerstört bzw was sie für Schäden angerichtet hat. Hinzu kommt noch diese Persöhnlichkeitsstörung (was nicht jeder auch haben muß) .
Ich glaube schon das die Sucht eine Ursache hat die meistens in der Psyche vergraben liegt.
Das Symtom die Sucht macht alles nur noch viel viel schlimmer.

Ich kann dich verstehen das du immer noch zu ihm hällst auf deine weise. Ich verstehe aber auch deine Familie und Freunde, die sich auch um Dich Sorgen machen.
Es ist eine Gradwanderung als nichtsüchtige. Ich frage mich in letzter zeit auch oft ob das alles noch mal besser wird.
Ich kann nicht mal genau sagen ob das an der sucht liegt oder den Folgen oder der Pers. Störung.
Ich kann nur sagen es ist schwer , und wenn unser Herz daran hängt umso mehr.

Ich wünsche dir sehr das das für euch ein gutes Ende nimmt.

(mein Freund ist seid 2 jahren stabil in substi)
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unverstanden
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 26.06.2010
Beiträge: 77

BeitragVerfasst am: 29. Jul 2011 22:59    Titel: Antworten mit Zitat

@ Trini

Ich danke dir für deine Antwort!

Ich glaube, was mich immer hoffen lässt, dass alles gut werden kann, ist die Erinnerung an die ersten Tage und Wochen, in denen er weder gekifft noch andere Drogen konsumiert hat. Genau die Zeit war die intensivste bewegendste überhaupt. Diesen Menschen habe ich eigentlich lieben gelernt und genau diesen muss es auch noch geben. Die guten Momente, in denen man die Liebe fühlen kann, sind eben die, die uns dazu bringen an so jemanden festzuhalten. Und selbst nach der ganzen Geschichte, gab es wenige kurze Momente, in denen ich es fühlen konnte.

Ihn in der jetzigen Situation allein zu lassen, macht auch nichts besser. Immerhin hat ihn das Alleinlassen und Verachten zu dem gemacht, was er heute ist. Würde ich ihn genauso fallen lassen, wie alle anderen, würde er sich nur in seinem Glauben bestätigt fühlen, dass die Menschen schlecht sind, ihm nur böses wollen und dass er es nicht wert ist.

Ich habe auch eine zeitlang gedacht, dass mich kein Mann lieben kann, wenn es mein eigener Vater nicht getan hat. Ich muss etwas an mir haben, weshalb mich Männer nicht lieben können. Was für ein Schwachsinn, aber irgendwie entwickelt man diese Überzeugung und sie verfolgt ein fast das ganze Leben. Bei ihm wars ja nicht nur mangelnde Liebe, sondern sie hat ihn ja sogar allein gelassen, zu Hause eingesperrt, ihn stunden, manchmal tagelang vergessen. Boah, wenn ich daran denke wirds mir einfach nur schlecht. Es ist traurig, dass ihm das zu diesem Monster gemacht hat und er heute noch der Leidtragende ist und alle anderen Beteiligten davon kamen.

LG unverstanden
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unverstanden
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 26.06.2010
Beiträge: 77

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2011 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

Hey, meine Lieben!

Ich hätte auch mal wieder was zu berichten. Der Herr ist nun seit zwei Wochen in Haft und bevor er ging, war er längere Zeit clean.

Ich hab natürlich gleich ein paar Tage nach seinem Haftantritt geschrieben und wartete die ganze Zeit auf Antwort. Gestern erhielt ich plötzlich die Nachricht, dass ich in der Packstation ein Paket habe. Und dabei hatte ich doch gar nichts bestellt...

Heute bin ich jedenfalls mal in die Post und schaute ins Postfach. Shit, der Brief kam zurück. Unbekannter Adressat. Boah, hab ich geschwitzt. Ich hab mich gefragt, wo er da denn nun hingekommen ist, wie ich das rausfinden könnte, immerhin bin ich keine Verwandte. Jedenfalls gleich anschließend schaute ich in die Packstation und siehe da, ein Brief von ihm (wo sie doch eigentlich ausdrücklich immer behaupten man kann keine Briefe über die Packstation empfangen). War ich erleichtert, sag ich euch. Komisch war auch, dass ich irgendwie aufgeregt war. Ich glaub, irgendwie bin ich da immer noch nicht drüber hinweg. Schlimm...

Er ist jedenfalls heil angekommen, jedoch erstmal in einer anderen JVA, soll aber noch dorthin verlegt werden, wo ich hingeschrieben hatte. Ach herrje, da war ich wohl wieder etwas zu schnell. Er hat mir gleich drei Seiten geschrieben. Mh, schreiben konnte er schon immer gut und eine schöne Schrift hat er.

Er will wissen, ob ich ihn besuchen werde. Naja, passieren kann mir da ja nichts. Es wäre halt nur doof, wenn er dann rauskommt und wir uns dann nicht mehr sehen können, weil ja dann die Sicherheit nicht mehr gegeben ist. Ich hab gemeint, einmal werde ich ihn besuchen und dann werde ich entscheiden, ob ich das weiterhin mache. Mh, er klingt aber allgemein sehr friedlich und vorallem clean. Ich hoffe das bleibt auch so.

Ich frage mich ernsthaft, ob ich ihn trotzdem zu einer Therapie drängen werde, wegen seiner Gewaltbereitschaft. Denn ich glaube, dass wird dort in Haft nicht wirklich besser, im Gegenteil. Aber vielleicht sollte ich mir auch erstmal überhaupt ein Bild machen. Immerhin habe ich ihn, bis auf kurz bei der Verhandlung, ewig nicht gesehen. Immerhin meinte er ja zu mir, er könne sich ja in der Zeit ändern.

Sein Wille in allen Ehren. Ich glaube da noch nicht dran, auch wenn ich mir das vielleicht wünschen würde. Er hat auch von seiner Sozialarbeiterin was geschrieben. Vielleicht kann ich mich ja mal mit ihr in Verbindung setzen und mir mal anhören, was sie so über ihn zu berichten/ sagen hat. Angeblich weiß sie von mir (ich glaub, ich habe sogar schon mal mit ihr telefoniert). Sie weiß wohl am besten, wie es mit ihm weitergehen könnte, oder? Ich mein, was weiß ich schon. Ich weiß, dass ich gern hätte, dass da was passiert. Irgendwas, was ihn dazu bringt, an sich zu arbeiten, so dass er irgendwann ein normales Leben führen kann. Aber was bringt es, wenn ich mir das wünsche. Er muss es wollen...

Aber vielleicht bewirkt die Haft ja doch irgendwas in ihm. Immerhin wird er ja auch älter...


LG Eure unverstanden
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Yolande
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 01.06.2011
Beiträge: 1438

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2011 21:49    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Unverstanden,

was hindert dich daran, endlich mit ihm abzuschließen? Er hat dir so viel Negatives angetan. Natürlich ist er friedlich, wenn er nicht drauf ist, so ist vermutlich sein Naturell, aber im C-Rausch denkt er ja scheinbar, du bist vom Dämon persönlich besessen und er versucht, ihn auszutreiben. Weißt du, meine Situation ist ja ähnlich, aber mein Freund war merkwürdig, aber nie gewaltbereit. Das ist, wie ich finde, ein Unterschied. Dennoch habe ich viele Geschichten gelesen, in denen eben die C-abhängigen so paranoid werden können, dass sie einfach bösartig und gewalttätig werden. Eigentlich habe ich meinen Freund nur aus dieser Angst heraus vor die Tür gesetzt...weil ich nie weiß, wann er psychotisch wird oder nicht. Ich wollte gar nicht erst verprügelt werden...Also, lass ihn doch in Ruhe und suche dir einen ruhiges, sicheres Leben.

LG
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NiemalsNieNicht
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 19.08.2011
Beiträge: 39

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2011 22:56    Titel: Wow Antworten mit Zitat

Ich hab den Thread gerade entdeckt und mich jetzt von vorne bis hinten durchgelesen.
Erst mal bewundere ich dich absolut für deine Kraft, Willen, etc! So Menschen findet man nur selten. Ich glaube auch, das er nur durch dich gesund werden kann. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung haben ja, wie schon geschrieben, extreme Vertrauensprobleme. Von mir aus gesehen, denke ich, bist du der einzige Mensch, dem er vertraut und dich liebt. Die andere Frau, wenn es sie denn wirklich gegeben hat, war denke ich nur Mittel um an Drogen zu kommen oder dich zu provozieren. Ausserdem wundert es mich, so böse es jetzt klingen mag, das er überhaupt noch lebt, aufgrund seinem Herzproblemen.
Ich wünsche dir von Herzen, das ihr eine gemeinsame glückliche Zukunft haben könnt, da bin ich einfach romantisch veranlagt Wink Kein Mensch ist nur krank oder nur böse und er scheint ja echt gebildet und charmant zu sein, wenn er nicht gerade Filme schiebt. PS: Ich freue mich, das du eine neue Beziehung hast, aber wenn ich ehrlich bin, hab ich nicht das Gefühl, das du da wirklich mit dem Herzen dabei bist, mach dir darüber mal Gedanken, bevor dein Neuer noch drunter leidet.


Aber was mich an der ganzen Geschichte noch zusätzlich so berührt hat, ist wie kaputt C macht.. ich war mir dessen schon immer bewusst, aber man verdrängt eben gerne als Konsument(in), einem selber passiert das ja nicht, etc...
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filZ
Anfänger


Anmeldungsdatum: 04.09.2011
Beiträge: 3

BeitragVerfasst am: 4. Sep 2011 23:04    Titel: Antworten mit Zitat

Abend,

ich hab gerade nach der Doku Crystal Monsters gegoogelt und bin irgenwie in Deinem Thread gelandet. Das ganze hier erinnert mich an mich. Trifft fast 1:1 auf mich zu. bIch hab mit 12 angefangen zu kiffen, mit 16 Pillen/Pep/Koks, hatte mit 17/18 die ersten "Macken" (paranoide Psychose, Depressionen, Zwangsneurosen). Seitdem kommt und geht das alle paar Jahre. Hab dadurch auch viele Probleme bekommen, Freundschaften/Familie vernachlässigt, Job verloren, paar Inhaftierungen und bin dadurch auch irgendwann aus der Wohung geflogen. Ja, Sachen passieren.

Ist ihm überhaupt klar, dass er krank ist? Das ist bei Psychotikern immer so ne Sache. Die halten den Wahn für Realität und glauben nicht, dass se krank sind. Das muss der auf jeden Fall - am besten so lange das ganze noch nich chronisch und behandelbar ist - in seinen Kopf kriegen. Sonst kann man dem nicht helfen.

Wenn der das nicht kapiert und sich nicht helfen lassen will; lass den einfach ziehen. Mein Rat.


MfG
filZ
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Aoran
Anfänger


Anmeldungsdatum: 29.08.2011
Beiträge: 16

BeitragVerfasst am: 5. Sep 2011 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Unverstanden!

Ich habe deinen Startbeitrag gelesen und bis hier her nachverfolgt. Ich finde, alles in allem nimmst du eine stärkere, selbstbewusstere Position in diesem ganzen Auf-und-Ab- Verlauf deines Freundes ein als dir bewusst zu sein scheint. Hin und wieder hast du zwar geschrieben, dass du wohl wieder etwas „falsch“ gemacht hast, das Gefühl hast, alles laufe schief etc..., doch letztlich bist du in so vielen Dingen sehr konsequent geblieben. Ich habe jetzt einfach mal ein paar schöne Zitate von dir herausgefischt, die ich besonders hervorheben möchte und anhand derer ich zu erkennen glaube, dass du die Dinge genau „richtig“ im Blick hast. (Begriffe wie „Richtig“ oder „Falsch“ werden von mir meist mit Ausführungszeichen verfasst, weil sie sehr subjektiv sind und niemals absolut immer gelten.)


Hier der erste:

Zitat:
Aber ich frag mich langsam, ob für solche Menschen wie ihm nur Platz im Gefängnis ist, obwohl er doch eigentlich innerlich einfach nur ein brutal verletztes kleines Kind ist.


Ich finde, das trifft es sehr gut. Er ist zwar erwachsen, und das auch mit seinem Kopf und dem Verstand, doch „das kleine verletzte Kind“ trägt irgendwie jeder sein Leben lang mit sich. Was deinen Freund betrifft, handelt es sich um Verletzungen, deren Ausmaß ich mir nicht vorstellen kann. Aus deinen Berichten geht aber hervor, dass es sich hierbei um wahrlich gewaltige Verletzungen handeln muss. Mir gefällt deine Einsicht in diese tiefe Ebene der Psyche deines Freundes!


Zitat:
Aber Schuld gebe ich ihm auch. Wenn er das alles wirklich gewollt hätte, wie es anfangs war und da gings ja auch, dann hätte er sich wenigstens halbwegs an die Regeln gehalten. Er bildete sich aber häufig ein, er dürfte alles, da er ja freiwillig dort ist. Allerdings traf er solche Aussagen in hoch aggressiven Momenten. Es ist manchmal sehr schwierig einzuordnen, was er wirklich denkt oder was er aus nur bedeutungslos aus der Aggression heraus sagt.


Du hast anfangs geschrieben, dass du dir nicht vorstellen kannst, warum er aus der Psychiatrie einfach so entlassen wurde. Ich kann mir nur vorstellen, dass es zum einen an dem Begriff: „Schuld“ liegt à Schuld übersetze ich häufig auch mit: „Verantwortung“ oder „Selbstverantwortlichkeit“ etc... ; und zum anderen schreibst du ja, dass er freiwillig dort war. Wäre er von richterlicher Seite dort eingewiesen worden, hätten sie ihn sicher nicht entlassen. Ich kann nur sagen, es ist heftig zu lesen, in welcher Situation du all die Monate gestanden hast. Der Grund, weswegen du ja froh warst, dass er dort irgendwo „sicher“ ist, ist, dass er dir ansonsten überall auflauern könnte. Und mit solch einer Angst zu leben, das muss schrecklich für dich gewesen sein. Ein Grund mehr, weswegen ich deine Standhaftigkeit bewundere. Du lässt ihn nicht fallen! (aber vergiss nicht: mach dir auch nie einen Kopf, wenn du ihn schließlich wirklich seinen eigenen Weg gehen lässt, sprich: den Kontakt vollständig abbrichst. Das heißt nicht, ihn fallen zu lassen, und es bedeutet auch nicht, dass du „versagt“ hättest oder alles umsonst war. Wie kann eine Begegnung zwischen zwei Menschen bitte jemals umsonst gewesen sein. Würdest du ihn nicht kennen, was würdest du dann vermissen? Nichts. Aber da du ihn nun so kennen gelernt hast, hat er dein Leben auf die eine oder andere Weise auch verändert und damit bereichert. )


Zitat:
Aber ich kann mir vorstellen, wie das alles abgelaufen ist. Er reagiert sehr heftig auf ablehnendes Verhalten. Sobald er merkt, dass ihn jemand überhaupt nicht abkann, dann verliert er jegliche Motivation sich an etwas zu halten. Er geht richtig in Rebellion über

Allerdings muss ich dazu wieder sagen, dass er die Sympathie vorallem wegen seinen Ausrastern verliert.

Fazit: Ihn liebt niemand, ihn mag niemand, keiner will mit ihm befreundet sein und das ist schon sein Leben lang so.



Ich arbeite ja in einem Wohnheim für Menschen mit geistiger und auch psychischer Behinderung. Da ist mir mal etwas passiert, das ich selbst nicht so richtig erklären kann.
Es geschah zwischen mir und einer Bewohnerin, die mir zuvor als sehr anstrengend um nicht zu sagen unsympathisch aufgefallen ist. Die Bewohnerin hatte stets Probleme mit „Unklarheiten“ – das ist heute nicht viel anders. Das heißt: wenn sich Angehörige zu einem Besuch anmeldeten, war sie fast kurz vorm Zerspringen, wenn diese nicht pünktlich zu der angemeldeten Uhrzeit erschienen. Kurz VOR 12:00Uhr (angemeldete Uhrzeit) zum Beispiel war sie ganz nervös: „Wo bleiben die denn, wo bleiben die denn?“ Punkt 12:00Uhr stand sie auf dem Balkon, machte alle nervös: „Die kommen nicht! Die haben mich vergessen!“
Nach 12:00Uhr: „Ich hasse die alle“ (beißt sich in den Handrücken) – Und am Ende scheute sie auch nicht vor Schlägen mit ihren Mitbewohnern und den Betreuern zurück. (das trifft so nicht auf deinen Freund zu, aber in beiden Fällen eint deinen Freund und diese Bewohnerin wahrscheinlich der Mangel an „Vertrauen“, den andere Kinder in der Regel in der Kindheit erfahren haben (sollten). Jedenfalls eines Tages war diese Bewohnerin kurz vorm Ausrasten. Sie schmiss Stühle im Wohnzimmer um, und plötzlich warf sie mit Besteck AN MIR VORBEI Richtung Boden!
Und dann ist etwas passiert, das ich bis heute wirklich seltsam finde. Anstatt sie zu maßregeln, habe ich sie gelobt dafür, dass sie so eine gute Beherrschung hatte, mit dem Besteck nicht auf mich zu zielen. Ich sagte, natürlich schmeißen wir hier nicht mit Besteck herum, aber ich habe wirklich Hochachtung vor ihr, dass sie sich in solch einer Situation so gut unter Kontrolle hatte! Und bis zum heutigen Tag ist dieses Misstrauen zwischen ihr und mir wie weggeblasen. Ich bin mir sicher, sie vertraut mir inzwischen. Und umgekehrt ist es das Gleiche.

Wenn du mich fragst, neigen wir Menschen alle dazu, uns mitteilen zu wollen. Wir sind nun mal kommunikative Wesen. Aber die „Begriffe“ oder „Gesten“, mit denen wir uns mitteilen können (also Kommunikationswerkzeuge) werden eben von unseren Eltern, dem sozialen Umfeld mitgegeben. Und jetzt hat dein Freund eben gelernt, handgreifliche Gewalt anzuwenden, weil das eines seiner Werkzeuge ist, mit denen er sich auszudrücken gelernt hat. Er möchte nur kommunizieren. In einer Welt, in der alles auf Gewalt aufbauen würde, wäre er absolut Gesellschaftskonform. Doch in unserer Gesellschaft läuft so vieles zwischen den Zeilen ab. Salopp: Man benutzt „Worte“, statt „Fäuste“. Und wenn du mich fragst: Worte sind manchmal zweideutiger, hinterhältiger und schwerer zu deuten als Fäuste (obwohl in meinem Repertoire auch keine Fäuste ihren Platz haben.)



Zitat:
Er kam sogar mal in den Maßregelvollzug, wo er ebenfalls einen Entzug machte, jedoch die anschließende Therapie die ihn "für andere erträglich" machen sollte, extrem ablehnte, richtig Aufstand machte (hat mir sowohl er selbst, als auch sein Bewährungshelfer erzählt).


Auch hier: Therapeuten haben ihre „Begriffe“, aber diese können durchaus abschreckend sein. Stell dir vor, so als Beispiel, man würde dir sagen, man nimmt dir dein Geld so einfach weg und bewahrt es „zur Sicherheit“ in einem Tresor auf. Eben noch durftest du frei darauf verfügen, plötzlich wird es dir weggenommen. Ein Mensch wie du und ich verstehen den Grund für diese Maßnahme, doch selbst ich würde erst einmal schlucken bei dem Gedanken, dass man mir meine Selbstverantwortlichkeit so einfach entreißen würde. Und so gibt es viele Beschränkungen, die zwar ganz eindeutig Sinn ergeben, doch wer diese Art der Kommunikation niemals gelernt hat, der wird sich dagegen zu wehren versuchen. Der Aufstand ist die einzige Art gewesen, mit dem er sich erklären konnte und er wurde und wird in einer Gesellschaft wie unserer immer dafür abgelehnt werden, solange die Gesellschaft so ist wie sie ist.


Zitat:
Eine beschissene Lebensgeschichte und irgendwie ziemlich hoffnungslos das ganze. Ich bezeichne ihn deshalb gern als eine "verlorene Seele". Und ich muss gestehen, dass ich ihm schon mal gesagt habe, dass der Tod für ihn wohl wirklich eine Erlösung wäre. Klingt hart, ich weiß, aber er ist nun mal irgendwie verloren und ihm ist, wie die Sache mit der Psychiatrie zeigt, wohl doch nicht zu helfen...


Natürlich klingt es hart, aber mit diesen Gefühlen stehst du bestimmt nicht alleine da. Du besitzt bloß den Mut, erstens deinen Gefühlen ins Antlitz zu schauen und sie auch noch zu äußern!


Zitat:
Er rennt allerdings gerade direkt wieder in die Sucht. Mh, soviel zu den klaren Momenten, die sind gerade vorüber. Er geht gerade feiern *seufz*
-
Hinterher erzählt er mir immer brüh warm, was er alles angestellt hat und dass ich ja sooooo recht hatte und es ihm leid tut. Aber mal was draus lernen, Fehlanzeige!
-
Ach scheiße, gerade habe ich wieder das Gefühl, dass ich loslassen sollte. Es ist zwecklos. Er will keine Hilfe. Allerdings war ich schon so oft an dieser Stelle und auch überzeugt, aber dann hat er wieder Dinge getan, die ich für völlig unmöglich bzw. unwahrscheinlich hielt.
-
Ich habe aber ein "ich mach es für mich, ich will was ändern" zurück bekommen. Daraufhin habe ich nur geantwortet, dass es schön wäre, wenn er sein Leben ändern wird, da ich dann nicht umsonst gelitten hätte.
-
Das Leben kann so schön sein. Es tut mir unheimlich Leid, dass sein Leben schon als Kind von Gewalt geprägt war und dass es für ihn zum Leben dazu gehört. Leben bedeutet für ihn Leiden und er ist dem alltäglichen Druck von Erwartungen an ihn einfach nicht gewachsen. Ich wünsche mir, dass es Ärzte/ Psychologen gibt, die ihm helfen können und werden, die ihm seine kaputte Seele wenigstens ein bisschen verbinden können.



Ich denke, hier ist entscheidend, dass er im Grunde sein Leben selbst verantworten will. Und das ist im Grunde auch das, was uns „Lebende“ auszeichnet. Wir möchten entscheiden dürfen. Das drückt sich nirgends besser aus, als darin: „ich mach es für mich, ich will was ändern“
Das Problem ist hier nur wieder: welche Handwerkszeuge besitzt er eigentlich, mit denen er das schaffen soll? Man kann sich da auch ruhig an der eigenen Nase fassen. Ich bin zum Beispiel ein sehr unordentlicher Typ Mensch (ich nehme zum Glück keine „illegale“ Drogen, habe ADS und werde medikamentös behandelt). Aber meine Unordnung kommt immer wieder hervor, OBWOHL ich mir vornehme, es zu ändern und es eindeutig will! Nur wie? Mir fehlen zum Beispiel in diesen Punkten die Werkzeuge. Ich könnte es mir leicht machen und sagen: „Tja, jetzt bin ich 28 Jahre, jetzt ist das alles zu spät, außerdem habe ich ADS, kann ich eh nix ändern“, doch solche Aussagen schränken Menschen ein und mindern die Potentiale, die sie eigentlich besitzen. Sprich: ich will was tun und dein Ex-Freund ebenso. Er gibt sich also noch nicht endgültig auf. Das ist wichtig, und solange besteht auch Hoffnung. Und dass er immer wieder mit Drogen anfängt, das liegt zumeist daran, dass diese eine Art „Werkzeug“ darstellen, um sich mit der Welt auseinander setzen zu können. Denk dran, du hast eine solche Vielzahl an Werkzeugen mitbekommen von deinen Eltern, deiner Familie, dass du mit den Drogen wahrscheinlich niemals etwas "schützendes" oder "Vertrauen schenkendes" verbinden würdest. Aber - ich kenn mich mit Crystal kaum aus, also Vorsicht mit folgender Vermutung - Crystal und andere Drogen scheinen in der Hinsicht irgendwann einmal zuverlässiger gewesen zu sein als die Bezugspersonen, zu denen dein Ex-Freund eigentlich Vertrauen aufbauen hätte sollen. Sprich: auf seine Eltern konnte er sich nicht verlassen. Und jetzt nimmt er da etwas auf, das ihm das Gefühl von Sicherheit gibt, von Übermacht (wo er sonst doch oft so hilflos und machtlos war). Und obwohl diese Drogen immer weniger das geben, was sie versprechen, hofft er halt weiterhin: "Vielleicht wirds wieder so wie damals, als ich das Zeug zum ersten Mal angefasst habe...vielleicht komme ich dann besser mit allem klar. Ohne Drogen schaff ichs ja doch nicht, ich habs mir ja VOR meinem ersten Drogenkonsum bewiesen."


Zitat:

In meinem kurzen Leben von fast 25 Jahren, habe ich niemanden vollständig vertrauen können, aber jemanden vollständig aufgeben genauso wenig. Ich kann vielleicht nicht mehr für ihn da sein, aber ich werde ihn nicht vergessen und die Hoffnung nie verlieren, dass er es irgendwann schafft, seine Wunden zu heilen und ein normales Leben zu führen.


Diese Hoffnung kenne ich. Und ich finde nichts verkehrt daran, dass du die Hoffnung nicht aufgibst. Was ich allerdings kürzlich neu gelernt habe, ist, den Begriff Hoffnung anders zu deuten als bisher:

Zitat von Vaclav Havel: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewißheit, dass etwas einen Sinn hat, egal wie es ausgeht.


Seither mache ich mir nicht mehr so einen großen Druck, wenn ich hoffe. Zum Beispiel geht mein alter Hoffnungsbegriff meist mit einer sehr großen Erwartung einher, je wichtiger mir das Ergebnis ist. Meine neue Definition von Hoffnung erleichtert mich dagegen vielmehr. Es hat einen Grund, weswegen du und dein Ex-Freund einander begegnet seid. Verweilt nicht bei der Frage, was das für ein Grund sein soll. Es macht irgendwie Sinn!


Zitat:
Der Mensch ist von Natur aus gut und fröhlich. Und nur das Leid kann Menschen zu so einem Monster machen. Da kann man nicht mit "er wird allem anderen sowieso die Schuld geben" herunterspielen. Natürlich macht er das, aber am wenigstens eigentlich der Sache, die wirklich dafür verantwortlich ist, denn genau das verdrängen diese Menschen aufs Äußerste.


Hiermit sagst du es ja selbst: Der Mensch ist von Natur aus gut und fröhlich. Das ist eine super Einstellung, an der ICH zumindest hoffentlich immer festhalten werde. Und ja, insgeheim wird er höchstwahrscheinlich in dir ein kleines Licht auf hoher See sehen. Wie schwach dieses Licht ist, hängt halt auch von den Wetterbedingungen ab, die sein eher stürmisches Gemüt auszeichnen. Manchmal sieht er dein Licht einfach nicht, ein anderes Mal sieht er die Dinge - wie du schon geschrieben hast - "klar"

Das hier alles klingt sehr geschwollen udn auf jeden Fall sehr metaphorisch. Aber manchmal ist die Meta-Ebene ganz praktisch, um ein Problem aus größerer Distanz zu beurteilen.

Grüßle

Aoran
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unverstanden
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 26.06.2010
Beiträge: 77

BeitragVerfasst am: 5. Sep 2011 23:38    Titel: Antworten mit Zitat

Guten Abend, meine Lieben!

Oh man, eure Antworten hauen mich echt manchmal um. Ich danke allen, die ihren "Senf" dazu gegeben haben. Vorallem, Aeron, deine Antwort ist ja mal der Hammer. Danke euch!

Ja, ich würde ihm unheimlich gern etwas von meiner Stärke abgeben. Meine neuesten Aktivitäten waren, dass ich ihm geantwortet haben, ins Gefängnis, und mir ein Buch über Gewalttäter besorgt habe, wodurch ich wieder viel gelernt habe. Nur irgendwie scheint man als Opfer nicht viel ausrichten zu können.

Meine Überlegungen gehen daher in Richtung Selbstverteidigung und sogar Kampfsport. Vielleicht kann ich so lernen mich zu wehren, bzw. vorallem meine enormen Hemmungen ihm weh zu tun, überwinden. Die standen mir bisher immer am meisten im Weg. Es gibt vllt auch die Möglichkeit Menschen einfach und schnell bewusstlos zu machen. In die Richtung werde ich mich jedenfalls, bezüglich meiner Sicherheit, erstmal schlau machen. Das schadet mir ganz sicher nicht und vielleicht schaffe ich es so aus der Opferrolle rauszukommen.

Momentan warte ich auf Antwort. Er lässt mich da ganz schön warten. Ich denke, sie haben ihn nun verlegt, weil es so lang dauert. Er hatte das ja schon in seinem Brief angekündigt. Nun weiß ich aber nicht, wohin ich schreiben kann.

Mein erstes Ziel liegt momentan darin, ihn zu einem Opferseminar, etwas ähnliches wie Anti-Gewalt-Training, zu überreden. Das wurde extra auf inhaftierte Gewalttäter zugeschnitten und soll wohl den Tätern Einsicht in bezug auf die eigenen Opfer bringen. Klang jedenfalls sehr vielversprechend und auch viel Zuspruch bei den Großteil der Gewalttäter gefunden zu haben. So kann ich ihn eventuell auch für den Weg der Therapie öffnen. Im Grunde ist das ja alles irgendwie so etwas in der Art.

Mh, ich mach mir manchmal wirklich viel Gedanken. Und ich frag mich auch oft, ob es überhaupt Sinn macht. Ich habe jedoch das Gefühl, egal was alles passiert ist, ich bin daran gewachsen. Vielleicht erleichtert mir das in anderen Punkten meines Lebens entspannt zu bleiben. Denn ich weiß, es gibt so viel Schlimmeres, was einem im Leben widerfahren kann.

In diesem Sinne... Gute Nacht!

Eure unverstanden
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Aoran
Anfänger


Anmeldungsdatum: 29.08.2011
Beiträge: 16

BeitragVerfasst am: 6. Sep 2011 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

Ah hi, Unverstanden!

Dachte nicht, dass du so schnell antworten würdest, weil ja auch wieder ein bisschen Zeit vergangen ist.

Aber jetzt nachdem du geschrieben hast, dass du gerne Selbstverteidigungskurse oder Kampfsport machen möchtest, da fällt mir ein, dass ich dir ohnehin schreiben wollte, dass es vielleicht auch nicht verkehrt wäre, dass du selbst eine Art Therapie machst (also das muss ja keine herkömmliche mit Psychologen oder so sein). Aber halt etwas, das dir ein wenig Halt gibt, denn so stark du auf mich den Eindruck machst, so kostet dich dein Einsatz ohne Zweifel viel Kraft. Ich finde das also ne super Idee!

Ich bin ja so ein Amateurschriftsteller und meine Methode (wäre ich in deiner Situation) wäre, dass ich diese Geschichte mit anderen Namen, anderen "Hintergrundinfos" und vielleicht sogar einem ganz anderen "Hauptthema" , aber mit den wesentlichen tatsächlichen Ereignissen in Romanform niederschreiben würde. Ich würde zum Beispiel versuchen, mich in die Position deines Freundes zu begeben (die Ich-Perspektive) und dann auf einen Menschen wie dich treffen. Was ginge da in mir vor, wenn da plötzlich jemand ist, der offensichtlich zu mir hält, mich mag, mich nicht schlägt und im Gegenteil sogar "körperlich" schwächer ist als ich. Vielleicht ist es auch das, was die Gewalt dir gegenüber auslöst: du bist nämlich in Wahrheit wahrscheinlich stärker als es körperlich den Anschein hat. Er merkt vielleicht, dass er dir gegenüber im Nachteil ist (wie so verdammt oft in seinem Leben) und nutzt seine körperliche Kraft, um sich das Gegenteil zu beweisen. Ich glaube nicht, dass er dich böswillig schlägt, sondern dass er einfach das Bestreben hat, endlich eine "gleichberechtigte" Ebene zu erreichen. Hinterher merkt er, dass er damit alles nur schlimmer gemacht hat. So oder so: er verliert. Er fühlt sich noch schwächer und der Teufelskreis geht von vorne los.

Aber das wäre wie gesagt meine Methode, weil ich sehr gerne schreibe und so auch Kraft gewinne.
Dass du dich mit Literatur über Gewalttäter informierst, find ich toll. Hierzu auch ein schöner Beitrag zum Thema: "Darf Strafe so schön sein" ( http://www.zeit.de/2009/13/Die-Insel-13 ).

Das Opferseminar ist mit Sicherheit eine spitzen Idee, aber ich denke du weißt, er muss das schon selbst wollen. Wenn ich mich in seine Lage versetze (ich kenne ihn nicht persönlich, daher seh ich das alles vielleicht zu unrealistisch), dann kann ich mir vorstellen, dass er sich bei all den Ideen und Veränderungsvorschlägen von dir und den Therapeuten ziemlich hin und her gerissen (geschubst?) vorkommen muss. Ich meine, ich für meinen Teil habe es zum Beispiel nicht so gern, wenn jemand (sogar zu recht) sagt: "Aoran, du machst ständig den gleichen Fehler, wie kommt das? Warum tust du nicht endlich mal genau das, was ich dir sage!" Klar möchte ich das dann tun, aber zunächst einmal möchte ich auch einen Bezug zu mir selbst finden und den erhalte ich nicht, wenn ich immer nur das tue, was andere von mir gerne sehen möchten. Verstehst du, was ich meine?

Was ich ebenfalls noch vergessen habe zu schreiben: ich habe ja geschrieben, dass ich es nicht als "jemanden verlassen" beschreiben würde, wenn du den Kontakt abbrichst. Da habe ich mich gefragt, aber was ist es denn dann? Und ich habe mir überlegt:

Man kann auf zwei Arten und Weisen einen Menschen verlassen:

1. Man verlässt jemanden, weil man mit seinem Latein am Ende ist. Man weiß nicht mehr weiter, man ist einfach zu geschwächt, um sich weiter auf dieses ständige Auf und Ab einzulassen.

2. Man verlässt jemanden endgültig (keine zweite Chance). Man hält ihn für absolut hoffnungslos und wird sich auch nie wieder einen Ruck geben, auf diesen Menschen zuzugehen, selbst wenn dieser sich in Zukunft irgendwann vielleicht doch noch geändert hat.

Ich glaube, nur wer jemanden auf die zweite Art verlässt, wird diesem Menschen nie wieder eine Chance geben. Nach allem, was ich von dir aber raus lese, wäre der einzige Grund, dich von ihm zu verabschieden der, dass du einfach nicht mehr die Kraft für seine Probleme hast. Er hat schon so viele deiner Grenzen überschritten. Du schreibst zwar auch, dass du allmählich die Hoffnung verlierst. Aber frage dich: angenommen, er kommt eines Tages zu dir (sagen wir in zwanzig, dreißig Jahren), er hat einen Job, Familie, keine Kinder, weil er sich das nicht zutraut, doch er lebt ein eigenständiges Leben ohne Drogen; würdest du ihn dann zum Teufel scheren? Ich glaube, nur wer es auf die zweite Methode hält, der wird so einen Menschen nie mehr wieder sehen wollen, egal, ob er sich geändert hat.

Beides ist natürlich in Ordnung, ich für meinen Teil bin viel zu inkonsequent und - ja manche sagen, ich sehe auch im schlechtesten noch immer etwas Gutes - als dass ich jemandem nach all den Jahren so vor die Tür setzen könnte. Aber meine Grenzen einhalten muss man halt schon noch. Sonst ginge nämlich ich kaputt daran.

liebe Grüße

Aoran, und schön, wenn du uns hier auf dem Laufenden hältst Smile
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Yolande
Platin-User
Platin-User


Anmeldungsdatum: 01.06.2011
Beiträge: 1438

BeitragVerfasst am: 6. Sep 2011 13:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Aoran

du schreibst, dass du nicht glaubst, dass der Typ das Mädel aus böswilligen Gründen schlägt. Was bitte sind es denn dann für Gründe? Ich kann gut verstehen, was du damit meinst, aber ganz ehrlich, soll sie nach den Schlägen sich immer wieder sagen...Och, der arme Kerl, hatte es nicht leicht und nun bin ich auch noch die Stärkere, da dulde ich mal die Schläge, dann gehts ihm besser...Mal ganz ehrlich, ob beschissene Kindheit oder nicht, es gibt niemandem das Recht, andere zu verletzen.

Unverstanden kümmert sich wirklich rührend um den Kerl, den sie meines Erachtens in den Wind schießen sollte, denn sie waren zum einen nicht wirklich lange zusammen, zum anderen verbindet sie eigentlich nichts mehr miteinander...Sie könnte ein wunderbares Leben führen und dieses Kapitel in ihrem Leben einfach ablegen.

Natürlich ist es toll, dass unverstanden in der Lage ist, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, aber in dem Fall ist es doch fast krank...bitte, unverstanden, er schlägt dich und du willst ein Opferseminar besuchen? WARUM? Was willst du da noch besser machen? Selbstverteidigung ist natürlich immer gut, aber du brauchst vor ihm keine Angst mehr zu haben, wenn du ihm endlich keinen Platz mehr in deinem Leben geben würdest. Auf was wartest du noch?
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Aoran
Anfänger


Anmeldungsdatum: 29.08.2011
Beiträge: 16

BeitragVerfasst am: 6. Sep 2011 13:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo

Zitat:
Zitat: Yolande: du schreibst, dass du nicht glaubst, dass der Typ das Mädel aus böswilligen Gründen schlägt. Was bitte sind es denn dann für Gründe? Ich kann gut verstehen, was du damit meinst, aber ganz ehrlich, soll sie nach den Schlägen sich immer wieder sagen...Och, der arme Kerl, hatte es nicht leicht und nun bin ich auch noch die Stärkere, da dulde ich mal die Schläge, dann gehts ihm besser...Mal ganz ehrlich, ob beschissene Kindheit oder nicht, es gibt niemandem das Recht, andere zu verletzen.


Hi Yolande, ich sage nirgendwo, dass es eine Rechtfertigung für Schläge gibt. Schlägt er sie aus bösem Grund oder aus gutem Grund? Wo liegt da der Unterschied? Er schlägt sie. Das ist das schrecklichste, was er tun kann. Da gibt es ganz und gar keine Rechtfertigung, und es gibt kein "gutes Schlagen", sowie es aber auch kein "böses Schlagen" gibt. Schlagen bleibt schlagen! Was ich mit meiner Äußerung gemeint habe, war, dass ich persönlich davon ausgehen, dass Menschen, die andere Menschen schlagen, dies in erster Linie aus absolutem Unverständnis heraus tun. Das sind Menschen, die sich so unverstanden fühlen, dass sie jeden anderen Menschen - vor allem jene Menschen, die eine gewisse emotionale und seelische Stärke ausstrahlen - als Angriff gegen ihre eigene Person sehen und daher Gewalt anwenden. Das ist keine Rechtfertigung, die ich da ausspreche, ganz und gar nicht.

Ich sage vielmehr, dass Unverstanden sich nicht zu schämen braucht, wenn sie ihn aus folgendem Grund verlässt:


Zitat:
1. Man verlässt jemanden, weil man mit seinem Latein am Ende ist. Man weiß nicht mehr weiter, man ist einfach zu geschwächt, um sich weiter auf dieses ständige Auf und Ab einzulassen.


Man braucht sich natürlich auch nicht schämen, wenn man diesen Freund verlässt und ihn wirklich absolut nie mehr wieder sehen möchte. Das ist jedem selbst überlassen.

Doch solange Unverstanden zu diesem Menschen Kontakt halten möchte, bitte, was ist daran eigentlich krank? Und wer darf entscheiden, was daran krank ist?

Zitat:
Zitat: Yolande: Natürlich ist es toll, dass unverstanden in der Lage ist, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, aber in dem Fall ist es doch fast krank...bitte, unverstanden, er schlägt dich und du willst ein Opferseminar besuchen?


Wenn ich Unverstanden richtig verstehe, geht es nicht darum, dass SIE ein Opferseminar besucht, sondern dass er es besuchen soll, damit er endlich mal am eigenen Leibe erfährt, was er Unverstanden angetan hat. Ich habe darauf geschrieben, dass ich das eine tolle Idee finde, er sich darauf aber natürlich einlassen muss, sonst wird es schwer sein Verhalten zu erkennen und zu ändern.

Mir ist schon bewusst, dass ich vielleicht ein wenig so rüber komme, als würde ich den Freund von Unverstanden schützen, seine Gewaltattacken rechtfertigen und mich ausschließlich auf seine Kindheit berufen. Doch das ist so nicht ganz richtig.

Jeder Mensch hat Grenzen. Unverstanden setzt ihre Grenzen, meines Erachtens, schon ganz richtig. Sie lässt ihn allein nicht mehr an sich heran. Sie ruft die Polzei und sie sagt vor Gericht aus. VIelleicht muss sie die Grenzen sogar eines Tages soweit schärfen, indem sie den Kontakt vollständig abbricht - das ist jedoch ihre ganz persönliche Entscheidung! Als Außenstehender habe ich kein Recht das zu beurteilen.

Ich hoffe, dass das ein wenig klarer von mir ausgedrückt war. Ich rechtfertige absolut keine Schläge! Niemals!

liebe Grüße

Aoran
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Yolande
Platin-User
Platin-User


Anmeldungsdatum: 01.06.2011
Beiträge: 1438

BeitragVerfasst am: 6. Sep 2011 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Aoran,

mir war völlig klar, was du damit meintest, mir ist nur dieser eine Satz aufgestoßen.
Ich verstehe nur nicht, weshalb meist der Täter verstanden wird und das Opfer eher weniger.

LG
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