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mesut76
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 04.03.2012
Beiträge: 1238

BeitragVerfasst am: 26. Mai 2012 23:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ich kann weiß nicht wie die Seele bei einem Aussieht, der mit 16 anfängt und 10 Jahre lang konsumiert. Ich hab mit ca 18 angefangen zu Kiffen und direkt eigentlich jeden Tag. Hatte dann ne Cleanphase und mit ca 27 - 28 habe ich dann über 5 Jahre Kokain konsumiert. Ich muss sagen, meiner Seele geht es heute besser, als mit 18. Ich bin endlich befreit von irgendwelchen Mitteln und kann machen, was ich gerade möchte. Und ich mochte schon immer die Freiheit und nun kann ich sie auch verfolgen und genießen. Ich bete zu Gott das es so bleibt.

@Melinda

Und wie Recht du hast, ich hab ca 5 Therapeuten kennengelernt und nur eine einzige hat mich wirklich erreicht. Und wie sie mich erreicht hat, richtig Klasse. Und ich hab auch einem Therapiekollegen wirklich sehr sehr viel zu verdanken. Der hat mich wirklich sehr beeindruckt und meine Abstinenzentscheidung um das Zigfache gesteigert. Die schließe ich auch in meine Gebete ein.

Und die anderen Therapeuten hätten mich 5 Jahre begleiten können und hätten diesen Effekt nicht ausgelöst. Wenn das nicht passt und man sitzt da und denkt sich "man hat die ein großen Pfeil Kopf", kann das einfach nix werden.
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rudi
Silber-User
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Anmeldungsdatum: 16.05.2012
Beiträge: 216

BeitragVerfasst am: 27. Mai 2012 09:30    Titel: Antworten mit Zitat

Pimpinelle hat Folgendes geschrieben:


Es gibt mehr als genug "verletzte Seelen", die sich nicht in Drogen flüchten (im wahrsten Sinne des Wortes), sondern versuchen, ihr Leben mit allen Hürden zu meistern und zwar nüchtern.


Hallo Pimpi, da hast du wohl Recht, aber um diese Leute geht es hier nicht. Hier geht es um Personen die bereits Drogenabhängig sind oder es waren.

Zitat:
Nicht nur Süchtige müssen an sich arbeiten, sondern viele Nicht-Süchtige tun es auch. Der Weg ist für beide beschwerlich. Für einen Süchtigen wird es m. E. nur deshalb noch beschwerlicher, weil noch typisches Suchtverhalten und daraus resultierender unnötiger Ärger hinzukommt. Ansonsten sind die Probleme die gleichen.


Das stimmt so nicht. Die Probleme von Suchtkranken Menschen kann man nicht pauschal mit den Problemen Gesunder gleichsetzen. Da gibt es gewaltige Unterschiede.
Die meistens bereits aus der Kindheit stammenden Defizite von Drogenabhängigen lassen sich in der Regel auch nicht dadurch beheben das "man an sich arbeitet".
Das ist nichts anderes als eine Worthülse ohne Inhalt.

Nehmen wir an, ein Kind wurde über Jahre vom eigenen Vater sexuell missbraucht. Um die seelischen Schmerzen ertragen zu können fängt es erst an sich selbst zu verletzen und später greift es zu Drogen und wird abhängig, sowohl vom ritzen als auch von den Drogen.

Du gibst mir doch bestimmt Recht wenn ich behaupte, dass eine solche Person es viel schwerer hat ein geordnetes Leben zu führen, als jemand der in einem behüteten Elternhaus aufgewachsen ist.

Gerade die erste Zeit nach einer Entgiftung hat man das Gefühl, das die eigenen Probleme und Defizite noch viel größer geworden sind.

Und im Hinterkopf weiß der Suchtkranke, es gibt eine Möglichkeit meine Angst, Schmerzen, Minderwertigkeit, Komplexe usw mit einem Schlag verschwinden zu lassen.

Für solche Leute ist jeder einzelne Tag ohne Drogen eine übermenschliche Herausforderung und Qual.

Zitat:
Jemand, der Drogen als Lösung aller Probleme ansieht


Das macht doch niemand. Ich bin mir ziemlich sicher, das du selbst nicht drogenabhängig bist/ warst und einige Vorurteile Drogenkranken gegenüber hast. sonst würdest du so etwas nicht schreiben.

Niemand fängt an Drogen zu nehmen um seine Probleme zu lösen sondern um vor diesen zu flüchten. Zum Beispiel vor der Angst vor dem missbrauchenden Vater.
Ich bin jetzt fast 18 Jahre clean und kann sagen das Heilung möglich ist, aber es kann ein sehr langer Prozess sein.

Manche Dinge heilen auch nie ganz. Voraussetzung ist aber das man die richtige Hilfe bekommt, und zwar von Menschen die sich wirklich auskennen .
Es braucht auch einen neuen Lebensinhalt, einen Sinn im Leben.
Da kann eine Religion oder Philosophie sehr hilfreich sein.
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mesut76
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 04.03.2012
Beiträge: 1238

BeitragVerfasst am: 27. Mai 2012 09:55    Titel: Antworten mit Zitat

@Rudi

ich stimme dir da zu wenn du sagst, wer eine schwierige Kindheit, wird es schwerer haben als andere. Natürlich wird das so sein vermute ich mal. Aber wer hatte denn schon eine rosige Kindheit ?!

Ich weise nochmal auf meine Geschwister hin, die in dem gleichen Haushalt Groß geworden sind, von denen Raucht noch nichtmal einer. Und ja, ich meine was in der Kindheit passiert ist, wird einem natürlicherweise eingeprägt bleiben. Aber ich denke wenn man erwachsen ist und sich mit seiner Vergangenheit auseinander setzt, ist es möglich die Sachen zu akzeptieren so wie sie nunmal sind. Und dafür kann eine Therapie eine RIESEN Unterstützung sein, wenn man sie richtig angeht.

Meine Kindheit hake ich unter ab unter Schicksal, es hätte natürlich besser kommen können, aber auch schlechter !
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Pimpinelle
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 30.03.2012
Beiträge: 1367

BeitragVerfasst am: 27. Mai 2012 11:33    Titel: Antworten mit Zitat

Danke mesut Smile

@ rudi

Nicht jeder mit schlechter Kindheit nimmt Drogen und nicht jeder der Drogen nimmt, hatte eine schlechte Kindheit wie z.B. Missbrauchserfahrung. Und um nochmal darauf zu kommen. Vor den Drogen ist die Problematik bei beiden die gleiche, es ist nur eine Frage, wie man damit umgeht. Das ist keine leere Worthülse, wenn ich schreibe, man müsse an sich arbeiten, sondern es müsste dir doch eigentlich klar sein, was damit gemeint ist. Missbrauchserfahrungen beispielsweise müssen in einer Therapie aufgearbeitet werden, damit jemand lernt, damit leben zu können.

Dass nach jahrelangem Drogenkonsum bzw. Medikamentenmissbrauch noch mehr Probleme da sind, ist mir bekannt und ich finde es auch völlig logisch. Jemand, der alle angenehmen Ereignisse mit Drogenkonsum verknüpft wird ein großes Problem haben, ohne Drogen was angenehmes zu unternehmen. Und jemand, der sich jahrzehntelang ausschließlich mit Drogen beschäftigt, hat danach keine Beschäftigung und weiß nichts mit sich anzufangen.

Ehrlich gesagt ich ziehe eher den Hut vor Leuten, die ihre Probleme hartnäckig bewältigen und den beschwerlichen Weg einer Therapie ernsthaft auf sich nehmen, wenn du mich so fragst. Nein, ich bin nicht drogenabhängig, aber das dürfte langsam allgemein bekannt. Mein Verständis für den Start einer ausgewachsenen Drogenkarriere hält sich sehr in Grenzen, zumal die Folgen gewöhnlich bekannt sind. Wofür ich durchaus Verständnis habe ist, dass es schwierig ist, wieder in ein "normales" Leben zu finden.
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rudi
Silber-User
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Anmeldungsdatum: 16.05.2012
Beiträge: 216

BeitragVerfasst am: 27. Mai 2012 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

@mesut

Mesut, es ist ein riesengroßer Unterschied, ob jemand zb im Heim aufgewachsen ist und von den einen Pflegeeltern zu den nächsten durchgereicht wurde, oder ob er in einem liebevollen, behüteten Elternhaus aufgewachsen ist.
Der erste wird es immer schwerer im Leben haben, weil ihm gewisse grundlegende Dinge fehlen.
Dein Beispiel mit deinen Geschwistern überzeugt mich auch nicht. Es kann zB sein das nur eines von mehreren Kindern, aus welchem Grund auch immer, von den Eltern oder einem Elternteil abgelehnt wird.
Die Mutter will zB keine Kinder mehr, wird aber trotzden noch einmal schwanger.
Sie lehnt das Kind ab weil sie es ja gar nicht wollte.
Diese Ablehnung kann das Kind bereits verletzen wenn es noch gar nicht geboren wurde sondern noch im Mutterleib ist.
Und diesem Kind wird später als Erwachsener, ein wichtiges Fundament im Leben fehlen.
Nämlich das Bewusstsein und Wissen, gewolt, angenommen und geliebt zu sein.
Diese Person wird vermutlich versuchen die Schmerzen ihrer verletzten Seele mit Drogen, Alkohol oder anderem zu betäuben.
Ich war Mitarbeiter in verschiedenen Randgruppenarbeiten und habe es oft genug gesehen, das Leute es nicht geschaft haben, obwohl der feste Wille da war.
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Pimpinelle
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 30.03.2012
Beiträge: 1367

BeitragVerfasst am: 27. Mai 2012 16:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Rudi,

nimm' es mir nicht übel, aber langsam werden das Horrorszenarien, und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, du möchtest mich (bzw. uns) überzeugen, Drogenabhängige hätten es alle viel schlechter gehabt als andere, die eben keine Drogen nehmen. Klar, gibt es alles, was du so schilderst. Aber das ist doch nicht die Norm.

Mesut hat irgendwo sehr gut seine Situation usw. beschrieben und eindeutig geschildert, dass alle seine Geschwister die gleiche Vergangenheit haben wie er. Wink

Ich habe auch noch ein paar Geschwister und wir haben ein ganz schwieriges Elternhaus gehabt, absolut keine schöne Kindheit. Von uns ist keiner abhängig (außer Kaffe und vielleicht Nikotin). Es gibt sowas tatsächlich.

Gruß

Pimpinelle
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mesut76
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 04.03.2012
Beiträge: 1238

BeitragVerfasst am: 27. Mai 2012 16:36    Titel: Antworten mit Zitat

@Rudi

Ja du hast Recht ich war kein Wunschkind, aber meine ich habe noch eine Jüngere Schwester die war auch kein Wunschkind.

Und mit Liebe war bei allen nix, meine Mutter war immer sehr bemüht, das es uns allen gut gehen sollte. Aber die sieht immer das Haar in der Suppe und egal was man tut.

Beispiel: Wenn ich mein Auto nicht Sauber halte, dann meckert sie weil das Dreckig ist. Wenn ich es Sauber mache, meckert sie ich soll es nicht so oft Sauber machen, weil der Staubsaugerbeutel so schnell voll wird (Kein Scherz)

Die sieht immer das negative, ABER IMMER ! Als ich Jobtechnisch so erfolgreich war, anstatt sie mal sagt: Junge ich bin so Stolz auf dich,guckmal was du da auf die Beine gestellt hast. Ne natürlich nicht, es hieß dann im ersten Satz, du gibst das ganze Geld eh nur für Scheiße aus.

All solche Dinge mein ganzes Leben lang ! ! ! Mittlerweile gehe ich damit anders um und es hat nicht mehr den Stellenwert, wenn sie mal wieder so tickt.

Aber zudem Jungen, der von Pflegeeltern zu Pflegeeltern durchgereicht wird, glaube ich schon das der es sehr sehr schwerer haben wie z b ich. Aber ich glaube auch im gleichen Moment daran, er wird in Drogen auch keine Liebe Akzeptanz, oder Geborgenheit finden. Das so einer schneller Süchtig wird und dabei erstmal bleibt glaube ich schon, aber der Weg zur Erkenntnis das Drogen in solchen Fällen einfach nix bringen, macht für mich keinen Unterschied.
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newlife
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 30.11.2011
Beiträge: 1844

BeitragVerfasst am: 28. Mai 2012 22:04    Titel: Antworten mit Zitat

nun, ich war soweit, dass ich glaubte ich kratz bald ab. Mir war schon klar, dass ich nur eine Chance habe, dass es mir wieder besser geht, wenn ich aufhöre. Mir ging es ne ganze Weile noch schlecht nach dem letzten, stationären Entzug und ne LZT habe ich ja auch gemacht. Mich hat aber immer nur die oben erwähnte Tatsache trocken gehalten. Mit mir geht es immer weiter abwärts, wenn ich nicht aufhöre.
Ob jetzt meine Seele in einem Top-Zustand ist oder nicht, lasse ich mal dahingestellt. Super ist es so auch nicht, aber doch deutlich besser, als saufend im Treppenhaus liegend. Das sind Dinge, die muss ich doch mal begreifen können. Wenn ich verstanden habe, um was es dabei geht und ich über Jahre hinweg die Erfahrung gemacht habe, dass ich nicht kontrolliert konsumieren kann, dann habe ich zwei Wege, die ich gehen kann. Ich mach mich kaputt oder ich lebe weiter.

Meine Entwicklung ist aus heutiger Sicht sehr positiv. Der lange Weg, bis über die Nervenbahnen wieder mal ein etwas dickeres Fell wächst dauert. Da sollte der Süchtige wirklich mal ein Jahr abstinent leben um eine solche Veränderung zu spüren. Ich spüre sie, ich hab wieder Nerven wie Drahtseile, bin kaum aus der Ruhe zu bringen und genieße diese ruhige, fast schon abgeklärte Art zu kommunizieren. Ein Beispiel dafür ist, dass ich früher schon immer Panik schob, wenn ich in fremden, größeren Städten rumfuhr, wo ich mich nicht auskannte. Heute fahre ich einfach da rein und gucke halt mal, was da so kommt (oder auch nicht). Meine Einstellung hat sich einfach geändert, ich hab halt keinen Bock auf Stress und das zeige ich auch mit einer inzwischen gut ausgebauten Überlegenheit.
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Antonymus
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 18.05.2012
Beiträge: 86

BeitragVerfasst am: 29. Mai 2012 22:24    Titel: Antwort Antworten mit Zitat

Hallo an Alle,

zunächst mal möchte ich mich bei allen hier für das rege Interesse an diesem Thread bedanken. Es beflügelt mich, wenn ich erlebe, wie hier echter Austausch, wahre Dialoge und Querverbindungen entstehen.

Ich brütete nun 3 Tage an Mesuts Frage und wie es der Zufall will gingen weitere Fragen in diese Richtung und zwar die schwierige Situation in der Kindheit oder die familiären Desaster schlechthin. In der Zwischenzeit wurde viel über Verletzungen, oder verletzte Seele und ähnliches gesprochen und auch hier sind die Ursachen in der Regel in den frühen Jahren unserer Entwicklung zu suchen - ich denke soweit haben wir alle genug psychoanalytisches Wissen.

Wir können, oder wir müssen, uns jemandem anvertrauen, um dieses quälende Kapitel zu beenden oder aufzulösen. Ob Therapeuten, die richtigen Ansprechpartner sind ist die Frage.

@Mesut

Ich kann sehr gut nachvollziehen was Du schreibst, Du wolltest Freunde beeindrucken, hast in allem maßlos übertrieben, und interessanterweise schreibst Du am Ende des Absatzes:

Zitat:
Das ist eine ganz komische Geschichte und ich weiß nicht, woher das kommt, mein Selbstwertgefühl ist dadurch einfach nur zu Grunde gegangen in all den Jahren.


Kann es sein, dass Du NIE ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl hattest? Es würde mich nämlich nicht wundern, denn es ist unglaublich schwierig ein Selbstwertgefühl aufzubauen, wenn man immer wieder negatives Feedback bekommt.

Erkennen wir unseren Wert nicht, muss dieser natürlich aufpoliert werden (ich fuhr das zweitschnellste Moped der Stadt), denn wir alle sehnen uns nach Bestätigung und Liebe. Ein blöder Kreislauf, denn die Sucht verstärkt auch noch dieses Verhalten, oder kennt Ihr Süchtige, die mit breiter Schulter und Stolz ihre Leistungen verkünden, wenn sie nüchtern oder sauber sind?

Jedes 'normale Kind' Kind lernt Selbstwert, oft überschätzt es sich, aber das spielt keine Rolle, es lernt, indem es positives und negatives Feedback erhält. Bleibt das positive Feedback aus haben wir eben eine Kerbe mehr in unserem Störungskarusell. Aber ist das schlimm?

Ich würde mal behaupten, die meisten Politiker, Künstler und Stars oder Superreiche hatten ebenso einen gestörten Selbstwert. Oder wie würdet Ihr erklären, dass da draussen in der Gesellschaft alle umherrennen wie kopflose Hühner und hecheln den ganzen Tag irgendetwas hinterher?

Kennt Ihr den verstorbenen Modezaren aus München, der mit seinem Rolce-Royce und Daisy bis zu seinem bitteren Ende sein Image aufpolieren musste? Nun, das sind traurige Schicksale und wir Süchtige haben den Riesen Vorteil, dass die Sucht uns an einen Wendepunkt brachte, wo wir gezwungen werden das Leben komplett neu zu bewerten. Andere sterben mit ihren Defiziten, Minderwertigkeitskomplexen oder einfach ihrem ganz persönlichen Unglück.

Dies ist der Punkt, wo ich täglich dankbar bin für meine Sucht, sie zwang mich zu einer Entscheidung: entweder weiter krank vor mich hin vegetieren, oder das Leben komplett neu zu gestalten. Ich habe mich für das Leben entschieden, aber machen wir uns nichts vor, wir können durchaus auch weiter machen wie bisher, denn die Welt dreht sich auch ohne unser zutun, wenn wir zugedröhnt in der Ecke liegen. Dieses Drama 'wir arme Süchtige' können wir uns sparen.

Wenn ich sehe, wie frustriert viele Menschen sind, müsste ich eigentlich noch für die Sucht plädieren: ja, hauts Euch die Birne voll, ja, drücks Euch irgendeinen Mist in die Venen, auf geht's noch ne Pille und ja, zieh Dir ordentlich Chemie durch die Nase, denn es macht keinen Unterschied, ob Du Dich belügst oder zudröhnst?

Interessanterweise habe ich noch nie einen dummen Süchtigen kennen gelernt, auch in den schlimmsten Absturzkneipen hörte ich immer wieder weise Worte, nur meist übertönte eine laute Unzufriedenheit die Gespräche. Alles in allem kenne ich eben auch keinen Süchtigen, der mit sich und seinem Leben zufrieden ist.

Und hier sehe ich die großartige Chance anzusetzen. Ihr habt viele Seiten des Lebens kennen gelernt und wir wissen doch, was uns unglücklich macht.

Meine Frage an Euch: sind wir denn in der Lage unser Glück zu leben? Oder, gibt es in uns eine ganz seltsame Lust am Unglück, weil zuviel Glück unerträglich ist?

Versteht Ihr was ich meine? Verstehst Du mich, Mesut?

Wir unterhalten uns permanent über die Sucht, aber mein Standpunkt ist ein anderer. Ich bin mir sicher, dass hier IN DIESEM FORUM ein Riesen Potenzial an Wissen, Kraft und Kreativität herrscht. Und: wir, die uns hier über sehr persönliche Dinge unterhalten haben vieles schon durch, was andere nie erreichen werden.

Die einen 'kämpfen' noch, wie sie sagen und ich kann ihnen einfach nur sagen, hey, wenn Du eine andere Welt willst, in wenigen Tagen wenn Du Deinen Entzug hinter Dir hast, kannst Du damit beginnen, also nerve mich nicht mit Fragen, wie ob Du aufhören sollst. Es ist dir überlassen. Mach mit Dir was Du willst. Die Entscheidung liegt immer bei uns selbst.

Und Mesut: ich bin kein Psychologe um zu Deiner zweiten Frage zu kommen. Aber ich weiß, dass ich jedes Trauma überwinden oder auflösen kann. Weißt Du ich bin sehr einfach gestrickt und habe Hilfe in religiösen Schriften gesucht, nachdem ich mit dem Psychokram nicht soviel anfangen konnte. Ich entschied mich, als ich an dem Punkt war, den du beschreibst, für Vergebung.

Ich schloss Frieden mit denen, die mich verletzten, die mir tiefe Wunden zufügten. Ich sagte mir, was sie taten, geschah, weil sie es nicht besser wussten. Also verzeihte ich ihnen, bedingungslos, gleich wie schlimm die Demütigung war.

Aber im Umkehrschluss suchte ich auch diejenigen auf, die ich verletzte, die ich belog und betrog, um ihnen meine Entschuldigung vorzutragen. Mesut, Du glaubst nicht welche Last von mir fiel, als ich diesen Schritt wagte.

Mit jeder Entschuldigung wuchs ich und das Unglaubliche war, ich erntete Anerkennung wie nie zuvor und für was? Für eine kleine Entschuldigung. Die Menschen waren perplex, da ich einige Jahrzehnte nicht mehr gesehen hatte, aber der Drang sie zu finden war unendlich stark und ich wurde dafür belohnt, wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Dieser Dank, diese Anerkennung war mehr Wert als eine Million Dollar und dies ist keine Übertreibung. Heute weiß ich, wer eine Schwäche zugeben kann, hat wahre Größe. Großkotzig zu sein und Wichtigtuerei ist kein Kunststück.

Hier erlebte ich, dass Wahrheit sich auszahlt und gleichzeitig kapierte ich, was ich den Menschen antat, war ja auch kein sadistischer Akt, sondern Hilflosigkeit. Ich war ein armes Wüstel, das sich nicht anders zu helfen wusste und genau deshalb konnte ich auch anderen verzeihen.

So einfach können Dinge aufgelöst werden, aber ich denke, der richtige Weg ist, selbst tätig zu werden, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Eigentlich wollte ich Mesut diese Antwort persönlich schicken, aber hier kann man keine Nachrichten verschicken.

Wünsche Euch allen eine schöne Woche,
LG, A.

P.S.: @Mesut - Gewalt wird über Generationen übertragen. Es ist unendlich schwer diese "Traditionen" zu stoppen. Wenn Du das schaffst hast Du mehr Power als Bill Gates.
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mesut76
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 04.03.2012
Beiträge: 1238

BeitragVerfasst am: 29. Mai 2012 23:41    Titel: Antworten mit Zitat

@Antonymos

Dein Beitrag ist einfach nur geil . . .

Danke erstmal für deinen ausführlichen Beitrag, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, also fange ich mal bei dir an. Ich weiß jetzt nicht was du so alles angestellt hast und wie schlimm das alles war, aber dein Schritt zu den Leuten zuzugehen und zu sagen "Hallo hier bin ich. . . .und ja . . . es war einfach zum Kotzen was ich getan habe" . . . Das kostet supermegaviel Überwindung und Mut, alleine schon wegen dem Stolz diesen Schritt zu wagen ist wirklich sehr schwierig. Und weiß du, ich glaube dir das, genauso wie du es auch beschreibst. Du wirst es nicht glauben, aber ich fühle momentan sehr ähnlich wie du. Ich saß vor 2 Tagen noch bei meiner Schwester und war am grübeln . . .soll ich oder soll ich nicht. . . .soll ich oder soll ich nicht . . . .und dann hab ich irgendwie den Mut bekommen und hab mich auch bei ihr entschuldigt für eine Geschichte die 2 Jahre alt ist. Und ich bin genauso wie du, bin mit mir endlich irgendwie im reinen. Ich hab vor 18 Monaten noch das 3 oder 4 Fache verdient, als wie ich heute verdiene, ich bin aber 100 mal glücklicher und zufriedener, dafür bin ich dem lieben Gott sehr Dankbar.

Und mit dem Selbstwertgefühl, da hast du glaube ich Recht, dass ich nie welches besessen habe.(Ich habs mir aufgeschrieben, werde das mal beim Therapeuten Mitte Juni ansprechen) Es ist noch nicht lang her, da habe ich mich immer daran gemessen, was ich für ein Auto habe, wo ich im Urlaub war, und wieviel Tachengeld ich habe. Das alles habe ich aber nicht für mich getan, sondern um sagen zu können, guck mal wo ich gewesen bin und hier guck mal das und dies und bla bla bla. . . alles Blödsinn und der Drogenkonsum ist einfach nur immer mehr geworden. Aber ich glaube, das sich viele an so Materiellen Dingen aufgeilen und ihren Selbstwertgefühl dadurch glauben steigern zu können.

Und das mit dem Glücklich sein, da hatte ich letztens ein ganz komisches Erlebnis, ich stand am Fenster (hatte den ganzen Tag gefastet) war am Qualmen und irgendwie merkte ich wie zufrieden ich war und da hab ich mich an Rudi erinnert der mal ähnliches geschrieben hatte. Das war echt ein ganz tolles Erlebnis, würde ich für nix anderes auf der Welt hergeben ! Ich glaub nicht, das zuviel Glück unerträglich ist. Jeder definiert Glück auch anders, wie gesagt ich hatte endlich dann gegessen und Abends bei meiner ersten Zigarette am Fenster war ich einfach nur sehr zufrieden und glücklich.

Aber ich glaube ich weiß was du meinst, mir hat nämlich mal ein guter und sehr langer Freund gesagt: MESUT verstehe mich bitte nicht falsch, aber auch wenn du mal 10000€ verdienen würdest, DU würdest auch damit nicht zufrieden sein. Diesen Satz vergesse ich nicht, der ist jetzt bestimmt schon 8 Jahre her.

Und ja ich glaube auch das dieses Forum hier sehr viel Potenzial hat und man hier wirklich sehr lernen kann. Ich muss aber dazu sagen, in der Therapie hab ich auch Megaviel gelernt und bin echt froh, das alles so gekommen ist, es hätte mich auch alles viel schlimmer erwischen können, ich kann jetzt ehrlich durchs Leben gehen und das ist viel einfacher. Vor allem brauch man sich nicht zu merken, wem man was für ne Story erzählt hat.
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newlife
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Anmeldungsdatum: 30.11.2011
Beiträge: 1844

BeitragVerfasst am: 30. Mai 2012 09:16    Titel: Antworten mit Zitat

was ich so bei mir festgestellt habe ist, dass ich auch sehr unbequem sein kann. Es ist eben diese Abgeklärtheit zu vielen Dingen und meine sehr deutliche Sprache. Ich strotze vor Selbstbewusstsein und habe mein Fell ist in 2,5 Jahren Trockenheit wirklich gewachsen. Ich gehe offen mit meiner Sucht um, wobei ich allerdings abwäge, ob mir die Personen es wert sind, ob ich zu dem Thema etwas sage oder nicht.
Da Alkohol ja überall gegenwertig ist, ist es wohl vom Handling her etwas anders, als bei einer Drogensucht. Da ich aber keine Lust habe, mir "irgendetwas einfallen zu lassen", lehne ich einfach ab und sage, dass ich nicht trinke. Warum und weshalb geht jetzt nicht unbedingt jeden etwas an und das drücke ich auch entsprechend aus. So in die Richtung, dass es doch egal ist, was ich trinke oder nicht, etc. Das kommt schonmal etwas hart rüber und wirkt irritierend aber so bin ich dann halt. Personen die mir was bedeuten, bekommen in dem Moment die ehrliche Antwort und sind zunächst auch irritiert, wie man denn so offen sagen kann, dass man abhängig ist. Aber das gibt sich in der Regel schnell, wenn ich ein wenig mehr darüber erzähle. Viele finden das auch richtig klasse, andere hingegen sind verwundert, wie denn ein "ganz brauchbarer umgänglicher Mensch" süchtig sein kann. Das falsche Weltbild eben.
Was ich nicht leiden kann, sind überhebliche "Supertrockene", die ihr neues Leben über alles stellen. Da frage ich mich doch allen Ernstes, ob die überhaupt mal süchtig waren. Da gibt es doch tatsächlich welche, die verkünden, dass sie sich um 180 Grad gedreht haben. Ist mir unverständlich. Ich bin der gleiche Mensch geblieben und lass mich nicht verbiegen, von daher stehe ich auch nicht so auf therapeutische Dinge. Ich arbeite mit meinem Verstand und bin eher ein pragmatischer Mensch und weniger emotional und lebe ja auch nicht völlig suchtmittelfrei. Ich komme aber mit mir klar und darum geht es glaube ich in erster Linie.
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mesut76
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Anmeldungsdatum: 04.03.2012
Beiträge: 1238

BeitragVerfasst am: 30. Mai 2012 12:31    Titel: Antworten mit Zitat

@newlife

Das mit dem Alkohol mache ich genau so, ich sage ich trinke kein Alkohol und wie du schon sagst, wenn ich in dem moment Lust hab, das jemanden ans Bein Binden zu müssen, dann mache ich das. Das sind aber nur die, mit denen solche Situationen öfter vorkommen könnten. Andere die ich nicht so oft sehe, sage ich das meistens auch nicht.

Das du deinen Weg mehr oder weniger allein gefunden hast, finde ich Bewundernswert. Ich war ja über 5 Jahre Drogenabhängig und ich wäre da nie im Leben allein wieder rausgekommen. Und das, habe ich meiner Therapeutin und einen Therapiekollegen zu verdanken und natürlich dem lieben Gott. Ich weiß nicht ob du mal auf Therapie warst und woher deine negative Einstellung kommt, sicherlich hast du auch Recht, ich war mal auf ner Therapie und ich hätte da jahrelang bleiben können und es hätte nix gebracht. Aber in Hennef hab ich eine Supermegakrasse Therapeutin und Gruppenkollegen gehabt. Und glaub mir, es war nach meinem ersten Sex die schönste Erfahrung, die ich bisher gemacht habe.


Wenn es bei deinem jetzigen Konsum bleibt, sehe ich da eigentlich kein Problem drin. Aber ich bin da sehr skeptisch, weil einfach bei einem Süchtigen die Gefahr viel zu groß ist, das es wieder mehr und mehr werden kann, mein Bierproblem war bei weitem nicht so groß wie das Drogenproblem, aber ich hab noch nicht mal ein Schluck Bier getrunken seit der Therapie, für mich geht das wieder in die falsche Richtung und ich hab einfach die Schnauze voll davon Abhängig zu sein.
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newlife
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 30.11.2011
Beiträge: 1844

BeitragVerfasst am: 30. Mai 2012 13:58    Titel: Antworten mit Zitat

@mesut

Alleine bin ich nicht rausgekommen. Ich hab 20 Jahre getrunken mitunter massiv mit Druckbetankung bis Schicht im Schacht war. Ich trank nie den ganzen Tag über, es sei denn der Entzug war richtig übel. Ansonsten mal 3 - 4 Tage halbwegs im Rahmen, dann wieder ein paar Tage Totalabstürze, so dass ich nicht mehr wusste, obs draußen überhaupt hell geworden ist. Ich hab schon tiefe Abgründe gesehen und insbesondere der psychische Abfuck während meiner letzten alkoholischen Zuckungen war pervers.

Ich hab nur einmal stationär entgiftet obwohl ich unzählige Entgiftungen nötig gehabt hätte, gerade in den letzten 7 Jahren. Selbstentzug war bei mir immer zum Scheitern verurteilt, es war mir zu anstrengend und ich hab dem massiven Suchtdruck immer wieder nachgegeben.

Habe eine Langzeittherapie gemacht, aus der ich aber nur die fachlichen Informationen und Vorträge richtig gut fand. Das Therapeutenteam wechselte dann mal, während ich dort war, was schon mal schlecht war. Oft kam ich mir dann vor wie im Kindergarten mit diesen therapeutischen Spielchen und dann wurde mir aufgrund meiner sozialen Voraussetzungen (Alleinstehend) sowieso ein Rückfall prognostiziert. Meinen Abschlussbericht habe ich teilweise selber fromulieren müssen, weil meine Therapeutin es nicht so drauf hatte. Alles in allem sehr merkwürding, somit hat es also auch nicht wirklich "geklickt" oder was immer das auch sein mag.

Drogen waren jetzt nicht mein Problem, ich habe gerne gekifft, mehr aber nicht und das musste auch nicht täglich sein. Kratom habe ich zwar als Ersatzbefriedigung entdeckt und ich konsumiere gelegentlich. Wenn es gut war, erinnere ich mich gerne dran und freue mich auch auf das nächste Mal. Das schiebe ich aber dann auch gerne mal vor mich her und konsumiere trotzdem manchmal wochenlang nicht. Sowas war beim Alk absolut nicht möglich.
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