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Seine Merkwürden Platin-User
Anmeldungsdatum: 13.01.2014 Beiträge: 1028
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Verfasst am: 12. Dez 2014 18:15 Titel: |
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Mich wundert es auch, dass diese Gruppen nach wie vor so verbreitet sind. Der größte Teil der 12 Schritte hat ja wirklich etwas mit Gott, Gebet usw. zu tun. Und das ist ja heutzutage wirklich bei vielen Leuten nicht mehr so das Thema. Oder wird das in der Praxis vielleicht gar nicht so umgesetzt in diesen Gruppen? |
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Sabiote555 Platin-User
Anmeldungsdatum: 14.08.2011 Beiträge: 1568
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Verfasst am: 12. Dez 2014 18:28 Titel: |
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Bei uns in der NA Gruppe wird immer gesagt dass "Gott" einfach etwas ist worauf wir vertrauen. Zum Beispiel kann unsere eigene Kraft "Gott" sein oder eine andere höhere Macht oder die Gruppe als ganzes...
Die Menschen die ich da getroffen hatte waren nicht sonderlich gläubig.
Sie vertrauen ihrer eigenen "höheren Macht" und kapitulieren vor der Entscheidung des kontrollierten Konsums als dass sie sagen: Heute gar nicht.
Lg Caro
Angenehm ist in den Gruppen auch dass niemand bewertet wird und niemand wird unterbrochen.
Wo kann ich die Studie einsehen Praxx dass die Gruppen so schlechte clean Werte haben? Wer regelmässig hingeht ist tatsächlich oft clean... |
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Django. Gold-User
Anmeldungsdatum: 10.11.2014 Beiträge: 786
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Verfasst am: 12. Dez 2014 21:04 Titel: |
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@Praxx
Praxx hat Folgendes geschrieben: | Richtig, Mohandes!
Nicht:
"Nie mehr trinken dürfen"
sondern:
"Nie mehr trinken müssen!"
Allein dieser Wechsel des Behandlungsziels verfielfacht die Zahl potenziell therapiewilliger Konsumenten!
LG
Praxx |
@Praxx
Sehe ich auch so: Ich würde das Idealziel so formulieren:
Nicht (-"Mir wurde gesagt"-): "Ich darf nie mehr trinken" sondern "ich brauche (!) nicht mehr trinken"!
Das ist interessant mit der Studie: Das deckt sich mit meinen --persönlichen--Erfahrungen, dass die "dogmatischten Abstinenzler" diejenigen sind, die die schlimmsten Rückfälle bauen & dann auch sehr schnell aufgeben!
Ich möchte nochmals betonen: Ich habe garnichts gegen die A-Gruppen, und kenne auch viele Menschen, denen ihr Programm geholfen hat!
Mich stört nur, dass es als "einzige" Lösung verkauft wird, zumindest hier in DE:
Da wird das "Lügen" oft zur Notwendigkeit!
Wenn man "ehrlich" ist und--nach den Zielen gefragt-- sagt, dass man seinen Konsum lieber kontrollieren würde, heißt es doch bei den meisten Therapien/Therapeuten: "Nü aber raus!"
Nochmals: Nichts gegen die "12-Steps", wenn sie helfen ist es gut!
Aber ich denke den "einen" Königsweg, der für alle gefälligst zu gelten hat, gibt es nicht!
Ich finde z. B. diese SHG-Gruppe gut: HAMS in den USA, steht für
"Harm reduction, Abstinence(!), and Moderation Support "
Das ist auch so ein nerviges Argument, dass KT zufriedene Abstinenzler zum Saufen aufforden würde!
Es gibt übrigens auch einige, die über das KT zur Abstinenz kommen...weil die "Kontrolle" ihnen mehr Kraft abverlangt, als das ganz Aufhören!
@Tanaka:
Ja, mit der Alkoholikder-Definition ist das so eine Sache :
Ich habe da lustigerweise auch schon die unterschiedlichsten Reaktionen von "Ärzten/Psychiatern/Psychotheraopeuten" erlebt...:
Die haben bei einem Konsum von 3 Halben/Tag gereicht von "Mein Gott, Sie sind Alkoholiker...müssen sofort entgiften7Antabus nehmen" bis hin zu: "Ach, das ist nicht viel, viele meiner Kollegen trinken die Menge auch oder mehr!"
Zynisch formuliert: Der "Alkoholiker" ist der, der mehr trinkt als man selbst!
PS, nochmals @ Tanaka: Wie ist der Stand?
Traust du dir auch mal einen "Nulltag" zu?
LG, Django |
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Praxx Foren-Guru
Anmeldungsdatum: 25.07.2014 Beiträge: 3203
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micro88 Silber-User
Anmeldungsdatum: 08.07.2011 Beiträge: 211
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Verfasst am: 13. Dez 2014 01:50 Titel: |
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@Praxx
Sehr guter Artikel! Ich denke, man kann das im Prinzip vom Alkoholismus auf die Drogenabhaengigkeit erweitern. Ich war auch nie ein Verfechter des disease model of addiction, wenn es gebraucht wird, um den Abhaengigen eine totale Hilflosigkeit gegenueber seiner Abhaengigkeit einzureden. Ich finde nur, dass das disease model im Falle von Opiatabhaengigkeit eine Verbesserung zur Kriminalisierung darstellt.
Das Problem des Artikels ist allerdings, dass es neuere Erkenntnisse aus der neuromedizinischen Forschung ignoriert, und sich zudem vor der Antwort drueckt, welche Definition denn nun angemessen ist. Die Quellen sind groesstenteils aus den 80er und 90er Jahren.
Ich denk, dass die aktuelle Definition der Substance Abuse Disorder
http://www.drugabuse.gov/publications/media-guide/science-drug-abuse-addiction-basics
und die Klassifizierung als brain disease
http://www.helpguide.org/harvard/how-addiction-hijacks-the-brain.htm
es ganz gut trifft.
Die Auffassung von NA und AA, dass man der Sucht hilflos ausgeliefert ist, kann man zwar als eine Folge des medizinischen Models der Sucht sehen, aber diese Lesart ist ja nicht die einzige. |
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Tanaka Bronze-User
Anmeldungsdatum: 18.08.2014 Beiträge: 73
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Verfasst am: 13. Dez 2014 08:21 Titel: |
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Django. hat Folgendes geschrieben: |
@Tanaka:
Ja, mit der Alkoholikder-Definition ist das so eine Sache :
Ich habe da lustigerweise auch schon die unterschiedlichsten Reaktionen von "Ärzten/Psychiatern/Psychotheraopeuten" erlebt...:
Die haben bei einem Konsum von 3 Halben/Tag gereicht von "Mein Gott, Sie sind Alkoholiker...müssen sofort entgiften7Antabus nehmen" bis hin zu: "Ach, das ist nicht viel, viele meiner Kollegen trinken die Menge auch oder mehr!"
Zynisch formuliert: Der "Alkoholiker" ist der, der mehr trinkt als man selbst!
PS, nochmals @ Tanaka: Wie ist der Stand?
Traust du dir auch mal einen "Nulltag" zu?
LG, Django |
Guten Morgen!
Stand ist, daß ich gestern bei 5 Weizen gelandet bin, dies aber dann in 6 Stunden. Wobei ich kein schlechtes Gewissen habe, war ja Freitagabend und Millionen andere trinken da auch und dazu noch viel mehr.
Muss nur jetzt am Wochenende etwas aufpassen, da mir die tägliche Ablenkung fehlt und ich ja primär aus Langeweile tagsüber gesoffen habe.
Körperlich geht es mir gut, Blutdruck 120 / 70 (+/- 5) und auch kein Zittern, Schwitzen oder so.
Werde mal gucken ob ich morgen den Nulltag mache.
Bzgl. ärztlichen Empfehlungen: Denke das ist alles relativ. Mein Psychologe war froh, daß ich von den 12 auf 2-3 runter war, sollte ich meinem Internisten aber nicht sagen.
Und wegen Abstinenz / KT:
Ich bin kein Experte, kann mir aber vorstellen, daß ein trockener Quartalssäufer (das sind die, die sich ein ganzes Wochenende abschießen oder?) nach einem Bier nicht mehr aufhören kann oder sich bewußt zwingen muss.
Bei mir (zähle mich zu den Spiegel- bzw. Gewohnheitstrinkern) ist es so, daß ich nach 2-3 (oder eben mal 5 so wie gestern) Weizen dann nicht mehr mag.
Mein "Ziel" ist eben nicht der Vollrausch.
Das soll nun keine Bewertung sein welcher Typ von Alki nun besser oder schlechter ist! Ich bin einfach nur froh, daß ICH keine Kontrollverluste habe. |
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Praxx Foren-Guru
Anmeldungsdatum: 25.07.2014 Beiträge: 3203
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Verfasst am: 13. Dez 2014 13:21 Titel: |
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@micro88
An den in den 80ern und 90ern erhobenen Daten ändert sich ja nichts, da ist ja nicht ursächlich, sondern beschreibend geforscht worden. Und neuere Untersuchungen, auch aus Deutschland (zB Bischof, Lübeck) kommen zu gleichen Ergebnissen
Ich finde eher bemerkenswert, dass die Ergebnisse dieser Forschungen seit Jahrzehnten bekannt sind, ohne dass sie Eingang in das Therapiemanagement gefunden hätten.
Fakt ist, dass mit dem traditionellen Modell der Sucht und ihrer Behandlung (quasi "säkularisierte" 12-Schritte-Adaptionen) jede Menge Geld verdient wird und die Entwöhnungsindustrie ihre Pfründe ähnlich verteidigt wie seinerzeit bei der Einführung der Substitutionstherapie Drogenabhängiger - da leiden wir heute noch darunter.
Die gleichen Forscher, die angeblich die Irreversibilität des Kontrollverlustes bewiesen haben wollen, sind seltsamerweise Inhaber von Patenten, wie diese Irreversibilität mit pharmakologischen Tricks aufgehoben werden kann...
LG
Praxx |
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micro88 Silber-User
Anmeldungsdatum: 08.07.2011 Beiträge: 211
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Verfasst am: 13. Dez 2014 15:13 Titel: |
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Praxx hat Folgendes geschrieben: |
Ich finde eher bemerkenswert, dass die Ergebnisse dieser Forschungen seit Jahrzehnten bekannt sind, ohne dass sie Eingang in das Therapiemanagement gefunden hätten.
Fakt ist, dass mit dem traditionellen Modell der Sucht und ihrer Behandlung (quasi "säkularisierte" 12-Schritte-Adaptionen) jede Menge Geld verdient wird und die Entwöhnungsindustrie ihre Pfründe ähnlich verteidigt wie seinerzeit bei der Einführung der Substitutionstherapie Drogenabhängiger - da leiden wir heute noch darunter.
Die gleichen Forscher, die angeblich die Irreversibilität des Kontrollverlustes bewiesen haben wollen, sind seltsamerweise Inhaber von Patenten, wie diese Irreversibilität mit pharmakologischen Tricks aufgehoben werden kann...
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Da stimme ich ja 100% zu. Aus dem disease model die Irreversibilitaet des Kontrollverlusts abzuleiten, ist fuer die Therapie hinderlich. Es schliesst z.B. Leute wie mich und viele andere aus, die sich nicht erpressen lassen wollen: Entweder du gestehts deine totale Hilflosigkeit ein, oder wir helfen dir nicht. Wie du so schoen formuliert hast, nimm meine saubere Therapie oder verrecke.
In der Kritik aber so weit zu gehen, dass ganze disease model zu verwerfen, finde ich gewagt. Was ist denn die Alternative, zurueck zur Charakterschwaeche und Kriminalisierung? Oder eben eine Sicht der Dinge wie bei anderen chronischen Krankheiten wie z.B. Diabetes II? substance abuse disorder ist eine chronische Krankheit, aber der Betroffene hat zahlreiche Moeglichkeiten, durch seinen Lebensstil und sein Verhalten den Verlauf zu beeinflussen? |
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Praxx Foren-Guru
Anmeldungsdatum: 25.07.2014 Beiträge: 3203
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Verfasst am: 13. Dez 2014 15:29 Titel: |
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Hallo Micro,
es geht nicht darum, wieder zu "Sucht als Charakterschwäche" oder so zurückzukehren. Es geht darum, den schwammig definierten Begriff "Sucht" bzw "Abhängigkeit" nicht mehr als eigene Krankheit zu definieren, sondern den "Kontrollverlust" als dosisabhängiges Symptom der "Substanzgebrauchsstörung" einzuordnen.
Damit verliert die lebenslange Abstinenz als einzig zulässiges Behandlungsziel natürlich ihre bisherige Monopolstellung, eröffnen sich aber gleichzeitig ganz viele verschiedene Zugangswege zur breiteren und früheren Behandlung der Störungen durch Substanzkonsum.
LG
Praxx |
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micro88 Silber-User
Anmeldungsdatum: 08.07.2011 Beiträge: 211
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Verfasst am: 13. Dez 2014 19:16 Titel: |
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Treffend formuliert, jetzt verstehe ich's , danke! Da sind wir ja einer Meinung.. Eigentlich muesste doch jeder, der nicht ideologisch verblendet ist oder finanzielle Interessen am Status Quo hat, zum selben Schluss kommen. Sollte man meinen. Gerade in den USA wird ja in schrecklichen Shows wie Dr. Phil oder Intervention fleissig das alte Vorurteil des totalen Kontrollverlusts gepflegt. Und Millionen damit verdient. Besonders schlimm auch, dass die meisten Interventionists als wichtigste Qualifikation ihren eigenen ehemaligen Alkoholismus betrachten. Das bedient so dieses Klischee vom bekehrten Suender, die Gott ja angeblich besonders liebt.Aber die Vermischung von Religion und Therapie in den USA ist wieder ein anderes nicht uninteressantes Thema.. |
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Django. Gold-User
Anmeldungsdatum: 10.11.2014 Beiträge: 786
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Verfasst am: 13. Dez 2014 20:07 Titel: |
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micro88 hat Folgendes geschrieben: | @Praxx
Sehr guter Artikel!. |
Dem stimme ich zu: Wirklich seht interessant!
@Tanaka, ich denke auch, dass es dem Spiegeltrinker leichter fällt, als dem Gamme & Epsilon-Trinker! |
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Django. Gold-User
Anmeldungsdatum: 10.11.2014 Beiträge: 786
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Verfasst am: 14. Dez 2014 01:10 Titel: |
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Interessant auch, dass sich Jellineck wohl auch selbst von seiner Studie distanziert hat:
Ironically, Jellineck came to recognize the inadequacies of his hypothesis and later distanced himself from it.
Also, weniger als 100 Personen und alle selbst AA-ler?
Schon krass, wie sehr sein "Modell" dennoch sowohl die Fachliteratur als auch den öffentlichen Diskurs zu dem Thema dominiert! |
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Mohandes59 Platin-User
Anmeldungsdatum: 05.12.2014 Beiträge: 1858
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Verfasst am: 14. Dez 2014 05:53 Titel: |
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"and died at the desk of his study at Stanford University on 22 October 1963. He was fluent in nine languages and could communicate in four others. Addiction researcher Griffith Edwards holds that, in his opinion, Jellinek's The Disease Concept of Alcoholism was a work of outstanding scholarship based on a careful consideration of the available evidence."
(aus wiki über Jellinek)
Kluger Kopf. Neun Sprachen fließend. Leider kein Interwiew mit ihm auf YouTube.
@Django, was war denn der letzte Stand seiner Untersuchungen/Studien/Theorien? |
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Tanaka Bronze-User
Anmeldungsdatum: 18.08.2014 Beiträge: 73
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Verfasst am: 14. Dez 2014 06:57 Titel: |
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Django. hat Folgendes geschrieben: |
@Tanaka, ich denke auch, dass es dem Spiegeltrinker leichter fällt, als dem Gamme & Epsilon-Trinker! |
Guten Morgen!
So, gestern waren es dann 4 Bier, wobei ich sehr überrascht war, daß ich auf der letzten Flasche fast 3 Stunden "rumgelutscht" habe. War mir gar nicht aufgefallen und zeigte mir, daß ich, wenn ich abgelenkt bin, vergesse zu trinken.
In Summe war es dann in den letzten 7 Tagen 20 Bier, also eine Kiste, eine gute Quote im Vergleich zu der Zeit wo ich 4 Kisten pro Woche gesoffen habe.
@Praxx: Hatte das schon mal gefragt: Kann man an einem CT wirklich erkennen ob man sich das Hirn zersoffen hat? |
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Praxx Foren-Guru
Anmeldungsdatum: 25.07.2014 Beiträge: 3203
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Verfasst am: 14. Dez 2014 13:24 Titel: |
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Kommt darauf an, was unter "Hirn zersoffen" zu verstehen ist.
Nach langjährigem hochdosierten Alkoholkonsum entwickeln praktisch alle eine "Hirnatrophie", also eine Verminderung des Hirnvolumens mit Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume. Diese Veränderung bildet sich allerdings unter Abstinenz nach ca. 1 Jahr wieder zurück.
Dann gibt es natürlich noch irreversible Veränderungen, die allerdings im MRT besser zu erkennen sind: Mini-Blutungen in der weißen Hirnsubstanz ("Wernicke-Enzephalopathie"), kleine Hirninfarkte in oft großer Zahl etc. - das sind Veränderungen, die mit dauerhaften organischen Hirnschäden verknüpft sind - Korsakow-Syndrom, cerebellare Ataxie, Demenz).
LG
Praxx |
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