Wie man eine Abhängigkeit diagnostiziert:

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Haschgetüm
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 26.03.2015
Beiträge: 2502

BeitragVerfasst am: 30. Aug 2015 17:19    Titel: Wie man eine Abhängigkeit diagnostiziert: Antworten mit Zitat

Weil ja immer mal wieder die Frage auftaucht, ob jemand abhängig ist oder nicht, dachte ich, ich poste hier mal die Kriterien, nach denen Ärzte diagnostizieren. Alkohol kann hier ersetzt werden durch jede andere Substanz.

ICD-10-Kriterien für Abhängigkeit:
(mind. 3 Kriterien müssen erfüllt sein)

Litt der Patient während der letzten 12 Monate wiederholt unter

I.Craving (starkem Verlangen oder einer Art Zwang, Alkohol zu trinken)
II.Kontrollverlust des Alkoholkonsums bezüglich Beginn oder Menge
III.körperlichem Entzugssyndrom bei Reduzierung der Alkoholmenge
IV.Toleranzentwicklung gegenüber der Alkoholwirkung
V.Einengung auf das Alkoholtrinken und dadurch Vernachlässigung anderer Interessen
VI.Anhaltender Alkoholkonsum trotz eindeutiger schädlicher Folgen (gesundheitlich, psychisch oder sozial)

Quelle: ICD-10
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Praxx
Foren-Guru
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Anmeldungsdatum: 25.07.2014
Beiträge: 3203

BeitragVerfasst am: 30. Aug 2015 21:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hinzuzufügen wäre noch, dass diese willkürliche Definition so umstritten ist, dass in den USA im neuen DSM V (diagnostic and statistical manual of mental disorders) auf die Definition von "Abhängigkeit" als eigene "Krankheit" verzichtet wurde.

Dort gibt es nur mehr die "Substanzgebrauchsstörung" in unterschiedlichen Schweregraden. Damit entfällt "lebenslange Abstinenz" als einziges Behandlungsziel, auch eine Verminderung des Schweregrad ist zulässiges Behandlungsziel.

Im britisch-amerikanischen Sprachraum wird überwiegend nach DSM beschrieben. Dort gab es bis zum DSM IV sieben Kriterien der Abhängigkeit, von denen ebenfalls drei erfüllt sein mussten.

Das siebte Kriterium dabei ist "wiederholtes Versagen in sozialen Situationen infolge des Konsums"

Deshalb wird in USA, Kanada, Australien etc. die Diagnose "Abhängigkeit" früher und häufiger gestellt als in Europa. Deshalb kann in diesen Ländern schon in früheren Stadien der Sucht und zudem effektiver eingegriffen werden als in Deutschland.

Hierzulande ist eine Behandlung von Suchtkrankheiten erst im Stadium der Abhängigkeit erlaubt, vorher gilt das als schlechte Angewohnheit, die keiner Behandlung bedarf.

Leider haben sich in der WHO die alten Betonköpfe durchgesetzt, die weiterhin im ICD-Katalog "Abhängigkeit" als eigenständige Diagnose sehen wollen.

LG

Praxx
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Nehell
Gold-User
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Anmeldungsdatum: 14.06.2013
Beiträge: 803

BeitragVerfasst am: 30. Aug 2015 21:26    Titel: Antworten mit Zitat

Meines Erachtens wird aber bei der Erstellung von solchen
Richtlinien zuwenig berücksichtigt, das der abhängige
Gebrauch von Suchtmitteln nicht immer von einer
reinen Substanzsucht ausgeht, sondern vielmehr
durch äußere Umstände bedingt ist ( Stress an der Arbeit,
Mobbing, Eheprobleme, Vereinsamung, belastende Lebensumstände usw. )

Es ist die Frage falls diese äußeren Umstände weg fallen, auch
dann der Suchtdruck nachlässt oder ganz verschwindet.

LG

Marius
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Mutzenbacher
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 31.08.2015
Beiträge: 67

BeitragVerfasst am: 31. Aug 2015 15:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo und sorry,

ich kann diese Einstufung nicht nachvollziehen.

Ob 5 oder 10- Punktekatalog.

Ich brauche doch keinen Mediziner um mir meine eigene Sucht zu diagnostizieren.

Entweder ich betreibe (Genussmittel-) Missbrauch oder eben nicht.

Das beste Mittel der Eigendiagnose ist den Konsum zu reduzieren oder ganz einzuschränken. Wenn das geht ist alles im grünen Bereich und wenn nicht habe ich ich ein Problem.

Dan sage ich meinem Artz: ich habe ein Suchtproblem mit folgenden Symtomen was können wir tun.


Oder gibt es wirlich Menschen, welche nicht merken, dass sie ein Suchtproblem haben und dies nicht erkennen?
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QyX
Platin-User
Platin-User


Anmeldungsdatum: 04.07.2013
Beiträge: 1270

BeitragVerfasst am: 31. Aug 2015 16:59    Titel: Antworten mit Zitat

Mutzenbacher hat Folgendes geschrieben:


Oder gibt es wirlich Menschen, welche nicht merken, dass sie ein Suchtproblem haben und dies nicht erkennen?


Natürlich gibt es die. Sehr viele sogar.

Les doch mal ein bisschen hier im Forum. Da gibt es einige die geschrieben haben, dass sie es lange nicht gemerkt haben, wie süchtig sie sind.
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Praxx
Foren-Guru
Foren-Guru


Anmeldungsdatum: 25.07.2014
Beiträge: 3203

BeitragVerfasst am: 31. Aug 2015 18:20    Titel: Antworten mit Zitat

Da muss man schon unterscheiden - die Übergänge vom hedonisitischen Konsum zum abhängigen Konsum sind fließend.

Wenn du Beispiele für eine Abhängigkeit haben willst, derer sich der Abhängige gar nicht bewusst ist, schau dir mal die Cannabis-Dauerkonsumenten an oder Tabakraucher, oder einen Teil der Trinker...

Die sehen für sich keinen Handlungsbedarf und empfinden sich gar nicht als süchtig, stellen sich auch die Frage gar nicht. Der Konsum ist ganz normaler Teil des Alltags, wozu denn Abstinenzversuche machen?

Die bemerken alle die Abhängigkeit erst, wenn es einfach nicht gelingen will, überhaupt oder gar längere Zeit ohne ihren Stoff auszukommen, wenn äussere Umstände das erfordern - die Sache mit dem Führerschein, der Herzinfarkt, Partnerschaftsprobleme, der Drogentest am Arbeitsplatz, das Jugendamt oder ein Gericht...

Problematisch beim Begriff "Abhängigkeit" ist, dass entsprechende Verhaltensweisen in anderem Kontext völlig "normal" sind.
Der Umgang mit Geld zB zeigt außer der körperlichen Abhängigkeit alle Merkmale eines abhängigen Verhaltens, wer die ganze Tafel aufißt, obwohl er eigentlich gar keine Schokolade essen wollte, wer mit mehr Waren aus dem Supermarkt kommt, als auf dem Einkaufszettel standen, präsentiert einen klassischen "Kontrollverlust"...
Abhängigkeit wird also über soziale, nicht medizinische Merkmale definiert!
Oft liest man, Sucht sei eine Krankheit der Familie - mit gleichem Recht kann dann Sucht auch eine Krankheit einer Stadt oder einer Volksgruppe oder einer ganzen Gesellschaft genannt werden...

Es gibt ernsthafte Diskussionen darüber, ob Abhängigkeit überhaupt als "Krankheit" bezeichnet werden darf.

Nicht umsonst heißt der ICD-10 vollständig ausgeschrieben
"International Classification of Diseases an related health problems", auf Deutsch:"Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme", während das DSM von vorneherein keine Krankheiten, sondern "mental disorders", also psychische und Verhaltensstörungen, beschreibt (worunter in der Geschichte des DSM auch schon Pädophilie, Homosexualität, Masturbation oder unerwünschte politische Betätigung fielen).

LG

Praxx
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