Meine Sicht der Dinge

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3rdParty
Anfänger


Anmeldungsdatum: 07.02.2013
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 7. Feb 2013 23:21    Titel: Meine Sicht der Dinge Antworten mit Zitat

Abgesehen von etwas viel Kifferei während des Studiums habe ich keine eigenen Erfahrungen bisher mit Drogen gemacht. Jedoch aus der Sicht eines Dritten, eine Karriere miterlebt.

Ich will mein Erlebtes einfach mal in der Anonymität des Internets niederschreiben, bisher habe ich nur das nötigste darüber mit anderen gesprochen, weil es auch mir unangenehm war, vorallen einige Details.

Ich möchte nicht, dass diese Geschichte als erhobener Zeigefinger oder als Anklage gegen Suchtkranke interpretiert wird.

2006 hab ich an der FH ein E-Technik Studium angefangen und habe mit einem Kommilitonen eine WG gegründet als wir im zweiten Semester waren. Das erste Jahr war einfach spitze, wir sind oft zusammen auf Partys gegangen, haben gezockt und gekifft. Nur beim lernen war ich meistens alleine.

Im zweiten Jahr bin ich dann auch meist allein zu Lehrveranstaltungen gegangen und er schlief bis Mittags (oder länger). Er fand auch in der Nachbarschaft neue Freunde mit denen ich nicht wirklich was anfangen konnte.

Anfangs waren die neuen "Freunde" nur mal ab und an Abends bei uns und die haben Bier getrunken und gekifft (zumindest das was ich mitbekommen habe, ich hab mich da nicht zugesellt, habe es nur gerochen und am nächsten Morgen die Bier- und Schnapsflaschen gesehen). Kurz bevor der Prüfungszeitraum für das vierte Semester begann, kamen die neuen "Freunde" dann so gut wie täglich und feierten ihre Parties schon fast bis in die Mittagsstunde rein.

Mein Mitbewohner war von Woche zu Woche immer schlechter anzusprechen, wurde sehr leicht aggressiv und interressierte sich für nichts mehr. Aks ich ihn darauf ansprach, dass es mir stinkt, das jeden Tag seine Kifferkumpels bei uns Party machen und ich keine Zeit und Ruhe mehr finde, mich auf die nächsten Klausuren vorzubereiten, ist er ausgerastet wie ich es noch nie erlebt habe. Als erstes brüllte er irgendwelches zusammenhangloses Zeug über die scheiß Gesellschaft und dass seine neuen Freunden die letzten vernünftigen Menschen wären die er noch kennt.

Mir war irgendwie klar, dass er sich noch mit irgendetwas anderem als Gras zudröhnte, aber ich fragte nicht nach, denn ich war einfach nur noch angepisst von ihm und wir redet eine zeit lang fast gar nicht miteinander. Er war jetzt weniger zu Hause als vorher, manchmal tagelang nicht. Ich habe es natürlich genossen meine Ruhe zu haben, denn mit ihm war die heiße Luft ja vorprogrammiert.

Im dritten Jahr war er schon exmatrikuliert worden und hörte auf die Miete zu zahlen. Wenn ich ihn daran erinnerte dass er im Rückstand ist, bekam ich entweder keine Antwort oder er sagte sowas wie "wenn du Miete zahlen willst, mach doch". Es war absolut unmöglich noch vernünftig mit ihm zu reden. Ich wusste auch noch nicht was genau er nimmt, ich bin von irgendwelchen Party Pillen oder Amphetaminen ausgegangen.

Eines Tages kam ich von einem Wochenende bei meiner Freundin zurück in die Wohnung und merkte dass er in meinem Zimmer war. Das war er lange nicht, aber ich bin erstmal davon ausgegangen dass er sich einen Film oder ein Spiel ausgeliehen hat. Bei einräumen meiner Sachen stellte ich aber fest, dass meine Geldkassette, in der ich meine Ersparnisse vor dem Amt für Ausbildungsförderung versteckte, weg war. Ich war es schon gewohnt, dass er sich kein eigenes Essen mehr kaufte und nur noch meins aß, dass er sich ständig von mit Tabak klaute und sogar meine Klamotten anzog. Aber dass er mir den gesamten Tresor klaute hat mich dann richtig wahnsinnig gemacht.

In meinem letzten Semester vor der Abschlussarbeit hatte ich also meine gesamten Ersparnisse verloren, hatte die Mietschulden die auch auf mich mit drückten noch am Hals und der Verursacher kam einfach nicht mehr nach Hause. Ich habe dann 3 Tage nachdem ich den Verlust meiner Geldkassette feststellte bei seiner Mutter angerufen, ich hab ihr gesagt das ihr Sohn nicht nur sein eigenes Leben kaputt macht sondern auch meins und das jetzt irgendwas passieren muss. Sie bat mich inständig darum von einem Strafantrag abzusehen und sie versprach die Mietschulden zu begleichen (was sie auch wirklich sofort tat).

Während des Studiums, hatte ich einen Kassiererjob bei einem Discounter. Als ich dann nach etwas mehr als einer Woche seit dem Telefonat mit seiner Mutter nach Hause kam, war er dann auch wieder in unserer Wohnung. Ich stürmte in sein Zimmer und wollte ihm die Hölle heiß machen, da lag er dann wie ein Häufchen Elend nur mit siffigen Unterhosen in seinem Bett. Er sah aus, als hätte er die letzten 10 Jahre in einem dunklen Keller verbracht und sich die Zeit damit vertrieben, die Haut blutig zu kratzen. Auf mein Brüllen hat er nicht reagiert, auch nicht als ich wieder ruhiger wurde. Er lag total lethargisch in seinem Bett und machte einfach nichts. Seine Mutter kam am nächsten Tag vorbei und hat sich um ihn gekümmert. Was da in seinem Zimmer passiert ist, weiß ich nicht, ich hab ihn über eine Woche lang nicht aus dem Zimmer kommen sehen und er war ununterbrochen in der Wohnung.

Mit seiner Mutter bin ich wirklich gut zurecht gekommen und habe viel mit ihr gesprochen. Was genau ihm fehlte, sagte sie aber nicht.

An dem Abend, als seine Mutter wieder nach Hause fuhr, kam er zu mir ins Zimmer und hat sich bei mir in einem endlosen Monolog entschuldigt, er wolle das geklaute Geld zurückzahlen und sich wieder an der FH einschreiben und ab sofort nichts härteres als Gras mehr. Mit den Leuten die er mit in unsere Bude gebracht hat, wollte er nichts mehr zu tun haben. Er sagte mir nicht was ihn so zugerichtet hat, das habe ich dann erfragt, es war ihm peinlich, aber er ist dann damit rausgerückt dass es das Heroin war, was ihn so kaputt gemacht hat, aber er in den letzten 18 Monaten auch Koks, irgendwelche Tabletten, Pilze und anderes Zeug sich gegeben hat. Er sagte dass er das Zeug nur geraucht und nicht gespritzt hat. Nun wollte ich noch wissen, was mit meinem ganzen Geld passiert ist das er geklaut hat, da war immerhin eine mittlere vierstellige Summe in der Geldkassette. Drogen für den Eigenbedarf hätten nicht in der kurzen Zeit so einen Betrag verbraten. Ich weiß nicht was Heroin kostet, aber wohl kaum so viel, dass es nur dafür draufgegangen ist.

Er hat dann einfach gerade heraus die Wahrheit gesagt, er hat es mit seinen komischen Freunden verballert, einfach eine Woche richtig gelebt. Seine Bitte um Verzeihung kam aufrichtig rüber, aber ich sagte ihm, dass ich die Entschuldigung erst annehme, wenn ich auch sehe, dass er willens ist, den ganzen Mist hinter sich zu lassen.

Ich war damals schon kein Experte für Drogen, aber das Heroin Menschen völlig verändern kann und die Sucht einen Dinge tun lässt die man mit klarem Kopf nie tun würde war mir durchaus klar. Auch dass erst nach dem körperlichen Entzug, der Kampf wirklich erst anfängt wusste ich.


Ich setze ein andern mal fort, muss jetzt ins Bett.
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3rdParty
Anfänger


Anmeldungsdatum: 07.02.2013
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 10. Feb 2013 16:15    Titel: Antworten mit Zitat

Er war zwar nicht mehr so wie früher, aber wir verstanden uns wieder gut und verbrachten auch wieder Zeit miteinander. Leider war er aber nicht mehr so fröhlich und hatte immer eine depressive Grundstimmung. Mal stärker, mal schwächer ausgeprägt.

Seine Mutter kam fast jeden zweiten Tag zu uns, brachte Essen, fuhr mit ihm zur Drogenberatung, half ihm beim Bewerbungen schreiben oder kam einfach nur zum Reden. Man merkte dass es ihm sehr unangenehm war, über seine Abhängigkeit mit seiner Mutter oder mir zu sprechen. Aber an einem Abend hat er über das vergangene Jahr wie ein Wasserfall gesprochen. Beunruhigend fand ich, wie euphorisch er über die ersten Male in denen er völlig zugedröhnt war, gesprochen hat. Das klang ein bißchen so wie ein Kind, das von einem Ausflug in einen Frezeitpark erzählt.

Ein paar Wochen später kam ich von der FH nach Hause und mein Mitbewohner war nicht da. Er blieb fast zwei Wochen weg und niemand wusste wo er war, auf dem Handy war er nicht zu erreichen. Seine Mutter rief fast täglich an um sich zu erkundigen, ob er nach Hause gekommen ist.

Er kam dann an einem Samstag in der Nacht nach Hause, während ich geschlafen habe. Als ich um 10 Uhr aufgestanden bin, habe ich gesehen dass die Tür zu seinem Zimmer offen ist. Die Vorhänge waren zugezogen, er lag zugedröhnt auf seinem Bett und schaute TV. Auf meine Frage wo er war und warum er schon wieder drauf ist, reagierte er wieder aggressiv. Ich solle mich um meinen Scheiß kümmern usw. ... die alte Leier eben.

Für mich war das Maß des erträglichen jetzt endgültig erreicht. Ich hatte keinen Bock die Scheiße noch mal von vorn durchzumachen und sagte ihm, dass er ausziehen soll, am besten gestern. Er antwortete nur dass ich mich verpissen soll. Dann rief ich seine Mutter an, sagte ihr dass er vollkommen zugeknallt wieder da ist und sie ihn am besten gleich abholen soll. Sie kam dann am späten Nachmittag, ging direkt in sein Zimmer und faltete ihn zusammen. Danach kam sie zu mir und sagte, dass sie ihren Sohn jetzt mitnimmt und am Mittwoch dann seine Sachen abholen kommt.

Ich hab dann an diesem Abend auch meine Eltern und Großeltern in diese Sache eingeweiht und um Unterstützung gebeten, weil ich mir die Wohnung alleine nicht leisten konnte und für ein knappes halbes Jahr keinen neuen Mitbewohner wollte. Das war nicht leicht, mein Vater ist ein möchtegern Rechtsexperte und hielt mir einen Vortrag von den Möglichkeiten die ich hätte Zivil- und Strafrechtlich gegen ihn vorzugehen. Ich konnte ihm dann aber irgendwie klar machen, das es zum einen wenig Sinn hat und ich auch einfach im Moment nicht die Kraft dafür habe, so kurz vor meinem Abschluss.

Am Dienstag kam ich Abends von der Arbeit nach Hause und fand mein Zimmer völlig durchwühlt vor. Mein Laptop, meine PS3, mein Fernseher und meine Kleingelddose waren weg. Alles was ich besessen habe, was irgendwas an Wert hatte oder was ich für mein Studium brauchte, war einfach weg. Einen Tag bevor mein Mitbewohner mir seinen Schlüssel zurückgeben sollte. Das war der erste Nervenzusammenbruch meines Lebens.

Die Sachen von meinem Mitbewohner wurden am nächsten Tag dann von seiner Mutter und ihrem Freund abgeholt. Mein Mitbewohner war nicht dabei, er war mal wieder verschwunden.

Ich habe ihn dann vor ca. 1½ Jahren noch einmal vor Gericht wieder gesehen, als das Ausräumen meines Zimmers verhandelt wurde. Er gab nur seine Personalien an und verweigerte die Aussage.
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ast
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Anmeldungsdatum: 14.03.2012
Beiträge: 3318

BeitragVerfasst am: 10. Feb 2013 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

...dumm gelaufen Twisted Evil

aber ernsthaft, so eine oder ähnliche Geschichte haben wohl die meisten von uns schon mal erlebt, sei es als Täter oder als Opfer Rolling Eyes
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Pimpinelle
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 30.03.2012
Beiträge: 1367

BeitragVerfasst am: 10. Feb 2013 18:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo 3rdparty,

die Antwort meines Vorposters soll wohl bedeuten, dass das alles nicht so tragisch ist... er war jung und brauchte halt das Geld. Stell' dich mal nicht so an! Klingt zumindest für mich so und ich empfinde solche Antworten als zusätzlichen Tritt in den Arsch von Angehörigen/Partner/Freunden, die die Sucht eines Dritten ausbaden müssen. Zwangsläufig oft, wie hier sehr eindrucksvoll geschildert. Das kann man wohl nicht ernsthaft mit "dumm gelaufen" kommentieren.

Klar kenne ich die Geschichte im Grunde auch. Macht aber nix. Du hast mein tiefes Mitgefühl. Hast sicher viel getan für ihn, vieles durch ihn verloren. Dein Leben ist durch diese Vorkommnisse schließlich auch völlig durcheinander geraten und ich möchte nicht wissen, was du für zusätzliche Belastungen hattest, um die Sachen neu zu beschaffen. Da war bestimmt auch unwiederbringliches dabei, wenn ich mir nur vorstelle, dass der Laptop weg war. Die Playstation mag ja nicht so wichtig gewesen sein, auch wenn es ärgerlich ist, dass der Kumpel einem sowas klaut. Also, ich verstehe deinen Ärger und deinen Frust. Zum einen über den Verlust der Klamotten, zum anderen über soviel Abgewichstheit. Sucht hin, Sucht her, es gibt auch Stimmen von (Ex)Usern, die sagen, es sei eine Frage der Persönlichkeit, Familie und Freunde zu beklauen, es gibt tatsächlich auch Forenmitglieder, die sowas (nach ihren Aussagen) nie gemacht haben. Will ich gerne glauben.

Vielen Dank für deine Geschichte. Ich hoffe, du hast dein Studium trotzdem gut beenden können oder bist zumindest trotz dieser Bremse weiter gekommen.

Gruß

Pimpinelle
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3rdParty
Anfänger


Anmeldungsdatum: 07.02.2013
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 10. Feb 2013 18:54    Titel: Antworten mit Zitat

Ich musste noch ein Semester länger studieren, weil ich nach der Geschichte für Wochen keine Konzentration zum lernen hatte und die letzten Prüfungen ein halbes Jahr später schreiben musste. Nach dem Studium bin ich dann in den Ruhrpott gezogen.

Mittlerweile kommts mir eigentlich nur noch wie ein böser Traum vor.

Es war gar nicht so sehr der finanzielle Verlust, der mich so fertig gemacht hat, sondern vielmehr dass mein Leben gefühlt in Trümmern vor mir lag, ohne selber etwas verbockt zu haben.
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Pimpinelle
Platin-User
Platin-User


Anmeldungsdatum: 30.03.2012
Beiträge: 1367

BeitragVerfasst am: 10. Feb 2013 19:04    Titel: Antworten mit Zitat

Stimmt. Diese Erlebnisse gehen (an den meisten) eher nicht spurlos vorüber). Meine Geschichte mit einem Abhängigen liegt schon viele Jahre zurück und langsam komme ich besser damit zurecht. Aber mich verfolgt Vieles davon heute noch, ich habe auch heute noch Alpträume von ihm und seinen Aggressionen bzw. seiner Bösartigkeit. Vergisst man alles halt nicht so schnell.

Ich hoffe, dass du langsam wieder gut zurecht kommst und dein Leben wieder im Griff hast.
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