Frühkindliche Traumata - Erfahrungsberichte

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Sophisticated
Silber-User
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Anmeldungsdatum: 06.12.2012
Beiträge: 244

BeitragVerfasst am: 29. Jul 2013 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn man die Geschichten von Menschen wie Speechless hier oder in einem anderen Thread die von Pumpsnroses liest, dann komme ich mir fast lächerlich vor. Doch obwohl meine Kindheit von keinen so herben Traumata gespickt war, habe ich auch meine Probleme und bin seit sehr vielen Jahren süchtig.

Meine Eltern kamen zusammen, als sie beide 23 Jahre alt waren. Ein Jahr später war ich auf der Welt. Mein Vater ist kein Mensch, der in sich ruht. Ist er hilflos gewesen, krachten Türen, es wurde etwas lauter. Geschlagen wurde ich vielleicht 4mal in meinem Leben, und das auch mehr symbolisch als physisch. Mir hat es aber gereicht.

Meine Eltern hatten also in meiner Kindheit durchaus Probleme, sowohl sich selbst noch zu finden, als auch in ihre Partnerschaft bzw. Ehe hinein zu wachsen. Ich war nie ein Kind, das vor Selbstbewusstsein strotzte, aber es ging mir ganz gut. Wir lebten die ersten acht Jahre meines Lebens in einem kleinen Dorf bei Karlsruhe, da war es echt schön. Mein größtes Problem hatte ich mit dem Essen: wollte vom ersten Lebenstag nur ungern trinken und später aß ich dann auch nur ganz wenig und nicht viele Dinge gern, da ich aber klein und leicht war, stopfte mich meine Mutter, so gut es ging. Mahlezeiten gingen oft über Stunden.

Mit acht Jahren, zur vierten Klasse, zogen wir dann in den tiefsten Schwarzwald in ein 800-Seele-Kaff: die Bauern waren gegen Lehrer sowieso misstrauisch und ich war das Lehrerskind, und außerdem waren wir Zugezogene: so bin ich auch behandelt worden, ich war Außenseiter und erlebte zum ersten Mal in meinem Leben brutale Ablehnung, obwohl ich so vertrauensvoll war. Es war ein hartes Jahr und die schöne behütete Kindheit war irgendwie vorbei. Glücklicherweise blieben wir da nur ein Jahr, und als ich aufs Gymnasium kam, zogen wir in eine Randgemeinde einer größeren Stadt im Südwesten. Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, das wurde mir im vergangenen Jahr so eingeimpft, dass ich echt Probleme hatte, wieder Anschluss zu finden. Aber so nach einem guten halben Jahr fand ich zumindest oberflächlich meinen Platz in der Klasse.

Meine Mutter war mit meiner Schwester schwanger geworden, diese kam auf die Welt, als ich fast 11 wurde. Meine Noten waren da noch gut (gut im Sinne meiner Eltern: also eine 2 oder besser). Durch die Geburt meiner Schwester war meine Mutter komplett ausgelastet, außerdem ging sie nach 8 Wochen schon wieder voll arbeiten, und so blieb das auch für die Zukunft. Lehrer sein ist ja auch kein leichter Job, sie kam zwar um 14 Uhr heim, hatte aufm Heimweg noch meine Schwester von der Tagesmutter abgeholt, geistig war sie dann leer.

Ich kam nicht damit zurecht, dass ich nun die zweite Geige spielte. An meiner Schwester war für meine Eltern immer alles toll, rumkritisiert wurde an mir und so blieb das auch für die Zukunft. Meine Schwester hat, bis sie 24 war, auch alles gemacht, was meine Eltern wollten – dann brach sie aus, aber für mich war es da schon lange zu spät.

Meine Schwester drängte mich aus der Zuwendung raus, die meine Mutter noch für mich hatte. Wenn meine Mutter mittags was zu essen machen wollte, was mir schmeckte, tickte mein Schwester aus. Wir sind grundverschieden, nicht nur beim Essen – ich empfinde sie als eine egoistische Opportunistin, anmaßend, geizig.
Meine Eltern sahen leider nicht, wie unglücklich ich wurde. Jeden Tag nach dem Essen konnte ich die Tränen noch verkneifen, bis ich in meinem Zimmer war. Ich war ja angeblich schon so groß und vernünftig und hatte daher eben Rücksicht zu nehmen auf meine Schwester. Aber so groß war ich eben doch nicht. Ich brauchte Liebe und Aufmerksamkeit, aber meine Mutter hatte einfach keine Kraft dafür. Sie sagt heute zurückblickend, dass ihr Leben damals wie ein Film ablief, sie machte, was sie musste, mehr ging nicht.
So blieb ich auf der Strecke, hatte Depressionen, fühlte mich so überflüssig auf dieser Welt und so ungenügend – so ging das, bis ich 15 war. Mit 13 wollte ich mich erhängen – aber das Tuch, das ich benutze, riss als ich sprang. Warum ich dann eine heftige Abschürfung am Hals hatte, hat auch keinen interessiert.

Mit 14 verließ mich meine erste Liebe nach einer Woche, das hat meinem Selbstbewusstsein natürlich auch nicht gut getan. Meine Noten waren auch nicht mehr nur 2en, kurz ich hatte nirgendwo Erfolg. Irgendwann lernte ich mit 15 dann Leute kennen, die kifften. Ich machte mit, lernte da auch meinen Freund kennen, mit dem ich dann für 5 Jahre zusammen war. Meine Clique wurde meine Familie, gab mir den Halt, den ich brauchte. Aber diese Clique ebnete mir auch den Weg zu allen Drogen und damit nach unten. Bald kam LSD dazu, von Alkohol-Exzessen am Wochenende ganz zu schweigen. Und mit 21 dann auch H. Da nahm das wirkliche Unglück seinen Lauf. Gott, war ich unglücklich, Depressionen ohne Ende. Und Angst und Selbstzweifel.

Es war ein langer Weg bis heute hierher – heute bin ich irgendwie wieder glücklich und konnte meinen Eltern verzeihen und wir sind uns wieder Nahe gekommen. Vor allem konnte ich mir selbst verzeihen, dass ich so viel Schrott in meinem Leben gebaut hab.
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Nehell
Gold-User
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Anmeldungsdatum: 14.06.2013
Beiträge: 804

BeitragVerfasst am: 25. Aug 2013 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für deine Geschichte Sophie. Stelle ich mir nicht einfach vor ein
kleines, wesentlich jüngeres Geschwisterchen zu haben das als Nesthäkchen
die uneingeschränkte Aufmerksamkeit bekommt und man selber dann
im Schatten versteht und nicht weiß warum.

Meine Eltern haben spät geheiratet ( Mit anfang dreissig ) und dann
fünf Kinder bekommen, ich war der erste und habe zwei Brüder und eine
Schwester ( ein Bruder verunglückte mit 8 Jahren tödlich ).

Ich glaube Einzelkinder haben es noch am leichtesten.
Eine Familie ist auch immer eine Ansammlung von Egos die irgendwo
immer in Konkurrenz zueinander stehen.

LG

Nehell
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PumpsnRoses
Silber-User
Silber-User


Anmeldungsdatum: 06.03.2013
Beiträge: 265

BeitragVerfasst am: 25. Aug 2013 14:43    Titel: Antworten mit Zitat

Einzelkinder haben es nicht zwangsläufig leichter.
Viel Leid hätte ich sicher ein bisschen besser ertragen können, wenn es jemanden gegeben hätte, der bei mir gewesen wäre.

So war ich meine Anfangsjahre meistens allein und diese Zeit plus meine Mutter und mein Stiefvater, ebneten für mich, so wie später viele andere, den Weg in ein vollkommen verkorkstes Leben und eine Psyche die wohl auch der beste Psychologe nicht mehr heilen könnte.

So wie immer im Leben, spielen viele Faktoren in eine Sache, die dann machen ob es gut oder schlecht ausgeht.

Verallgemeinerungen und Schubladendenken sind immer schlechte Ratgeber.

Grüße von Rose
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stuttgartberlin21
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 15.09.2013
Beiträge: 88

BeitragVerfasst am: 20. Sep 2013 09:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo..
Keine Ahnung ob ich grad in der richtigen Verfassung bin hier sachlich mal ein paar Sachen in den Raum zu schmeissen
Vorweg zur Frage generell inwieweit horrererlebniissse einen in die sucht drängen.
Glaubt ihr wirklich das egal was einem angetan wird ob Missbrauch Misshandlungen etc? Wenn ja warum?
Oder ist nicht eher schon vorprogrammiert das man durch eine eigene Charaktereigenschaft früher oder später in die sucht rutscht
Wozu über haupt darüber reden wer einem was angetan hat vielleicht will man einfach damit nur verdrängen das man womöglich selbst dazu beigetragen hat oder es einfach rausprovoziert hat was ist denn eine normale Kindheit um ein gefestigter erwachsener zu werden wie sehr sind wir dafür verantwortlich erlebtes einzustufen zu empfinden und sich daraus zu entwickeln.
Das klingt nicht nur hart was ich hier schreibe aber mal ganz ehrlich man tut mir für mein empfinden was an aber bin ich nicht selbst schuld mich davon so bestimmen zu lassen das sich bewusst öd.unbewusst alles um das erlebt dreht
Ja wie schwach bin ich z'b vom Grund her erlebtes immer so present im Kopf und Herzen zu haben .
Ich weiss es nicht wieso aber die letzten Wochen denke ich tatsächlich sehr oft Mann Mann warum holen mich bestimmte Dinge immer und immer wieder ein warum ? Aus Selbstmitleid weil man für sich selber denkt ich hab es nicht anders verdient nur weil ich als baby vielleicht Sussex kulleraugen hatte heisst es doch noch lang nicht das man mich dann automasch lieben muss vielleicht bin auch einfach böse auf die Welt gekommen und musste gedemütigt geschlagen misshandelt werden um anständig zu werden
Und in wie weit dürfen Menschen die für sich einschneidende Erlebnisse erlebt haben über haupt selber Kinder bekommen denn weiss man wie es richtig war?!
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Pilger
Anfänger


Anmeldungsdatum: 23.10.2013
Beiträge: 16

BeitragVerfasst am: 29. Okt 2013 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

ich hab mal eine doku gesehen wo es hieß das traumata, hocher stress zerstörerisch auf das gehirn wirkt durch Verringerung gewisser Rezeptoren das wiederum die suchtanfälligkeit erhöhen soll. klingt plausibel.
anderherum gibt es entspannungstechniken besonders selbsthypnose und meditationen -yoga. die dem hirn sehr gut tuen!

frauen geraten oft an den typ mann, den sie von zuhause aus kennen. auch wenn es ein kranker Sadist ist. für mich klingt das nach karma.
ich glaube nicht das wir alle als unschuldige auf die welt kommen. wir haben alle unser schicksaal zu meistern, es besser machen. viel-leicht-er fällt einem das leben wenn man eine ordung hinter allem sieht.
das heißt logischer weise nicht das man sich allem ergeben soll sondern käpften, für besserung sorgen, an sich arbeiten. sich zwei mal überlegen wie man mit anderen umgeht.
es liegt auf der hand. you tube /watch?v=t5Ig2zfN7G8
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newlife
Platin-User
Platin-User


Anmeldungsdatum: 30.11.2011
Beiträge: 1844

BeitragVerfasst am: 29. Okt 2013 20:48    Titel: Antworten mit Zitat

Frühkindliche Ereignisse spielen eine tragende Rolle für eine spätere Suchtentwicklung.
Ich war Einzelkind, Frühgeburt mit Verdacht auf geistige Behinderung. Letzteres hat sich nicht bestätigt, ich ging normal zur Schule und machte eine Berufsausbildng und war sogar in manchen Teilbereichen leistungsfähiger wie andere. Dennoch rannte ich dem eigentlichen Leben immer hinterher. Ich war ständig auf der Suche nach Anerkennung, kam irgendwie bei allem zu spät.
Auf meine berufliche Entwicklung hat all das keinen Einfluss gehabt, wohl aber auf die Zwischenmenschliche Entwicklung. Mit dem Alkohol zusammen fuhr ich dann irgendwann auf der Überholspur. Ich konnte schon sehr bald nie genug zu saufen kriegen und schoss mich immer ab, auch alleine im Zimmer.
Diese frühkdinlichen Ereignisse sind einfach prägend. Ich durfte auch nie viel, weil ich war ja krank und brauchte besondere Behütung.
So bin ich heute noch geprägt. Ich kann mein Leben mit niemandem teilen und bin inzwischen politox abhängig. Ich brauchte über Jahrzehnte Suchtmittel als Ausgleich und zum Verarbeiten, vielleicht auch um zu vergessen. Es gab zweieinhalb cleane Jahre in meinem späteren Leben, aber das war dann irgendwie auch nicht mehr ich selbst. Fühlte mich auch nicht wohl, obwohl ich mich ehrenamtlich auch engagiert zeigte. Es war aber irgendwie aufgesetzt oder anerzogen. Da war nicht viel eigene Entwicklung dabei. Ich nutzte nur die mir gegebenen Fähigkeiten, denn ich kann gut im gesellschaftlichen Rahmen auftreten, reden und argumentieren. Das geschieht aber alles auf der sachlichen Ebene, zwischenmenschlich haberts eben und ich habe zur Zeit nicht mehr die Kraft wieder von vorne anzufangen. Dem Alkohol hab ich weitgehend den Rücken zugewendet, aber andere Drogen haben mich halt voll erwischt.
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prinzessin22589
Gold-User
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Anmeldungsdatum: 01.01.2013
Beiträge: 498

BeitragVerfasst am: 29. Okt 2013 21:04    Titel: Antworten mit Zitat

Jedes Kind kommt unschuldig auf die Welt und niemals böse oder hat verdient was ihm zustößt. Niemals. Unsere frühkindliche Erfahrung prägt uns dahingehend, ob und wie wir lernen mit Konflikten, Stress und Misserfolgen klar zu kommen. Was für ein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl wir entwickeln. Wenn unsere Seele nicht verkraftet was uns passiert, dann entwickeln wir vielleicht psychische Erkrankungen oder Süchte oder beides. Ohne Hilfe von außen kommen die wenigstens aus der Spirale wieder raus. Denn sich trotz allem anzunehmen, zu vergeben und verzeihen und seinen Frieden zu machen, dass ist schwer und kaum alleine machbar. Aber sich in den Prozess zu begeben ist ein Teil davon sein leben selber in die Hand zu nehmen und Verantwortung für sich zu übernehmen. Denn jetzt sind wir erwachsen und jetzt treffen wir die Entscheidungen für uns selber. Und nur wir können uns von den kindlichen Prägungen befreien und aus unserem leben was eigenes machen.
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Nehell
Gold-User
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Anmeldungsdatum: 14.06.2013
Beiträge: 804

BeitragVerfasst am: 30. Okt 2013 12:15    Titel: Antworten mit Zitat

Ist alles richtig. Seitdem ich auf dem Dorf wohne, verstehe ich meine
Eltern viel besser, die den gleichen Fehler gemacht haben und aufs
Land zogen obwohl sie dort niemand in der nächsten Nähe kannten und
sich ihre freundschaftlichen Kontakte auf Leute beschränkt haben die
von außwärts zu ihnen kamen.
Man bleibt immer Außenseiter, egal was man dort macht oder nicht
macht. Und wer als Kind schon nicht dazu gehört, hat es schwer
und fängt irgendwann an Kompensationen aufzubauen, um wieder
seelisches Wohlbefinden zu erreichen.
In meinem Fall war das die Kaufsucht die ich überwinden will.
Andererseits hätte ich mir auch kein anderes Leben vorstellen
können und bin auch froh, das ich nicht so vielen Gesellschaftsdruck
habe wie andere, die in irgend so einem Inzestkaff groß geworden
sind, wo jeder jeden kennt und jeder alles vom anderen weiß.
Wenn ich Inzestkaff sage meine ich das nicht abfällig.
In dem Dorf wo ich aufgewachsen bin waren von 28 Schülern in
meinem Jahrgang 19 miteinander direkt verwandt.
( Kusinen, Kusengs Großkusengs, Großkusinen )

LG

Nehell
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