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LuniChu Anfänger
Anmeldungsdatum: 21.12.2013 Beiträge: 3
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Verfasst am: 21. Dez 2013 22:49 Titel: Glück und Kampf |
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Ich kann nicht genau sagen was mich dazu bewegt hat, mit dem Kiffen anzufangen. Es ist schon ziemlich lange her und ich denke, es haben so viele bewusste und unterbewusste Erlebnisse, Faktoren, Lebensumstände dazu gefürt, dass es zu weit gehen würde, einen kompletten Überblick zu verlangen. Mir reicht schon, dass ich jetzt, am 10.01.2014, zwei Jahre clean sein werde - und das nicht mal mit dem Gedanken an einen Rückfall.
Wenn ich sage, ich habe gekifft, rede ich hier nicht über ein Tütchen am Tag oder zwei - ich rede von mindestens 2g am Tag. Eine Menge, die mir meine Mitpatienten bei der Drogentherapie nicht recht abnehmen wollten. Ich denke vor allem, weil es für einen jungen, nicht berufstätigen Menschen nahezu unmöglich ist, dass Tag für Tag zu finanzieren. Wie ich das gemacht habe? Nun, ich sag es nicht gerne, aber ich habe mein 20.000€ Erbe in 1 1/2 Jahren durchgebracht, und dazu nahezu jeden Cent, den ich von meinem Taschengeld, später Studienunterhalt, und durch Nebenjobs erübrigen konnte.
Wie das passieren konnte, dass ein junges, ich würde sagen nicht vollkommen unattraktives Mädchen mit einem großartigen Elternhaus, familiären Rückhalt und langjährigen Freundschaften so abrutschen konnte? Keine Ahnung.
In meinen insgesamt fast drei Jahren ambulanter Therapie hab ich mit meinem Psychologen, einem wirklich fähigen Mann, so einige Ursachen erörtert. Allerdings kann ich mich bei weitem nicht mehr an alles erinnern - ich denke, man wird durchschauen, warum.
Die Ursache für meinen Schlussstrich allerdings, habe ich immer präsent: Ich war in der Hölle. Diejenigen, die weitaus härtere Drogen nehmen oder genommen haben werden denken: "Bitte? Kiffen ist nicht die Hölle, höchstens der Einstieg!". Doch es gibt so viele Wege, sich den eigenen Untergang zu bereiten.
Ich habe alles versaut, mein Jurastudium, die einzig gute Beziehung in meinem Leben (Oh, Männer. Ein Thema, das in meiner Suchtgeschichte eine so zentrale Rolle gespielt hat), meine geistige Gesundheit, jegliches Körpergefühl, meine Selbstachtung, die Achtung meines Umfelds... ich könnte die Reihe noch eine Weile so weiter führen. Nach einer vollkommen kathastrophalen Hochzeit, einer praktisch nicht bestehenden Ehe, Männergeschichten, Lügen, Depressionen, Angstzuständen, Wahnvorstellungen und dem Abschied von meiner einst so großen Zukunftsperspektive war ich am Ende. Am Ende meiner Kräfte, aber auch am Ende meines Graskonsums - Gott sei Dank.
Ich habe all meinen Stolz über Bord geworfen, meine Hosen vor meiner Umwelt und insbesondere meinen Eltern runter gelassen, und bin in die stationäre Therapie gegangen. Nicht einfach so - ich hatte einige gescheiterte Versuchte hinter mir, selbst zu entziehen. Und dann, nach nur 10 Tagen in dieser Einrichtung, in der ich wirklich jegliche Kontrolle abgeben musste, mich Menschen unterordnen musste, die nicht mal meinen Schulabschluss erreicht hatten (Ja, so habe ich damals wirklich gedacht!), bin ich in die Welt entlassen worden und der Kampf begann:
Als erstes habe ich mich von meinem Drogen- und Alkoholabhängigen Freund getrennt. Dann habe ich, um meine Sucht nicht zu verlagern, lange keinen Alkohol getrunken. Und ich musste mich erklären. Ach, was musste ich mich erklären vor meinen Freunden und meiner Familie: Das ich nicht rausgehen will, dass ich bodenlos depressiv bin ohne Gras, dass ich nicht auf Partys gehen kann, wo gekifft wird, dass ich auf nichts mehr Lust habe, Lyrika gegen meine Angststörungen nehmen muss (Allerdings habe ich das nur ein paar Monate gemacht, denn ich wollte es WIRKLICH schaffen, also ohne alles), dass die beschissene Welt kein beschissenes Licht mehr hat und überhaupt keinen Sinn mehr hat.
Ich war so unglaublich frustriert, weil sich die erhoffte Steigerung meiner Lebensqualität einfach nicht einstellen wollte. Mein Alltag war genauso trüb und ich genauso Antriebslos wie vorher, und ich fand es ehrlich gesagt ziemlich unfair und bodenlos unverschämt vom Schicksal.
Wie gut, dass ich meinen Therapeuten hatte, der sagte: "Wenn sie in einem Jahr immer noch zu Hause liegen und nur lesen und lesen und lesen und schlafen und viel essen, dann ist das in der Tat ein Grund zur Sorge, doch warten sie einfach mal ab.".
Jaaa, was soll ich sagen, er hatte natürlich Recht. Es hat lange gedauert, doch nach und nach hat sich mein Leben verbessert, manchmal in Schüben, manchmal kaum merklich.
Ich kann mich noch an einen Morgen erinnern, an dem ich sehr früh mit dem Fahrrad zum Bahnhof fuhr. Es wurde langsam Sommer, die Sonne ging auf, und die Vögel, die Luft, das Licht, es war einfach unbeschreiblich. Und plötzlich hatte ich einen, wenn auch nur kurzen, Moment des absoluten Glücks, der totalen Erfüllung - ganz ohne Drogen, ohne jeglichen Exess. Das war SO SCHÖN. Zwar wurden die Tage dannach auch wieder mal dunkel und grau, aber es war ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.
Enttäuschungen, Stillstand, Liebeskummer, Unerfülltheit, Scham, Trauer, Wut, all das hab ich in den letzten Jahren natürlich oft erlebt. Da muss wirklich jeder Mensch durch. Aber nun ertrage ich die Dinge auch ohne Betäubung. Nicht nur dass: ich genieße es sogar so sehr, diese Rückschläge unter persönlicher Kontrolle erleben zu können, einen klaren Kopf zu bewahren und wieder neu zu lernen, dass nicht jedes Unglück gleich das Ende meines Lebens bedeutet.
Auch wenn ich keine Rückfäll im herkömmlichen Sinne hatte, denn ich habe nie wieder einen Joint auch nur angeschaut, läuft manchmal alles ganz schön schief und aus dem Ruder. Extreme Gewichtszunahme, gefolgt von strengen Diäten, bulemische Phasen (oh, ich bin mir der Tragweite dessen durchaus bewusst), unkontrollierter Alkoholkonsum auf Partys, auch wenn ich sonst oft Wochenlang keinen Schluck trinke und auch sehr selten Lust auf Alkohol habe, das alles wirft mich zurück und kostet mich immer noch Kraft. Ich glaube, nicht das Kiffen war mein Problem - es ist diese starke Tendez zu zerstörerischem Verhalten, mein enormes Suchtpotential. Und ich weiß, dass ich mein Leben lang auf der Hut sein muss, denn es lauern im Alltag überall Süchte. Natürlich habe ich Angst, irgendwann mal Tabletten zu nehmen, oder Spielsüchtig zu werden. Oder vielleicht doch anzufangen, sich mit Alkohol gezielt zu entspannen oder zu betäuben etc.
Aber ich bin auch zuversichtlich. Dieses Semester war mein erstes erfolgreiches, nahezu "normales" Semester meines Lebens. Ich habe wieder Spaß an der Uni, an Wissen und Bildung, habe Lust mein Leben voranzutreiben und irgendwann anzukommen. Wirklich erwachsen, d.h. komplett selbstständig und unabhängig zu sein. Eine Familie zu gründen und mir Wünsche zu erfüllen.
Habe wieder eine Beziehung beendet, weil mein Partner meiner Meinung nach viel zu viel getrunken und Pker gespielt hat. Wieder so ein Fluch: Ich ziehe anscheinend nur Männer an, die auch ein Suchtproblem haben - und es konsequent leugnen. Und ich bin empfindlich geworden. Ich könnte mir z.B. niemals vorstellenn mit jemanden eine Beziehung zu führen, der Clean ist - zu groß ist die Angst, selbst in den Abgrund gerissen zu werden, wenn er wieder schwach wird. Coabhängig zu sein. Belogen zu werden. Kinder mit jemanden in die Welt zu setzten, der der Verantwortung nicht gewachsen ist.
Aber ich freu mich drauf, und ich weiß, der Tag wird kommen, wenn ich selbst an dem Punkt bin, an dem ich sagen kann: Ja, jetzt bin ich wieder komplett in der Spur, jetzt geht richtig los! Hach, das wird schön  |
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joe Platin-User

Anmeldungsdatum: 28.12.2007 Beiträge: 1183
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Verfasst am: 22. Dez 2013 16:13 Titel: |
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hallo LuniChu, das hoert sich doch alles ganz gut an. bin gerade in Indien mit dem fahrrad unterwegs,etwas was ich breit nie hingekriegt haette. internet etwa schwierig hier,mal sehen ob das abgeht. auf jeden fall moechte ich dich herzlich hier in dieser abteilung "clean leben" begruessen. wir brauchen dich.
meine frau und ich sind uebrigens zusammen 26 jahre clean. gar nicht so schlecht,so eine cleane beziehung. kein stoff,irgentwie klar.
so, bis denne.
namaste
Joe
nur fuer heute nehm ich mal nix |
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