blue.blue Anfänger
Anmeldungsdatum: 11.08.2016 Beiträge: 3
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Verfasst am: 15. Aug 2016 12:59 Titel: Dermatillomania |
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Hallo Forum! ,
(Sorry, der Text ist etwas lang geworden! )
schön, dass es Menschen mit ähnlichen Problemen gibt. Dann sind meine niedergeschrieben Worte nicht nur für mich, sondern andere leidende können evtl auch etwas damit anfangen.
Seit 14 Jahren Kratze und drücke ich (männlich, 28 ) mir täglich Pickel und verkrustete Stellen auf. (Inzwischen bin ich zu 99% ausgestiegen)
Angefangen hat es als in der Pubertät meine Haut unrein wurde.
Als Kind, im alter schon ab 5 Jahren, war ich schon immer extrem eitel. (Parfüm, Haare gestyled, Cremes). Mein äußerliches war mir immer sehr wichtig. (Meine Mutter dürfte für dieses Extrem nicht ganz unschuldig gewesen sein).
Also war die Unreine Haut in der Pubertät die Hölle für mich. Mein ästhetisches Selbstbild geriet ins Wanken. Und da ich mich sehr stark über mein äußeres definierte, war meine Haut eine Belastung für mich. Hinzu kamen viele andere Probleme, mit denen ich nich umgehen gelernt hatte.
Somit hat sich über die Jahre eine fest eingeschliffene Verhaltensweiße etabliert. So stark, dass ich schon dachte, es ist fester Bestandteil meines Lebens. Jahrelang habe ich die größten Experimente betrieben: Ernährungsumstellung, Waschmittelumstellung, Sport etc pp. Im Grunde das ganze Programm was auch nur ansatzweiße mit meiner Haut zu tun haben könnte.
Leider kam ich nie auf die Idee, dass mein Drücken und Quetschen Hauptursache für meine Akne war.
Jetzt, im Nachhinein ärgere ich mich über meine eigene Sturheit. Ich wollte diese Akne ums Verrecken nicht und habe mit meinem Verhalten genau diese Akne gefördert und selbst erhalten. Was für ein Teufelskreis.
Die mir selbst auferlegten Schmerzen sind zum festen und ständigen Belgeiter geworden. Egal wo ich zufällig einem Spiegel gegenübergetreten bin ( Schule, FH, Nebenjob, Zuhause, bei Freunden ..., habe ich meine Haut begutachtet und mich schlecht und hässlich gefühlt. Obwohl ich ein attraktiver Junge/Jugendlicher und Mann bin und war, hab ich mich einfach nur aufgrund von meiner Haut hässlich gefühlt. So schlimm, dass ich dachte, andere Menschen würden mich auf Grund von meiner Haut nicht ernst nehmen und mich hässlich finden.
In den letzten 14 Jahren habe ich Ursache und Wirkung nicht richtig erkannt und war deshalb ewig auf dem Holzweg.
Inzwischen definiere ich mich nicht mehr durch mein äußeres, sondern über meine Zwischenmenschlichkeit, Intellekt oder Handlungen. Ich habe mein Leben wieder in die Hand genommen. Zu guter Letzt habe ich aufgehört an mir herumzudrücken und herumzukratzen. Einen normalen gesunden Alltag zu Leben und nicht mehr ständig in den Spiegel zu schauen.
Eine gute Life-Ballance ist wichtig. Das bedeutet sehr viel Arbeit in sehr vielen Lebensbereichen.
Ich würde mich freuen, hier im Forum, Menschen zu finden, die ähnliche Erfahrung gemacht haben. Menschen, die noch drin stecken, oder sogar auch schon weitgehenst als Gewinner das Schlachtfeld verlassen haben.
Jahrelang habe ich mich isoliert mit meinem Problem gefühlt. Und das ist eben auch ein fundamentales Problem der Krankheit. Isolation ist ein schlechter Ratgeber. Deshalb bin ich hier. Irgendwie habe ich Nachholbedarf, mich über dieses Thema zu unterhalten, dass ich Jahrelang nur mit mir selber ausgelebt habe und mich somit stark belastet hat.
Ich will raus aus dem Schweigen. Raus aus der inneren Scham und Illusion.
Raus aus dem Pubertären. Rein ins Mann werden.
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Unter dem Strich will ich noch einmal betonen, wie stark feste Verhaltensweißen/Süchte auch zum Selbstläufer werden. Vor allem, wenn sie über viele Jahre hinweg aktiv sind.
Am Anfang, gibt es vielleicht einen Grund für die Verhaltensweiße. Aber irgendwann ist der Grund nicht mehr da und man führt die Sucht/ Verhaltensweiße immernoch aus. Sie ist zum Selbstläufer mutiert. Dann ist es schwierig herauszukommen, weil man gar nicht weiß woher das Verhalten kommt. Man kann es über all die Jahre nicht mehr rekonstruieren.
Ich habe durch mein stures Verhalten eine Krankheit am Leben gehalten, die ich schon viel früher hätte ablegen können. Der Teufelskreis aus Kratzen, Schmerzen und sich hässlich fühlen, hätte einfach und schnell besiegt werden können: Einfach nicht mehr Kratzen und mich auf andere Themen konzentrieren.
Viele Grüße
Blue |
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