17 Jahre Dia....und jeden Tag belüge ich mich selber

Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Neues Thema eröffnen   Dieses Thema ist gesperrt, du kannst keine Beiträge editieren oder beantworten.    Drogen-Forum Foren-Übersicht -> Erfahrungsberichte
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Air
Anfänger


Anmeldungsdatum: 31.05.2009
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 09:31    Titel: 17 Jahre Dia....und jeden Tag belüge ich mich selber Antworten mit Zitat

Hallo,
heute möchte ich Euch mal schreiben wie ich zu dem ganzen Mist gekommen bin und wie der Status quo ist.
Nehmt Euch ein wenig Zeit, lehnt Euch zurück und lest.

Sicher kennst auch du das Gefühl....kalte, nasse Hände, der Puls rast, dein Herz pocht. Aber wenn der Gruselfilm vorbei ist weisst du, dass es ja nur ein Film war, trinkst noch schnell eine warme Milch mit Honig und kannst dann schlafen wie ein Baby. Bei mir geht dieser Film nie vorbei...er fängt morgends an und hört morgends wieder auf, 24 Stunden Gruselfilm, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Und dabei war ich mal ein Mensch, der spontan, risikobereit und lebenslustig war. Achterbahn fahren...einfach Klasse. Heute bekommt mich keiner in eine Achterbahn, denn ich fahre ja täglich mit ihr..und dies unfreiwillig.
Und alles begann mit einem Gefühl, einem Geschmack.....
Auf dem Weg zu einem Treffen fuhr ich im Auto. Es war wohl eine Phase von Entspanntheit. Jeder kennt das. Man weiss plötzlich nicht mehr, wie man dieses eine Stück gefahren ist, weil man gedanklich weit weg war.
Ich habe diese Gefühl aber missgedeutet, falsch interpretiert. Eine einfache, simple Sache die mich seit 17 Jahren fest im Griff hat. Wäre ich damals nicht gefahren....ob ich heute anders leben würde ?
Im Auto habe ich mich über diesen“ Zustand“ über alle Maßen erschreckt und dachte, ...jetzt hat dein letztes Stündlein geschlagen...ich war einer Ohnmacht nahe und stellte das Auto ab. Ein Freund, der zufällig in der Nähe war..ich lebte damals in einem kleinen Ort...fuhr mich erst zur Apotheke, ein Kreislauftonikum besorgen und dann nach Hause.
Ab diesem Zeitpunkt fing ich an über mich zu wachen.

Hypochonder stellen alles in Frage, rennen von Arzt zu Arzt und glauben niemanden, denn sie „wissen“, dass sie krank sind. So ähnlich fühlte ich mich mit einem Mal. Ich dachte, dass irgend etwas nicht stimmt. Ok, ich ging zum Arzt. Alles ok. „Es fehlt ihnen nichts...gehen sie doch mal ein bischen im Wald spazieren“....haha, im Wald spazieren, meine Angst vor der Angst hatte sich schon so stark manifestiert, dass nicht mal ein kleiner Spaziergang möglich war. Auto fahren....abgehakt. Einkaufen...um Gottes willen, da könnte ich mich ja nicht der Situation entziehen. Also überliess ich meinem Mann diese Dinge und blieb einfach im Haus. Obwohl, wenn er dann nicht da war....wenn mit jetzt was passiert, wenn jetzt die Angst kommt ? Es musste also ein Handy her, damit ich ihn immer erreichen kann. So zog ich mich immer mehr aus dem Leben zurück und beschäftigte mich damit mich zu überwachen. Ein Blutdruckgerät sowie ein Zuckermessgerät musste natürlich auch besorgt werden. Mein Arzt verschrieb mir pflanzliche Mittel. Johanneskraut...wirkt aber nicht sofort, Kava-Kava..heute total umstritten. Ich sah in den Spiegel und erkannte mich nicht mehr. Nein, ich hatte mich äußerlich überhaupt nicht verändert, aber ich erkannte mich nicht mehr. Viel später erst wußte ich, dass auch dies ein Syndrom war. DEPERSONALISATIONSSYNDROM !
Klasse, ich kaufte Bücher, las im Internet, besuchte dort Foren und fand auch Betroffene. Aber um so mehr ich mich belas, um so schlimmer ging es mir. Zärtlichkeiten konnte ich nicht mehr austauschen, denn ich bemerkte...immer dann, wenn mein Mann und ich uns gut verstanden, um so schlimmer die Angst.
1994 fand ich einen Arzt der Internist war. Wenn man privat versichert ist, das war ich zu diesem Zeitpunkt noch...wird man natürlich umtuttelt, ergo konnte ich ihn immer anrufen, was ich auch tat. Er kam dann auf die glorreiche Idee mir bei einem „Not-Hausbesuch“ eine Spritze zu verpassen. VALIUM !
Genial...ich war auf Wolke 122994 und,...ich hatte keine Angst mehr. Aber ich kann doch den Arzt nicht immerzu nach Hause bitten. Also schrieb er ein Rezept....Juli 1994, die erste Packung Diazepam Tropfen.
„Aber, nehmen sie nur 5-7 Tropfen, dass reicht“....
Klar reichte das. Nun konnte ich wieder viele Dinge tun. Natürlich nur mit meinem „Krückstock“ in der Handtasche, meine Lebensversicherung !!!
Ich wußte, mit meiner Lebensversicherung im Gepäck werden ich definitiv nicht STERBEN ! Es wird mir nichts mehr passieren. Und wenn, wärs eh egal, denn wenn man eine ganze Flasche Diazepam in sich hat...tja, dann merkt man eh nichts mehr....dann dürfte das Sterben ja auch nicht so schlimm sein......
Nach fast 3 Jahren mehr dahinvegetieren als wirklich Leben wurde ich schwanger. Ich hatte plötzlich etwas, worauf ich mich total einlassen konnte. Kein Diazepam mehr, ....und das 10 Monate lang.
Ich hatte auch die 10 Monate nicht ein einzigen Anfall von Angst, denn meine Angst und Sorge drehte sich nun um mein ungeborenes Kind. Nach der Geburt wußte ich plötzlich, das mein Körper zu tollen Sachen fähig ist und ich daran nicht sterbe. Eigentlich hätte ich nun jedes Jahr schwanger werden sollen, dann wäre mein Leben ganz anders verlaufen.....??? Oder doch nicht ?

3 Jahre lang drehte sich MEIN Leben um meine Tochter. Meine Ängste hatte ich auf sie projeziert. Diese Ängste um mein Kind reichten aus, um meine eigenen zu verdrängen. Heute kann ich kaum noch sagen, ob ich in dieser Zeit überhaupt eine Panikattacke hatte. Jeder Husten, jeder nur so kleine Infekt bei ihr brachte mich an den Rand des Wahnsinns und ich hätte mir gerne eine Hand abhacken lassen, nur, damit es meiner Tochter gut geht.
Die Uhr des Leben dreht sich schnell weiter und meine Tochter wurde selbständiger...und ich, wieder ängstlicher. Dazu kam nun, dass ich wußte, wenn ich Probleme oder Stress im Beruf, ich war damals in der Firma meines Mannes selbständige Mitarbeiterin; oder privat habe....gibt es ja eine „flüssige“ Lösung.
Ergo habe ich bei „Problemen“ immer eine „Lösung“ parat gehabt. Man nimmt dann ja vieles nicht mehr so ernst und die Probleme sind etwas kleiner.
Aber der Prozess, der mich nun erwartete, war riesig. Alleine Auto fahren, einkaufen, shoppen......alles Dinge, die ich seit Jahren unterlassen habe. Ich wollte aber wieder am Leben teilhaben.
Durch die immensen Probleme der Firma war ich nicht mit mir selber beschäftigt. Selbst eine „Anstellung“ bei der Firma HERMES habe ich angenommen um die Familie über Wasser zu halten.
2004 mussten wir aus dem Haus ausziehen, welches nun zwangsversteigert wurde und mieteten uns eine 140 qm große Wohnung in einem Dorf.
Meine Ängste haben sich MIT mir verändert. Heute passiert es so:...ich wache auf, oft habe ich geträumt...schlimme Träume....Herzrasen, Schwitzen...ich setze mich im Bett auf und versuche mich zu beruhigen...“ Du hast nichts, Dir fehlt nichts...Du kannst nicht einfach so sterben“....haha
Klar kann man einfach so sterben...NEIN, ....hab keine Angst...Hast DU gerade Angst gesagt....OHGOTT...Angst...Hilfe...
Ich renne los, sauge aus der Tropfflasche schnell Diazepam...und warte...darauf, dass sich mein Puls wieder im Normalbereich bewegt. Mindestens 20 Minuten lang Todesangst !
Danach fange ich an zu frieren und ich weiß, ich habe es überstanden. Bis zum nächsten Mal.
Es gibt Tage, an denen kann ich hunderte von Kilometern Auto fahren, Zug fahren in einer fremden Stadt...und nichts fehlt mir. Es ist nur die Erinnerung, der Geschmack....
Immer dann, wenn es große Umbrüche oder Ereignisse in meinem Leben gibt, kann mir die Angst nichts anhaben. Sobald ich zur Ruhe komme, erinnert sich meine „Seele“...da war doch was....
Durch das führen eines Diazepam-Tagebuches, mit genauer Erklärung, warum ich es nehmen musste, weiß ich, daß es immer öfter passiert dass ich Situationen nicht mehr aushalte und dann schon Dia nehme.
Andere trinken sich den Kopf zu, ich nehme Diazepam.
Leider ist das eine sprichwörtliche „Lösung“, die mich an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.
Keine Kondition mehr, denn der Muskeltonus wurde jahrelang auf Sparflamme gehalten. Keine Kondition, kein Sport...nur kurze Spaziergänge.
Stärker werdene Bindegewebsschwäche...., Magenpförtner wird immer schwächer....
Vor 4 Wochen ein Gespräch in einer Psychosomatik,ich könnte sofort anfangen..aber ich habe einen Job gefunden und darf jetzt nicht "krank" sein.
Nach oben
Zauderer
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 02.05.2009
Beiträge: 713

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 10:08    Titel: Antworten mit Zitat

Hi air,
Fühl dich von mir umarnt und fest getrückt ...

... ich fang mal gleich an:

ZITAT:
"Vor 4 Wochen ein Gespräch in einer Psychosomatik,ich könnte sofort anfangen..aber ich habe einen Job gefunden und darf jetzt nicht "krank" sein. "
ZITAT ENDE

... im kopf bist du immernoch selbstständig, gelle ... Very Happy

... und was willst du jetzt machen ... auf den ersten urlaub warten ... oder die firma kaufen ...

... wie lange soll denn die sache in der "Psychosomatik" gehen ... 1.5 Jahre ?

Zauderer
Nach oben
Air
Anfänger


Anmeldungsdatum: 31.05.2009
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 10:11    Titel: ähmmm Antworten mit Zitat

Hallo Zauderer,

danke fürs Drücken...das brauche ich wirklich.

Ich wollte 4 Wochen Psycho machen, mit Wochenend-Ausgang. Aber ich muss erst einmal in dem Job Fuss fassen.....seufz.
Nach oben
Zauderer
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 02.05.2009
Beiträge: 713

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 10:39    Titel: Antworten mit Zitat

... ob die nicht irgendwie 4 Wochen auf dich verzichten können ?

Und ich weiß nicht , du warst doch selber chef ... , ob es für eine firma toll ist einen mitarbeiter zu haben der sich da irgendwie hinschleppt, und persönlich belastet ist.

Ich tu meinen leuten keinen gefallen wenn es mir nicht gut geht, und ICH bin bei mir chef, mich kann man nicht mal kündigen ...


Zauderer
Nach oben
worstcase
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 28.11.2008
Beiträge: 596

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 10:55    Titel: Antworten mit Zitat

hi air!
ich finde es toll, dass du es geschafft hast, deine geschichte aufzuschreiben. ich glaube da auch sehr viel selbsterkenntnis rauszulesen. das ist schon mal ein riesenschritt.
fühl dich auch von mir ganz fest gedrückt!
glg karo
Nach oben
Air
Anfänger


Anmeldungsdatum: 31.05.2009
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 11:02    Titel: Danke Antworten mit Zitat

Liebe Karo, auch Dir danke ich fürs Drücken....ojee...wie lange wurde ich schon nicht mehr gedrückt..... Sad
Nach oben
Air
Anfänger


Anmeldungsdatum: 31.05.2009
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 11:04    Titel: Antworten mit Zitat

Zauderer hat Folgendes geschrieben:
... ob die nicht irgendwie 4 Wochen auf dich verzichten können ?

Ich muss den Job erst einmal bekommen.....in 4 Wochen entscheidet es sich...

Und ich weiß nicht , du warst doch selber chef ... , ob es für eine firma toll ist einen mitarbeiter zu haben der sich da irgendwie hinschleppt, und persönlich belastet ist.

Ich kann ganz gut nach Aussen den "Anschein" wahren...das lernt man mit der Zeit....

Ich tu meinen leuten keinen gefallen wenn es mir nicht gut geht, und ICH bin bei mir chef, mich kann man nicht mal kündigen ...


Zauderer
Nach oben
Air
Anfänger


Anmeldungsdatum: 31.05.2009
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 11:10    Titel: Dosis Antworten mit Zitat

Noch kurz zu meinen Dosierungen. Ich nehme ca. 30-60 Tropfen, je nach "Stimmung" und "Seelenzustand". Dies aber nicht täglich. Manchmal liegen 4-7 Tage dazwischen....dann kommt der Entzug und ich muss wieder etwas nehmen.
Nach oben
Zauderer
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 02.05.2009
Beiträge: 713

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 11:21    Titel: Antworten mit Zitat

ZITAT:
"Ich muss den Job erst einmal bekommen.....in 4 Wochen entscheidet es sich... "
ZITAT ENDE

Was du dir antust ... meinst du wirklich DIE merken das nicht ... meinst du so behälst du einen job ?, sorry, aber ich bin leider immer so direkt und bin zusätzlich pessimist , ich will dich nicht verletzen ... aber DAS sieht nicht gut aus ...

Was denkst du realistisch, wie lange du das noch durchhältst ...

Drückdich ... drückdich ... drückdich


Zauderer
Nach oben
Air
Anfänger


Anmeldungsdatum: 31.05.2009
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 12:20    Titel: Die Hoffnung... Antworten mit Zitat

Ich habe das Glück in einer 2-Mann(Frau) Firma zu arbeiten. Beide sind auch noch Psychotherapeuten...watt fürn Glück...er macht gerade noch seinen Yoga--Lehrerschein...also wenn das keine guten Voraussetzungen sind. Zudem gehe ich mit MEINEM Thema auch offen um, ich rede darüber. Ergo weiß die Firma mit wem sie sich einläßt. Außerdem ist es ein Job in dem ich vormittags 5 Stunden, den Rest im Homeoffice arbeite.
Ich hoffe, dass alles wieder gut wird und ich arbeite an mir...wie Du sicher unschwer erkennen kannst, sonst hätte ich auch hier nichts gepostet.

Danke fürs Drücken....ich liebe ES !!!!!!!!!
Nach oben
Zauderer
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 02.05.2009
Beiträge: 713

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 12:28    Titel: Antworten mit Zitat

ZITAT:
"Ich habe das Glück in einer 2-Mann(Frau) Firma zu arbeiten. Beide sind auch noch Psychotherapeuten...watt fürn Glück...er macht gerade noch seinen Yoga--Lehrerschein...also wenn das keine guten Voraussetzungen sind. Zudem gehe ich mit MEINEM Thema auch offen um, ich rede darüber. Ergo weiß die Firma mit wem sie sich einläßt. Außerdem ist es ein Job in dem ich vormittags 5 Stunden, den Rest im Homeoffice arbeite "
ZITAT ENDE

... DAS entzog sich meiner kentnis ... , dann sieht DAS schon besser aus ...
... das könnte gehen ...


Zauderer
Nach oben
bright
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 09.11.2008
Beiträge: 733

BeitragVerfasst am: 31. Mai 2009 16:48    Titel: Re: 17 Jahre Dia....und jeden Tag belüge ich mich selber Antworten mit Zitat

Air hat Folgendes geschrieben:


Sicher kennst auch du das Gefühl....kalte, nasse Hände, der Puls rast, dein Herz pocht. Aber wenn der Gruselfilm vorbei ist weisst du, dass es ja nur ein Film war, trinkst noch schnell eine warme Milch mit Honig und kannst dann schlafen wie ein Baby. Bei mir geht dieser Film nie vorbei...er fängt morgends an und hört morgends wieder auf, 24 Stunden Gruselfilm, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Und dabei war ich mal ein Mensch, der spontan, risikobereit und lebenslustig war. Achterbahn fahren...einfach Klasse. Heute bekommt mich keiner in eine Achterbahn, denn ich fahre ja täglich mit ihr..und dies unfreiwillig.
Und alles begann mit einem Gefühl, einem Geschmack.....
Auf dem Weg zu einem Treffen fuhr ich im Auto. Es war wohl eine Phase von Entspanntheit. Jeder kennt das. Man weiss plötzlich nicht mehr, wie man dieses eine Stück gefahren ist, weil man gedanklich weit weg war.
Ich habe diese Gefühl aber missgedeutet, falsch interpretiert. Eine einfache, simple Sache die mich seit 17 Jahren fest im Griff hat. Wäre ich damals nicht gefahren....ob ich heute anders leben würde ?
Im Auto habe ich mich über diesen“ Zustand“ über alle Maßen erschreckt und dachte, ...jetzt hat dein letztes Stündlein geschlagen...ich war einer Ohnmacht nahe und stellte das Auto ab. Ein Freund, der zufällig in der Nähe war..ich lebte damals in einem kleinen Ort...fuhr mich erst zur Apotheke, ein Kreislauftonikum besorgen und dann nach Hause.
Ab diesem Zeitpunkt fing ich an über mich zu wachen.

Ich gehe davon aus, dass Du diese Ängste schon vorher latent in Dir hattest. In einem Moment, in dem Du die Kontrolle abgegeben hast, in so einer Art Trance, hat die vorher verdrängte Todesangst einen Fuss in die Tür bekommen, und hat jetzt eine Möglichkeit gefunden, auch die Angst will leben/sich ausleben.
Sie hat jetzt etwas, auf das sie immer aufspringen kann. den Kontrollverlust. Sobald Du Kontrolle, wie auch immer, wird diese Angst/Phobie da sein. Die als das was sie verdrängt wurde, als Todesangst/Panik erscheint. In unserem Kulturkreis ist es normal, die ersten Tage unseres Daseins in Todesangst zu verbringen, die dann über Anspannung/Verdrängung aus dem Bewusstsein gehalten werden. Die aber wie ein Stalker auf seine Chance wartet. Und natürlich unterschwellig auch den Lebensstil prägt. Die oft die Rolle des glückichen unverwundbaren, des Clowns, des Helden, usw. sein wird. Gesaund, weil man sonst noch weniger Chance hat geliebt zu werden. Niemand liebt Dich wenn Du unten und "alt" bist. Und gerade dieses nicht geliebt werden, ist das was die Todesangst ausmacht.
Auch wenn die heutige, ehemalig verdrängte Angst keinen aktuellen Anlass hat, ist sie doch real empfunden. Etwas, was Dich mittlerweile phobisch, Du sagst Angst vor der Angst, auf möglichen Kontrollverlust zu reagieren. Was Dir auch den Zugang zu ungeplanten positiven Reizen verwehrt, weil Du dafür eben wieder die Kontrolle aufgeben müsstest, die Angst/Unlust besetzt ist. Spontanität, und intuitives Handeln unmöglich macht.
Will Dich damit nicht fertig machen, sondern darstellen, wie in etwa ich Dich verstanden habe, und wie ich mir Deinen Alltag vorstelle.

Air hat Folgendes geschrieben:
Hypochonder stellen alles in Frage, rennen von Arzt zu Arzt und glauben niemanden, denn sie „wissen“, dass sie krank sind. So ähnlich fühlte ich mich mit einem Mal. Ich dachte, dass irgend etwas nicht stimmt. Ok, ich ging zum Arzt. Alles ok. „Es fehlt ihnen nichts...gehen sie doch mal ein bischen im Wald spazieren“....haha, im Wald spazieren, meine Angst vor der Angst hatte sich schon so stark manifestiert, dass nicht mal ein kleiner Spaziergang möglich war. Auto fahren....abgehakt. Einkaufen...um Gottes willen, da könnte ich mich ja nicht der Situation entziehen.

Es hört sich alles nach schwerer Postraumatischer Belastungsstörung, die sich einen Ausbruch verschafft hat.
Air hat Folgendes geschrieben:
Also überliess ich meinem Mann diese Dinge und blieb einfach im Haus. Obwohl, wenn er dann nicht da war....wenn mit jetzt was passiert, wenn jetzt die Angst kommt ? Es musste also ein Handy her, damit ich ihn immer erreichen kann. So zog ich mich immer mehr aus dem Leben zurück und beschäftigte mich damit mich zu überwachen. Ein Blutdruckgerät sowie ein Zuckermessgerät musste natürlich auch besorgt werden. Mein Arzt verschrieb mir pflanzliche Mittel. Johanneskraut...wirkt aber nicht sofort, Kava-Kava..heute total umstritten. Ich sah in den Spiegel und erkannte mich nicht mehr. Nein, ich hatte mich äußerlich überhaupt nicht verändert, aber ich erkannte mich nicht mehr. Viel später erst wußte ich, dass auch dies ein Syndrom war. DEPERSONALISATIONSSYNDROM !

Leider ist unsere Medizin nicht dazu berechtigt, sich den Titel Dr. Feelgood zzu verdienen. Glaube auch, dass nur wenige auch nur auf die Idee kommen. Deshalb kann ich für Dich nur hoffen, eher eine Distanz zu Deinen Ängsten, als zu Dir selber zu bekommen.

Air hat Folgendes geschrieben:
Klasse, ich kaufte Bücher, las im Internet, besuchte dort Foren und fand auch Betroffene. Aber um so mehr ich mich belas, um so schlimmer ging es mir. Zärtlichkeiten konnte ich nicht mehr austauschen, denn ich bemerkte...immer dann, wenn mein Mann und ich uns gut verstanden, um so schlimmer die Angst.

Kontrollverlust ist Kontrollverlust. Auch im Guten.
Ein Indiz für Null Vertraue, eher sogar für ein negatives Vorurteil. Hoffnungslosigkeit.
Alles das, was ich für Sucht halte, die ja bei Dir im Auto unabhängig von Drogen "entstand"/freigesetzt wurde , trifft auf Deine Geschichte zu.
Air hat Folgendes geschrieben:
1994 fand ich einen Arzt der Internist war. Wenn man privat versichert ist, das war ich zu diesem Zeitpunkt noch...wird man natürlich umtuttelt, ergo konnte ich ihn immer anrufen, was ich auch tat. Er kam dann auf die glorreiche Idee mir bei einem „Not-Hausbesuch“ eine Spritze zu verpassen. VALIUM !
Genial...ich war auf Wolke 122994 und,...ich hatte keine Angst mehr. Aber ich kann doch den Arzt nicht immerzu nach Hause bitten. Also schrieb er ein Rezept....Juli 1994, die erste Packung Diazepam Tropfen.
„Aber, nehmen sie nur 5-7 Tropfen, dass reicht“....

Ab da hatte Deine Begierde/Sucht einObjekt. Denn das Belohnungssystem/Besserfühlgedächtnis hat sich diesen Zusammenhang zwischen Erlösung und Substanz gemerkt. Und macht Dir über die Angst, die Dich dazu bringen soll, diesen Zustand zu beenden, sogenannten Suchtdruck.
Air hat Folgendes geschrieben:
Klar reichte das. Nun konnte ich wieder viele Dinge tun. Natürlich nur mit meinem „Krückstock“ in der Handtasche, meine Lebensversicherung !!!
Ich wußte, mit meiner Lebensversicherung im Gepäck werden ich definitiv nicht STERBEN ! Es wird mir nichts mehr passieren. Und wenn, wärs eh egal, denn wenn man eine ganze Flasche Diazepam in sich hat...tja, dann merkt man eh nichts mehr....dann dürfte das Sterben ja auch nicht so schlimm sein......

Nicht ich selbst, aber ich kenne Deine Geschichte.
Air hat Folgendes geschrieben:
Nach fast 3 Jahren mehr dahinvegetieren als wirklich Leben wurde ich schwanger. Ich hatte plötzlich etwas, worauf ich mich total einlassen konnte. Kein Diazepam mehr, ....und das 10 Monate lang.
Ich hatte auch die 10 Monate nicht ein einzigen Anfall von Angst, denn meine Angst und Sorge drehte sich nun um mein ungeborenes Kind. Nach der Geburt wußte ich plötzlich, das mein Körper zu tollen Sachen fähig ist und ich daran nicht sterbe. Eigentlich hätte ich nun jedes Jahr schwanger werden sollen, dann wäre mein Leben ganz anders verlaufen.....??? Oder doch nicht ?

Eine Geburt kann solch einen Wandel, betonung auf Wandel, einleiten.
Eine Dauermedikamentierung durch Schwangerschaften, durch die deshalb ausgeschütteten Körpereigenen Drogen, kann das nicht.
Air hat Folgendes geschrieben:
3 Jahre lang drehte sich MEIN Leben um meine Tochter. Meine Ängste hatte ich auf sie projeziert. Diese Ängste um mein Kind reichten aus, um meine eigenen zu verdrängen. Heute kann ich kaum noch sagen, ob ich in dieser Zeit überhaupt eine Panikattacke hatte. Jeder Husten, jeder nur so kleine Infekt bei ihr brachte mich an den Rand des Wahnsinns und ich hätte mir gerne eine Hand abhacken lassen, nur, damit es meiner Tochter gut geht.

Würde ich pers. als eine Art Co-Abhängigkeit ansehen. Gebraucht werden!
Air hat Folgendes geschrieben:
Die Uhr des Leben dreht sich schnell weiter und meine Tochter wurde selbständiger...und ich, wieder ängstlicher.

Weil Du weniger gebraucht wurdest, und deshalb Du Dich auch mehr an Dich erinnert hast.
Air hat Folgendes geschrieben:
Dazu kam nun, dass ich wußte, wenn ich Probleme oder Stress im Beruf, ich war damals in der Firma meines Mannes selbständige Mitarbeiterin; oder privat habe....gibt es ja eine „flüssige“ Lösung.

So einfach könnte es tatsächlich sein, allerdings ist Valium/Benzoes kein wirklich geeignetet Mittel. Valium ist in etwa so wie Saufen, nur anders besoffen.
Air hat Folgendes geschrieben:
Ergo habe ich bei „Problemen“ immer eine „Lösung“ parat gehabt. Man nimmt dann ja vieles nicht mehr so ernst und die Probleme sind etwas kleiner.

Das man könnte wenn man wollte, ist ein hoher Faktor im Sicherheitsgefühl, was auch direkt Suchtdruckmindernd ist.
Air hat Folgendes geschrieben:
Aber der Prozess, der mich nun erwartete, war riesig. Alleine Auto fahren, einkaufen, shoppen......alles Dinge, die ich seit Jahren unterlassen habe. Ich wollte aber wieder am Leben teilhaben.

Klar, diese Sehnsucht hat man ja auch noch! Ganz wichtig, um Selbstheilungskräfte zu mobilisieren.
Air hat Folgendes geschrieben:
Durch die immensen Probleme der Firma war ich nicht mit mir selber beschäftigt. Selbst eine „Anstellung“ bei der Firma HERMES habe ich angenommen um die Familie über Wasser zu halten.
2004 mussten wir aus dem Haus ausziehen, welches nun zwangsversteigert wurde und mieteten uns eine 140 qm große Wohnung in einem Dorf.

Auch die Exdistenzängste haben Dich demnach nicht verschont.
Air hat Folgendes geschrieben:
Meine Ängste haben sich MIT mir verändert. Heute passiert es so:...ich wache auf, oft habe ich geträumt...schlimme Träume....Herzrasen, Schwitzen...ich setze mich im Bett auf und versuche mich zu beruhigen...“ Du hast nichts, Dir fehlt nichts...Du kannst nicht einfach so sterben“....haha
Klar kann man einfach so sterben...NEIN, ....hab keine Angst...Hast DU gerade Angst gesagt....OHGOTT...Angst...Hilfe...

Panik bringt Leute dazu, was meinst Du, was auf der Titanic losagewesen ist, über Babys zu trampeln, nur um zur rettenden Tür zu kommen.
Air hat Folgendes geschrieben:
Ich renne los, sauge aus der Tropfflasche schnell Diazepam...und warte...darauf, dass sich mein Puls wieder im Normalbereich bewegt. Mindestens 20 Minuten lang Todesangst !

Dagegen ist das nichts wofür Du Dich geringschätzen solltest. Es ist eine normale Reaktion. Normal solltest Du Dich Pegel-Medikamentieren, dem Belohnungsystem nicht die Erfahrungen zu geben, die die Begierde auf das Objekt, in dem Falle Valium, noch erhöhen, was heisst mit noch mehr Angst noch mehr Druck zu machen.
Ich weiss, dass das für Dich nicht umsetzbar ist. Sollte nur ein Hinweis sein, dass Dein Konsummuster die Ängste verstärken könnte.
Air hat Folgendes geschrieben:
Danach fange ich an zu frieren und ich weiß, ich habe es überstanden. Bis zum nächsten Mal.

Über diese Erfahrungen fühlt sich das Blohnungssystem natürlich als der Retter! Wer Erfolg hat hat recht.
Air hat Folgendes geschrieben:
Es gibt Tage, an denen kann ich hunderte von Kilometern Auto fahren, Zug fahren in einer fremden Stadt...und nichts fehlt mir. Es ist nur die Erinnerung, der Geschmack....

Salzig?
Air hat Folgendes geschrieben:
Immer dann, wenn es große Umbrüche oder Ereignisse in meinem Leben gibt, kann mir die Angst nichts anhaben. Sobald ich zur Ruhe komme, erinnert sich meine „Seele“...da war doch was....
Durch das führen eines Diazepam-Tagebuches, mit genauer Erklärung, warum ich es nehmen musste, weiß ich, daß es immer öfter passiert dass ich Situationen nicht mehr aushalte und dann schon Dia nehme.
Andere trinken sich den Kopf zu, ich nehme Diazepam.

Du reagierst schon auf den nahestehenden Kontrollverlust. Und auf den reagiest Du phobisch, und sicher auch allergisch.
Air hat Folgendes geschrieben:
Leider ist das eine sprichwörtliche „Lösung“, die mich an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.
Keine Kondition mehr, denn der Muskeltonus wurde jahrelang auf Sparflamme gehalten. Keine Kondition, kein Sport...nur kurze Spaziergänge.
Stärker werdene Bindegewebsschwäche...., Magenpförtner wird immer schwächer....

Ein Symptom des anhaltenden Siechtums, der unbefriedigten Sucht, ist die Auszehrung. durch Bindung aller Energie an das Angstproblem.
Air hat Folgendes geschrieben:
Vor 4 Wochen ein Gespräch in einer Psychosomatik,ich könnte sofort anfangen..aber ich habe einen Job gefunden und darf jetzt nicht "krank" sein.[/

Nichts macht kranker, als nicht krank sein zu können/dürfen!
Leider können wir Dir hier nicht mehr bieten, als dass Du Dich verstanden fühlst, und Dir ein wenig von der Einsamkeit nehmen.
Gruss.
Nach oben
lagrine
Anfänger


Anmeldungsdatum: 01.06.2009
Beiträge: 6

BeitragVerfasst am: 1. Jun 2009 20:48    Titel: Antworten mit Zitat

Hallöchen,

oh je, ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es dir geht, bin nämlich selber abhängig nach Dia-Tropfen. Noch nicht so lange wie du, seit ca. 3 Jahren und meine Ärztin hat sie mir in der Schwangerschaft verschrieben, weil ich sonst nix anderes nehmen durfte. Es ist so sauschwer davon wegzukommen, ich weiß!! Warte momentan auf eine Therapie um unter anderem auch endlich von diesem Teufelszeug loszukommen.
Fühl dich ganz fest gedrückt, und ich bin überzeugt davon, du schaffst das auch!
Liebe Grüße
Nach oben
bright
Gold-User
Gold-User


Anmeldungsdatum: 09.11.2008
Beiträge: 733

BeitragVerfasst am: 1. Jun 2009 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

lagrine hat Folgendes geschrieben:
Hallöchen,

oh je, ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es dir geht, bin nämlich selber abhängig nach Dia-Tropfen. Noch nicht so lange wie du, seit ca. 3 Jahren und meine Ärztin hat sie mir in der Schwangerschaft verschrieben, weil ich sonst nix anderes nehmen durfte. Es ist so sauschwer davon wegzukommen, ich weiß!! Warte momentan auf eine Therapie um unter anderem auch endlich von diesem Teufelszeug loszukommen.
Fühl dich ganz fest gedrückt, und ich bin überzeugt davon, du schaffst das auch!
Liebe Grüße

Hast Du nach der Geburt weiter welche konsumiert?
Hast Du gestillt? Wie lange?
Ist Dein Kind unruhig?
Keine Angst, von mir wird kein erhobener Zeigefinger kommen! Werde, wenn, wir sind hier nicht allein, Dir auch beistehen!
Gruss
Nach oben
lagrine
Anfänger


Anmeldungsdatum: 01.06.2009
Beiträge: 6

BeitragVerfasst am: 2. Jun 2009 13:19    Titel: Antworten mit Zitat

Habe nach der Geburt nicht gestillt, eben aus dem Grund. Hab aber zu der Zeit wo mein Sohn geboren ist runterdosiert auf 1,5 mg. Er war als Baby nicht unruhig und ist es jetzt auch nicht. Würd mal sagen, da hab ich Glück gehabt, er hat das ziemlich gut weggesteckt.

Liebe Grüße
Nach oben
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Dieses Thema ist gesperrt, du kannst keine Beiträge editieren oder beantworten.    Drogen-Forum Foren-Übersicht -> Erfahrungsberichte Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Seite 1 von 2
Gehe zu:  
Impressum & Rechtliches
ForenübersichtIndex   SucheSuche   FAQFAQ   LoginLogin