Tagebuch eines Computerspiel-/Online-Süchtigen

[zeitverschwender]

Hallo,

ich hoffe es ist okay dass ich mich an dieses Forum wende, um Euch von mir und meinem Leben zu erzählen. Ich hab mir das als eine Art von Euch kommentiert und gelesenes Online-Tagebuch vorgestellt. Wenn Ihr das scheiße findet dann sagt es.

Im Vergleich zu anderen Einträgen bin ich sicher noch "gut dran", aber ich habe unbestreitbar ein Problem. Jeder Versuch meine Gewohnheiten zu ändern ist bisher gescheitert (dazu später mehr). Und deswegen möchte ich es hiermit versuchen. Ich bin nicht in Therapie aber bereits auf der Suche nach einer Selbsthilfe-Gruppe. Dabei weis ich nicht ob mein Verhalten die Definition von Sucht erfüllt. Tatsache ist aber, dass es zwanghaft ist, ich mich danach schlechter fühle, es mein Arbeits- und Privatleben zunehmend negativ beeinflusst.

Ich bin Anfang 30, habe Familie, und einen Büro-Job der mir viel, wahrscheinlich zu viel Freiheiten lässt (ich schreib das hier gerade während meiner Arbeit).

Ich verschwende Zeit vor dem Rechner, im Internet, hauptsächlich mit Online-Spielen, inzwischen hauptsächlich passiv. Stunde um Stunde. Tag um Tag. Mal bin ich für eine Weile abstinent, aber im Schnitt (also die absitente Zeit mitgerechnet), frisst das bestimmt knapp die Hälfte meiner Zeit im Büro.

Es fängt meist harmlos an, mit einem Klick auf Sportseiten oder auf Nachrichtenportale. Und es endet damit dass ich entweder selbst zocke (das allerdings nur selten, geballt auf ein paar Tage bis ich es schaffe meiner Frau davon zu erzählen und es erstmal wieder lasse.). Oder es endet damit dass ich anderen beim Zocken zuschaue, entweder via live-stream auf twitch.tv, oder auf youtube (dazu ein andermal mehr). Dieses passive Konsumieren von PC Spielen erscheint mir nicht ganz so "böse", nicht ganz so vereinnahmend, und gerade deswegen ist es wahrscheinlich schlimmer.

Wo ist das Problem werden viele denken? Das ist doch inzwischen normal. Stell dich mal nicht so an. Nun, als Schüler, oder als Student war das Gezocke noch relativ unproblematisch. Da hat man Freizeit ohne Ende, und es fällt nicht so ins Gewicht, wenn man einen großen Teil davon verheizt. Aber das ändert sich leider. Jetzt hab ich ein Kind, eine Frau, die Arbeit, ein Haus, und einen Garten. Voll im Hamsterrad also. Meine Frau arbeitet auch, will ich auch so. Und in dieser Lebensphase, ist das was man nicht hat, die Zeit. Zuwenig Schlaf. Zuwenig Sport. Zuwenig Zeit für andere Hobbies, für mich selbst. Und so bin ich oft schlecht gelaunt, misepetrig. Die Zahl meiner Freunde schrumpft kontinuierlich. Ich hadere mit meinem Leben. Meine Frau sagt, wenn ich das Zocken und das Zuschauen wenigstens geniessen würde, dann wär es ja gerade noch okay. Aber ich geniesse es nicht, ich finde es scheisse. Ich hasse es so wenn ich aus der "Arbeit" hetze, schnell los, ich muss mein Kind abholen, und ich habe nichts sinnvolles gemacht. Nichts, die Lebenszeit ist dahin. Und dabei bin ich übermüdet, würde so gern mehr Sport machen, Musik machen, oder Bier trinken gehn. Dabei ist (zumindest ein wenig) Zeit dafür da. Und ich bekomms einfach nicht hin. Und wenn ich dann zu Hause bin, dann überspiele ich das meistens, und mache mir vor, morgen wird es anders. Wird es aber nicht.

Wie oft hab ich mir schon vorgenommen das zu lassen? Ich kanns nicht mehr zählen. Sicher schon 100mal. Früher hab ich dann einen kurzen Energieschub bekommen, hab mein (WG-)Zimmer aufgeräumt, Wäsche gewaschen und mir grosse Vorsätze gemacht, und an die Vorsätze auch noch geglaubt. Mit der Zeit hab ich mir selbst immer mehr vormachen müssen, und um daran zu glauben dass ich es wirklich schaffe dass sich was ändert.
Ich hab Tagebuch geführt...
Ich hab ein Parentel-Control-Program auf meinem Rechner installiert und das Passwort meiner Mitbewohnerin gegeben...
Ich habe notiert wieviel Stunden ich täglich maximal arbeitsfremd vor dem Rechner verdaddeln darf, und das aufgeschrieben, und einem Kumpel versprochen, dass wenn ich das nicht schaffe spende ich 200 Euro an eine Hilfsorganisation seiner Wahl...
Ich hab das nochmal mit nem anderen Kumpel gemacht...
Ich hab gedacht, diesmal wirklich, diesmal schaff ichs, diesmal nehm ichs mir richtig ernst vor, wär doch gelacht...
Ich habs jedesmal nicht geschafft.

Ist das Jammern auf hohem Niveau? Sind das Luxusverstiegenheiten? Andere sind "wirklich" süchtig, und ruinieren Ihre Gesundheit? Andere haben kein Dach überm Kopf, oder nichts zu essen? Ja, es ist Jammern auf hohem Niveau. Aber so ist es. So ist mein Leben. Und ich hasse es, zumindest diesen Teil davon. Und ich kann es nicht lassen. Aber wer weis, vielleicht klappt es diesmal, mit Euch. Danke fürs Lesen.

[silent addiction]

Herzlich willkommen zeitverschwender !

Mediensucht ist eine süchtige (d.h. "zu Siechtum führende") Erlebens- und Verhaltensweisen ohne Substanzkonsum - sondern mit exzessiver "Nutzung" / Beschäftigung moderner elektronischer Medien.

Allgemein geht es bei der Thematik NICHT darum, "elektronische Medien" an sich zu problematisieren (sie sind genauso "gefährlich" wie Alkohol in einer Flasche oder ein Messer auf einem Küchentisch) oder "die Gesellschaft" (wer ist das eigentlich?!) anzuprangern. Auch solltest Du NICHT pathologisiert oder stigmatisiert, als "unmündig" oder "unreif" herabgewürdigt und ausgegrenzt werden.

Stattdessen soll ein Bewusstsein für die massive und ständig wachsende Problematik bei der Erwartung an und dem Umgang mit modernen Medien geschaffen werden. So können sowohl Dir selbst, als auch Mit-Betroffenen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie jeder wieder einen Weg zu einem gesunden, zufriedenen und erfüllten Leben finden und gehen kann.

[silent addiction]

Schau mal hier rein:

http://www.sucht.org/service/gvs-themen/mediensucht/termine-aktuelles/

http://www.aktiv-gegen-mediensucht.de/foren/1/

Vielleicht kannst Du Dir das eine oder Andere da rausziehen.

Ich wünsche Dir alles Gute für Dich und Deine Familie!

[Mr. Haze]

[Mr. Haze]

Ich habe jetzt meine Gedanken sortiert und möchte es doch noch heute schreiben, weil ich morgen wahrscheinlich nicht dazu kommen werde, hier reinzuschauen.

Die Frage, ob etwas eine Sucht ist, hängt ja davon ab, ob man die Zeit/Geld whatever lieber andersweitig investieren möchte. Scheint ja bei dir fast so zu sein. Du tust etwas, was du nicht geniessen kannst, obwohl dich ja 'objektiv' niemand dazu zwingt. Mir stellt sich die Frage, ob du dafür andere Dinge vernachlässigst, die dir wichtiger sind. das erschliesst sich mir aus deinem beitrag nicht so ganz. Leidet deine Familie drunter? Möchtest du diese Zeit eher nutzen, um für dein Kind und Frau da zu sein, undd mit ihnen was zu unternehmen?

Nur weil man etwas exzessiv betreibt, ist es nicht gleich eine Sucht. Sucht fängt in meinen Augen erst dann an, wenn man nicht anders kann, obwohl man es möchte. Und damit meine ich nicht, dass man dann für andere Sachen/Hobbies weniger Zeit hat. Man kann halt nicht alles machen, und macht man etwas, bleibt was anderes auf der Strecke.

Schon mal versucht, den Computer komplett aus deinem privatleben zu verbannen? Wie reagierst du da drauf? Würdest du Panik kriegen, wenn dein Rechner zuhause den Geist aufgibt und du auf die Schnelle kein Ersatz dafür hättest?

Bin auch interessiert, was du auf die Fragen von silent antwortest, weil einige davon auch mir durch den Kopf gingen.


Achja, soweit ich weiss, ist schon deine Überschrift ein rotes Tuch für die Admins hier. tagebuchähnliche Threads sind hier wohl nicht gerne gesehen und werden gelöscht. Und wenn sie dann schon 'Tagebuch' heissen..

[Yunus90]

[zeitverschwender]

Vielen Dank für die Antworten, und die unterstützenden Worte!

Ich werde erstmal auf die Fragen antworten, und dann ein kleines Update geben wie es mir ergangen ist.

[silent addiction]

Hallo lieber Zeitverschwender,

danke das Du mir meine Fragen beantwortet hast.

Noch folgende Tipps möchte ich Dir gern geben, was Du daraus machst ist Deine Sache natürlich.
Aber Du hast schon durch diese Fragen viel erkannt.
So kam es mir vor, oder liege ich falsch?

So nun noch zu folgenden Dingen.

[silent addiction]

Mir ist ein Grammatikfehler in einem Satz unterlaufen:

[silent addiction]