Sterbehilfe

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Mümmelmaus
Silber-User
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Anmeldungsdatum: 13.12.2012
Beiträge: 140

BeitragVerfasst am: 29. Dez 2012 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

Ich finde die Gedankengänge mit dem nicht dahinsiechen wollen etc. ja sehr nachvollziehbar, aber aktive Sterbehilfe heißt ja auch, dass jemand eure Entscheidung umsetzen muss. Ich habe da so ein paar moralische Probleme damit! Nicht mit der Entscheidung an sich, sondern damit, dass ich jemand anderen in die Verantwortung nehme, diese Entscheidung aktiv auszuführen.

Im Grunde ist das ja (übrigens nicht umsonst geltendes Recht) Anstiftung zum Mord! Wer sagt euch denn, dass nicht gerade die kleinen Gesten und diese unglaubliche Liebe, die die Angehörigen einem Kranken entgegenbringen, doch zum demjenigen durchdringen? Wir konnten doch hier bei lämmchen quasi miterleben, wie viel es ihr bedeutet hat, ihren Papa zu begleiten, ihre Liebe zu ihm nochmal ausdrücken zu können.

Was wäre, wenn man tatsächlich von jemand anderem verlangt, dass derjenige den Stecker zieht und dabei außer Acht lässt, dass da noch andere sind, die sich nicht verabschiedet haben? Ich meine,... wenn man selbst stirbt, dann geht man. Man beendet etwas und keiner weiß, ob danach etwas kommt. Vielleicht ist man einfach weg. Aber es bleiben auch Menschen zurück! Und die müssen weiterleben. Und weiterleben können mit dem Gedanken, dass die geliebte Person weg ist. Ich finde den Gedanken, dass man gerade in dieser schwierigen Phase den (über-)Lebenden den Abschied nehmen könnte, mehr als gruselig und ganz nüchtern betrachtet und wahnsinnig egoistisch.

Man kann doch nicht wissen, was man alles spürt, selbst wenn man nicht mehr wach ist! Will man wirklich als letztes Gefühl von den Angehörigen die Angst und die Selbstvorwürfe mitnehmen, weil die einen (zwar auf verlangen, aber eben doch) umbringen? Oder will man mitnehmen, dass sie einen Lieben, ganz bedingungslos und aufrichtig, weil angesichts des Todes eine andere Form der Liebe gar nicht existent ist? Ich würde mich für Letzteres entscheiden!
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Tollkirsche
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 15.05.2011
Beiträge: 96

BeitragVerfasst am: 29. Dez 2012 15:14    Titel: Antworten mit Zitat

Mein Vater, dessen momentane Situation mich ja wieder an das Thema erinnert hat, liebt sein Leben schon lange nicht mehr. Es fing an mit dem Tod meiner Mutter vor einigen Jahren, dazu kamen dann auch noch andere Sachen, die ihm seine Selbstständigkeit und damit seine restliche Lebensfreude genommen haben. Seine Selbstständigkeit war ihm immer sehr wichtig - als er einmal kurz klar war, sagte er, dass er sich das Leben genommen hätte, wenn er vorher gewusst hätte, dass er in die Situation kommt, völlig hilflos zu sein und diesen Schritt nicht mehr allein gehen zu können. Aber ich kann ihm dabei jetzt nicht helfen - zum einen haben wir über das Thema nie ausführlich genug gesprochen, dass ich mir 100%ig sicher sein könnte, damit seinen Willen zu erfüllen und diese 100%ige Sicherheit ist meiner Meinung nach eben die absolute Grundvoraussetzung, zum anderen würde ich mich damit strafbar machen, und das will ich nicht und das würde auch er nicht wollen. Aber umso mehr Zeit vergeht, umso dringender würde ich ihm wünschen, dass diese Qualen endlich ein Ende haben und er endlich seinen Frieden findet. Ich bin so froh, dass er inzwischen oft in eine Traumwelt abdriftet, in der er mehrere Hunde hat, mit denen auch rausgeht und in der er auch noch selbstständig einkaufen kann, statt seit Wochen hilflos im Bett zu liegen, wie es tatsächlich der Fall ist.

Vor einigen Jahren habe ich eine Gesprächstherapie gemacht. Zu der Zeit hatte mein Vater seine Lebensfreude bereits verloren, er sprach oft von Selbstmord. Als ich meinem Therapeuten davon erzählte, meinte er auch, dass das sehr egoistisch von meinem Vater wäre, mich damit zu belasten und unter Druck zu setzen. Das war es auch - aber nicht die Tatsache, dass er Selbstmord in Erwägung zog, war egoistisch, sondern dass er mir ohne Rücksicht auf meine Gefühle davon erzählte. Dass er sich damit beschäftigte, konnte ich ihm in seiner Situation nämlich nicht verübeln, ich habe ihn nur zu gut verstanden, hätte in seiner Situation ähnliche Gedanken gehabt und hätte das vermutlich sogar umgesetzt. Ich hätte ihn nicht davon abgehalten, denn genau DAS wäre meiner Ansicht nach egoistisch. Man kann doch von seinen Mitmenschen nicht erwarten, dass sie ein trauriges Leben, das ihnen sinnlos erscheint und das ihnen nur noch Qualen bereitet, weiter leben, nur damit es einem selbst besser geht, weil man mit der Entscheidung nicht umgehen kann. Wenn man wirklich liebt, muss man jemanden auch gehen lassen können.
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Mümmelmaus
Silber-User
Silber-User


Anmeldungsdatum: 13.12.2012
Beiträge: 140

BeitragVerfasst am: 30. Dez 2012 14:48    Titel: Antworten mit Zitat

Tollkirsche hat Folgendes geschrieben:
Ich hätte ihn nicht davon abgehalten, denn genau DAS wäre meiner Ansicht nach egoistisch. Man kann doch von seinen Mitmenschen nicht erwarten, dass sie ein trauriges Leben, das ihnen sinnlos erscheint und das ihnen nur noch Qualen bereitet, weiter leben, nur damit es einem selbst besser geht, weil man mit der Entscheidung nicht umgehen kann. Wenn man wirklich liebt, muss man jemanden auch gehen lassen können.



Da gebe ich dir ja schon recht, aber für mich ist es ein ganz gewaltiger Unterschied, ob jemand Suizid begehen will/begeht, oder ob derjenige einem anderen diese Aufgabe 'übergibt' Selbstmord hat im Gegensatz zum Mord nämlich genau diese entscheidende Vorsilbe: selbst! Ich entscheide selbst, was mit mir passiert. Ich sage selbst: Jetzt ist dieser Zeitpunkt da! Und wenn du darüber mal intensiv nachdenkst, dann fällt dir vermutlich auf, dass dein Vater zwar davon gesprochen hat, aber genau das nie in die Tat umsetzte. Er tat es nicht selbst! Er hat sich darüber zwar Gedanken gemacht, aber sich nicht selbst dafür entschieden!
Das ist für mich eben dieser entscheidende Punkt. Wenn man diese Sache selbst entscheidet, dann muss man es selbst tun. Meiner Meinung nach darf/kann man nicht von anderen, schon gar nicht von Menschen, die man aufrichtig liebt, verlangen, dass sie einem dieses SELBST abnehmen. Denn dann bleibt nur der MORD. Und damit muss derjenige leben, der zurückbleibt!
Ich musste genug geliebte Menschen gehen lassen, loslassen, wie auch immer du das sehen möchtest. Aber Fakt ist: ich konnte immer meinen Frieden mit ihnen machen, ihnen meine Liebe und Unterstützung zeigen und sie konnten dann SELBST gehen! Und das ist für mich elementar wichtig. Ich habe meinen Papili davonsiechen sehen und es war grausam! Aber ich konnte ihm zeigen, dass nichts je so grausam sein könnte, dass ich ihn nicht mehr über alles liebe! Ich konnte ihm diese Liebe durch meine Pflege und meine Fürsorge zeigen. Und ich glaube fest daran, dass er das bemerkt hat. Auch und vor allem, als es zuende ging! Und das vorzeitig zu zerstören,... dazu wäre ich nicht imstande gewesen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er das je von mir verlangt hätte!
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Tollkirsche
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 15.05.2011
Beiträge: 96

BeitragVerfasst am: 30. Dez 2012 20:54    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe natürlich schon viel darüber nachgedacht, warum mein Vater diese Überlegungen nicht in die Tat umsetzte, solange er noch konnte. Sein Zusammenbruch kam sehr plötzlich - in dem Moment, als klar war, dass er für den Rest seines Lebens im Bett liegen würde, in Windeln und in der Regel auch nicht mit Hilfe kurzzeitig mobilisierbar (heute konnte er für 5 Minuten selbstständig im Rollstuhl sitzen, während das Bett frisch bezogen wurde, normalerweise ist nicht mal das möglich, da er dazu nicht mehr die Kraft hat und die Gefahr zu groß ist, daß er kollabiert), geistig verwirrt mit Phasen der Klarheit, in denen die Verzweiflung durch kommt, war es auch schon zu spät. Wenn er das einen Tag vorher gewusst hätte, hätte er vermutlich Schluß gemacht, die Vorbereitungen dazu hatte er schon getroffen, aber er konnte sie nicht mehr umsetzen.
Aber er hatte sich wie gesagt schon vorher mit dem Thema beschäftigt und ich habe mich oft gefragt, warum er diesen Schritt nicht gegangen ist. Wollte er das mir nicht an tun? (Ich hatte ihm natürlich schon gesagt, dass mich das sehr verletzen würde und dass ich nicht weiß, wie ich damit klar kommen würde - er meinte daraufhin, dass ich doch mein eigenes Leben leben würde und damit sicher fertig werden würde. Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, dass ich ihm das gesagt und ihn damit unter Druck gesetzt habe.) Oder hat er sich wirklich hauptsächlich um seinen Hund Sorgen gemacht, den er auf keinen Fall alleine lassen wollte, weil er Angst hatte, dass er sein restliches Leben im Tierheim verbringen muss? (Das war auf jeden Fall ein Grund für ihn, weiter zu machen, ihn wollte er auf keinen Fall allein lassen.) Oder war es die Angst vorm Sterben, vorm Tod, vor der Endgültigkeit? Man hängt schon sehr am Leben, auch wenn es einem selbst nicht mehr lebenswert erscheint. Ich weiß es nicht, vielleicht war es von allem etwas.

Sich selbst noch das Leben nehmen zu können, bevor man zu einem völlig hilflosen Vollpflegefall ohne Aussicht auf Besserung wird, wäre natürlich zu bevorzugen. Aber es kann passieren, dass man diesen Schritt allein nicht mehr gehen kann. Und für diesen Fall möchte ich für mich gern vorsorgen. Ich finde das auch nicht egoistisch. Als Pflegefall ist man auch eine riesige Belastung für die Angehörigen, sowohl was die psychische Verfassung als auch die allgemeine Lebenssituation (Stichwort Zeit und körperliche Belastung) betrifft und letztendlich auch in finanzieller Hinsicht. Da kann die Liebe noch so groß sein. Viele Angehörige gehen daran kaputt und brauchen im Anschluss selbst Hilfe. Ich möchte nie zu so einer Belastung werden.
Für mich kommt Sterbehilfe auch nur dann in Frage, wenn vorher alles so geklärt ist, dass die Angehörigen selbst keine Entscheidung treffen müssen, sondern nur noch bereits getroffene Entscheidungen umsetzen müssen, so dass kein Raum für Zweifel und Schuldgefühle bleibt.
Aber ich werde das Thema Schuldgefühle mit in meine Überlegungen aufnehmen. Für die Angehörigen ist es schlimm genug, wenn ein geliebter Mensch geht, da müssen Schuldgefühle, ob berechtigt oder nicht, möglichst ausgeschlossen werden.
Ich werde mich erstmal informieren, welche Organisationen es in anderen Ländern gibt und welche Bedingungen die stellen.

Darf ich fragen, wie lange Dein Vater in diesem Prozess des "Dahinsiechens oder Dahinvegetierens" war? Wochen, Monate oder Jahre? Das kann sich ja über viele Jahre, sogar Jahrzehnte hinziehen, vor allem, wenn noch lebensverlängernde Maßnahmen dazu kommen.
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veilchenfee
Foren-Guru
Foren-Guru


Anmeldungsdatum: 18.12.2009
Beiträge: 4072

BeitragVerfasst am: 31. Dez 2012 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

Tollkirsche, vor ca. 2 Jahren hatte mein Vater auch einen plötzlichen Zusammenbruch, der ihn in die Klinik beförderte. Er kippte dauernd um, aß und trank nicht mehr und war geistig total daneben. Die Ärzte konnten nichts finden und rieten im irgendwann, er solle sich einen Gehwagen zulegen. Sie schoben das Ganze auf seinen jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch. Nach zwei Wochen wurde er aus der Klinik ohne Befund entlassen und er zog direkt bei mir ein, weil er nicht sicher war, ob er sich nochmal soweit erholen würde, dass er sich selbst versorgen kann. Zu dem Zeitpunkt war er 68 Jahre alt, schlank, und nie krank gewesen. Ich dachte wirklich, ich würde jetzt einen halbdementen Pflegefall daheim haben. Zumal er in diesem Jahr noch zwei Mal in die Klinik musste, allerdings mit einer ordentlichen Diagnose. Es hat lange gedauert, bis er wieder soweit handlungsfähig war und ohne Gefahr alleine gehen konnte. Es war schrecklich.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich stelle Parallelen fest. Plötzlicher Zusammenbruch ohne gscheite Diagnose. Mit dem Unterschied, dass mein Vater sich wider Erwarten wieder vollständig erholt hat. WAS IST DAS BLOß?
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tuutsweet
Gold-User
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Anmeldungsdatum: 22.05.2012
Beiträge: 929

BeitragVerfasst am: 14. Jan 2013 20:50    Titel: Antworten mit Zitat

Sterbehilfe legalisieren und aufhören mit der endlosen Litanei von Moral.
Wenn ein Mensch aus was für Gründen auch immer so krank oder gehandicapt ist, das er nicht mehr leben will und auch nicht kann, den ganzen Tag im Bett dahinvegetieren ist kein Leben, Patientenverfügung auf den Tisch,Abschied im kleinen Kreis ( oder auch nicht) und dann setze ihm/ihr einer den Schuss ,damit er /sie endlich schlafen kann und nicht dahinvegetieren oder aus Krankheitsgründen zum Monster mutieren muss, eine Person , die wir nicht kennen wollen.
Solange ich noch fit bin und das Gesetz zu meinem Abtritt noch eine Endlosschleife nach der anderen zieht , dann besorge ich mir schon was, um dem Drama ein Ende zu machen und wenn ich das nicht mehr kann , dann kenn ich wenigstens eine Vertrauensperson , die mir das Leiden erspart, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, obwohl ich mit den gesalbten Päderasten auf ihrer Kanzel nix zu tun haben möchte.
lg
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Tollkirsche
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 15.05.2011
Beiträge: 96

BeitragVerfasst am: 13. Apr 2013 00:39    Titel: Antworten mit Zitat

Mein Vater hat es hinter sich, endlich. Die letzten Wochen musste ich ihm die Windeln wechseln, Ihn Füttern und zu Trinken geben. Er war sehr verwirrt, sah Sachen, die nicht da waren und ich musste ihn immer wieder beruhigen. Zum Glück hatte ich starke Hilfe, ohne die ich es wohl auch nichht geschafft hätte. Obwohl ich weiß, dass er so nicht hätte leben wollen bin ich ja selbst nicht gerade stabil und nach dem ich die ersten Wochen halbwegs hinter mich gebracht hatte, bin ich jetzt völlig zusamen gerbrochen.
Ich nehme am Tag ca.4 bis 10 Dias, wesentlich mehr Crack als ich mir finanziell leisten kann (Dadurch geht es mir am nächsten Tag natürlich noch doppelt beschissener). Ich bin ja im Methadonprogramm und habe meinem Arzt alle gebeichtet, ich will ich da mit offennen Karten spielen. Außerdem kam meine Bronchitis wieder mit aller Kraft zurück und ich wurde für 3 Wochen krank geschrieben. Nächste Woche entscheiedet es sich. ob ich ins Krankenhaus muss.
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lämmchen
Foren-Guru
Foren-Guru


Anmeldungsdatum: 09.02.2012
Beiträge: 3754

BeitragVerfasst am: 13. Apr 2013 06:04    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Tollkirsche,

mein herzliches Beileid.

Ich wünsche Dir viel Kraft und auch, das Du die nächsten Wochen wieder zu Dir finden kannst.

Liebe Grüsse von Lämmchen
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Oldmen
Silber-User
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Anmeldungsdatum: 04.03.2012
Beiträge: 185

BeitragVerfasst am: 13. Apr 2013 07:51    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Tollkirsche

Mein aufrichtiges Beileid.

Ich wünsche Dir viel Kraft du must jetzt an Dich denken und wieder nach vorne schauen.

Gruß

Oldmen
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