Bettelnden Junkies Geld geben?

[Aestas]

Hallo!

Auf meinem Weg zur Arbeit treffe ich häufig einen bettelnden Junkie am U-Bahn-Eingang.
Aufgrund seiner sympathischen Art werfe ich ihm meistens etwas Kleingeld in den Becher. Allerdings verfolgt mich die Sache wirklich von Anfang an, weil ich nicht weiß, ob ich ihm dadurch eher helfe oder schade...

Man kann die Sache von zwei Seiten betrachten:
Einerseits ist mir bewusst, dass er mein Geld in Heroin investiert und ich ihm dadurch helfe, eine gefährliche Sucht aufrecht zu erhalten. Womöglich trage ich dadurch sogar dazu bei, dass er stirbt? Den Gedanken finde ich schrecklich!
Die Medien predigen ja auch immer, dass man Abhängige nicht unterstützen soll, dass die Leute nur eine Chance aufs Cleansein haben, wenn sie ganz unten angelangt sind, etc.

Andererseits denke ich mir: Er wird es ja auch ohne mein Zutun nehmen, seine Arme sehen echt wild aus... Und ist es nicht unglaublich vermessen, arrogant und erzieherisch, wenn der piefige Ottonormalverbraucher wie ein Oberlehrer Junkies auf den „rechten Pfad“ zurückbringen will? Dadurch entmündigt man diese Menschen schließlich auch ein Stück weit. Vielleicht helfen ihm meine Groschen ja, dass er an dem Tag 1x weniger auf den Strich gehen muss (ob er das tut, ist natürlich reine Spekulation). Oder dass er innerlich etwas weniger verzweifelt ist, weil sich die nächsten Entzugserscheinungen ankündigen und er noch immer keinen Penni zusammengeschnorrt hat. Vielleicht ist meine „Spende“ also sogar ein Beitrag, dass er seine Würde ein bisschen mehr wahren kann.

Die Meinungen meiner Freunde sind sehr kurzsichtig und homogen (alle lehnen es ab, Geld in „sowas“ zu versenken) und im Internet fand ich auch keine hilfreichen Denkanstöße.
Darum dachte ich, mal ein paar Meinungen von der anderen Seite, also den (Ex-) Betroffenen einzuholen. Die wissen vielleicht am objektivsten, welches Verhalten gegenüber bettelnden Junkies FÜR diese im Endeffekt am besten ist, gerade weil sie eine viel tiefere Sicht auf die Dinge haben...

Ich hoffe, dass ihr diesen Thread nicht als banalen Kinderkram anseht. Ich weiß, viele von euch haben mit ganz anderen Sachen zu kämpfen und wären über meine Problemchen froh. Aber ich mache mir zunehmend Gedanken darüber, es lässt mich einfach nicht mehr los.

LG

[BionicBerlin]

Irgendwie kommt mir deine Frage bekannt vor Macht ja nichts.

Also ich würde sagen du solltest es so handhaben wie du dich am wohlsten fühlst. Ich persönlich finde das schon OK mal ein paar Euro zuzustecken, denn ich denke nicht, dass es meine Aufgabe ist Leute zu bekehren. Ich denke mir dabei, dass ich ihm/ihr das Leben für einen Moment leichter mache. In welcher Hinsicht auch immer. In was er/sie das Geld dann investiert muss er/sie als mündiger Bürger selbst entscheiden.

Vielleicht ist er oder sie ja auch glücklich mit dem Konsum?

[Benoyun]

Du triffst meiner Meinung nach nen guten Punkt um damit umzugehen. Sobald man sich Gedanken über sein Handeln macht und dass tust du damit, kann man keine falsche Entscheidung mehr treffen. Du hast natürlich Recht wenn du sagst, dass du ihnen die Sucht finanzierst, denn das tust du in jedem Fall. Würde dies niemand mehr tun, wären die Leute auf der Straße in jedem Fall gezwungen sich ihr Geld anders zu beschaffen. Ob das nun in eine bessere Schiene oder in eine weitaus schlechtere (Anschaffen, Diebstahl, usw) geht weiß man nicht und ist wahrscheinlich von Mensch zu Mensch verschieden.
Ich für meinen Teil gebe für so etwas kein Geld aus, da es den meisten Leuten sehr schlecht geht, sie aber nicht bereit sind etwas zu ändern. Solange sie aber noch so viel geschnorrt kriegen, ändern sie auch nix. Daher meine Meinung ne klar Ablehnung, auch auf die Gefahr hin, dass sich diese Menschen ihr Geld schlimmer beschaffen können. Eher mit der Hoffnung, das Menschen umdenken und einen neuen Weg einschlagen, wenn ihr alter nicht mehr funktioniert.


PS: Nicht alle Menschen die betteln sind Junkies :DDD

[prinzessin22589]

Ich halte es auch so, dass ich kein Geld gebe. Ich gebe allerdings zuweilen Zigaretten, trinken oder essen. Mit dem finanzieren von Drogen habe ich auch meine Probleme, daher lasse ich das. Obdachlosenzeitungen dagegen Kauf ich eigentlich jedem ab, der mir begegnet. Meistens ohne eine Zeitung zu nehmen. Da muss jeder sehen was er für richtig hält

[lämmchen]

@Benoyun: Deine Ansage: " Für sowas ..." geb ich kein Geld aus...also da stellen sich mir wieder die Haare auf.

Vergiss niemals, es sind Menschen. Und ob sie ihr Leben ändern oder nicht, geht uns schon mal gar nix an.

Ich hab kein Problem Kohle zu geben, aber selbst da komm ich mir bescheuert vor, weil ich das abwertend finde. Wenn dann aber die Äugelein leuchten, ist alles gut.

@prinzessin: das mit den Zeitungen mach ich auch so. Und sie freuen sich alle.

[Etosha]

Also ich finde überhaupt mal gut, dass Du überhaupt hinsiehst und dir Gedanken machst. Nicht vorverurteilst, so nach dem Motto: "Schublade auf, Penner/Junkie rein, Schublade zu." Im Prinzip ist es ja egal, ob wir hier über Heroin, Alkohol oder andere Drogen reden: Sucht ist es allmal und diese Diskussionen werden ja zuhauf geführt.
Ich selbst versuche möglichst offen zu sein und auf mein Gefühl zu achten: Vielen geht es wirklich verdammt dreckig und spätestens, wenn Du mal daneben gesessen hast, weisst Du in ungefähr, wie Scheisse sich das anfühlt: Wenn die Leute mit hoch erhobenem Haupt vorbeistapfen und Dir 2 Cent ins Schüsselchen schmeissen. Oder die Leute dann so Sprüche ablassen wie:"Das is nu aber für die Hunde!" - Geht gar nicht! Ich finds klasse, wenn man den Leuten was gibt. Direkt in die Hand am besten, sie ansieht und im besten Fall...mit ihnen spricht. Ändern kann man nichts, gar nichts. Aber wenn Du Distanz überwindest, dann kann das mehr wert sein, als Kohle (Vorausgesetzt, der andere hängt nicht total abgeschossen da und kriegt nix mehr mit von der Welt, logisch). Ich kenne ne Menge Leute, die sich auch total freuen über ein Brötchen oder einfach ein nettes, aufgeschlossenes Gespräch. Und wenn Du diesen Typ so sympathisch findest, dann rede doch einfach mal mit ihm. Erzähl ihm von Deinen Gedanken! Ist doch alles nur menschlich.

Grüße!
E.

[BionicBerlin]

Wenn man sich einmal vorstellt, dass die Person die dann vor einem sitzt auch der eigene Bruder, Onkel oder sonstwas sein könnte bewegt es einen doch schon oder nicht?

Ich weiss, dass es auch viele Drückerkolonnen etc. gibt, aber bilde mir ein diese ganz gut zu erkennen.

Ich bin da wohl einfach zu emotional.

[lämmchen]

Hi BionicBerlin,

m.M.n. ist das menschlich wenn man so denkt, und ja, auch emotional. Das heisst aber, das Du und ich auch, über den Tellerrand blickst/en und niemanden abstempeln. Lieber so als anders herum...weil, wer weiss was uns mal passiert, oder dem Bruder, Schwester, Onkel...

Herzliche Grüsse von Lämmchen

[Warrior]

Hallo zusammen,

ich halte auch nicht soviel vom Geld geben, wenn man den Leuten ansieht, wofür es benutzt werden könnte (ja, ich weiß, nur nach dem Anschein gehen, triffts auch nicht immer), ich halte es eher auch so wie prinzessin. Bestimmte Dinge, die den Alltag erleichtern können.

Mir wollte mal einer ne Zeitung verkaufen. Ich habe meine Taschen nach Geld durchgewühlt und nur Zigaretten und ein Päckchen Kaugummi zutage gefördert. Da hat er jeweils eins von bekommen. Hat sich sehr freundlich bedankt und grüßt mich auch heute noch.

Bei vielen (wirklichen) Junkies ist es leider auch so (habe ich schon festgestellt), dass sie an anderen Dingen außer Geld gar nicht interessiert sind und teilweise tatsächlich unfreundlich werden, wenn man ihnen was zu essen oder nen Kaffee anbietet.

[Nehell]

Ich mache es immer so das ich älteren Obdachlosen Geld gebe wenn
ich den Eindruck habe das sie keine Drogen nehmen.
Bei denen wo ich den Eindruck habe das sie süchtig sind gebe
ich auch nur Lebensmittel oder Getränke und manchmal eine
Packung Zigaretten.
Damit muss ich mir kein schlechtes Gewissen machen das diese
Leute sich mit dem zusammengekratzen Geld nicht weg ballern.

LG

Nehell

[Lillian]

[LadyLoony]

Hey hey,

um ehrlich zu sein gebe ich selten Geld. (Zumal ich auch oft gar nichts dabei hab).
Im Winter eher, als im Sommer. Da gibts bei mir echt zu viele, die das Betteln als eine Art Nebenjob betreiben. Ausnahmen bilden die Straßenkinder oder alte Obdachlose. Bei den Straßenkids weiß ich schon, dass die das Geld höchst wahrscheinlich für Drogen ausgeben, aber AUCH für Nahrung, so ist zumindest meine Hoffnung. Und wenn nicht, dann trage ich ja vielleicht zum Safer- Use dazu. Also, dass die sich von meinen 50 Cent saubere Spritzen holen, oder so. Außerdem fragen die auch immer so nett und sind immer freundlich.
Wurd auch schon auf echt höfliche und zurückhaltende Art und Weise vonälteren Leuten angelabert, ob ichn bisschen Geld hätte- diese Freundlichkeit hat mich so überrascht, dass ich denen gut und gerne "sogar" 2 Euro gebe, dass die sich ne Nacht in den Heimen hier leisten können. Und fallss es gespielt war, denk ich mir, dass diese außerordentliche Leistung ja auch irgendwo belohnt werden sollte.

LG,
Loony. (:

[prinzessin22589]

Wo ich noch s-Bahn Gefahren bin, habe ich auch oft straßenmusikern was gegeben. Aber jetzt mit dem Auto habe ich da nur noch wenig Berührungspunkte. Ich habe allerdings jetzt organisiert, dass die Küche unserer Einrichtung die Lebensmittel von der Tafel abholen läßt und in regelmäßige Abständen gehen wir mit unserem Verbandmaterial zum Hauptbahnhof und kümmern uns um die Wunden, wenn die Leute wollen. Wird auch gern angenommen. Ich denke man kann auch ohne Bargeld helfen. So kommt man dann auch in so manches Gespräch und kann unkonventionell halfen. Wr haben schon so manchem eine postadresse zur Verfügung gestellt. Das war sogar schon für den einen oder anderen der erste Schritt wieder in ein gesellschaftliches leben, da ohne Adresse kein Konto, ohne Konto kein Job ohne Job kein Geld, naja und so weiter halt.

[Genießer]

Servus Aestas,

wow, gutes Post. Respekt, dass du dir Gedanken machst, dein Beitrag zeugt von einer gewissen Größe! Wirklich eine zweischneidige Sache. Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Einerseits will man grundsätzlich helfen, anderseits renne ich ehrlicherweise auch in der Fußgängerzone vorbei an den Bettlern obwohl mich der eine Euro nicht umbringen würde...

LG

[tuutsweet]

Bremen ist ein Dorf und ich kenne meine Spezies.
Es gibt solche , die schnorren , um sich wirklich was zu essen zu kaufen, natürlich gibt es auch diejenigen, die cash für ihren nächsten Koksdruck zusammenschnorren und noch frech werden.
Bei mir kriegt fast jeder, im Rahmen meiner Möglichkeiten und seinem Verhalten.
Man kann Leute nicht von Ihrem Suchtverhalten abbringen, indem ich mir sage , nee der kriegt jetzt nix mehr, der verballert das eh.

Die Rechnung geht nicht auf und wenn schon,wenn ich ihm die vllt fehlenden 2€ nicht zustecke, was was der Geier , was er in seiner Verzweiflung hilflosen Menschen antut.

Immer noch besser zu schnorren , als Omis die Handtasche Klauen.
Gegen einen gutgeplanten nächtlichen Einbruch ist natürlich auch nichts einzuwenden, ich will allerdings nicht zu Brüchen aufrufen, aber wozu gibt es Versicherungen.

"geh arbeiten du Nichtsnutz", da ist vllt auch was dran,wie mein Vater immer zu sagen pflegte, aber auf meine Person kann ich diesen Text nicht beziehen.

Was ich merke , das ich in den letzten 10 Jahre stark abgebaut habe und auch nicht mehr den Drang verspüre, um Teufel komm raus action zu machen , um cash zu organisieren.
Ich werde älter und Prioritäten verschieben sich , was bleibt , ist die Sucht und die finanziellen Probleme.

Man sollte nicht vergessen ,wo man herkommt und solange ein freak mit seinem Becher an der zugigsten U-Bahn Haltestelle rumsitzt, bekommt er auch was, natürlich beobachte ich sein Verhalten und wenn er noch dumme Sprüche auf Lager hat, versuche ich erstmal zu reden, wenn das nicht klappt, verarschen bezüglich meiner Hilfe lasse ich mich bestimmt nicht, zuvor kicke ich ihm den Becher aus der Hand.

lg