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Sabiote555 Platin-User
Anmeldungsdatum: 14.08.2011 Beiträge: 1568
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Verfasst am: 21. Aug 2015 01:02 Titel: |
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Hallo Haschgetüm,
schön, von dir zu hören! Ich bin gespannt auf deine Berichte.
Dass das mit dem Rauchen nicht geklappt hat, ist nicht schlimm. Dann brauchst du es gerade noch - alles gut.
Viele Grüße,
Sabiote |
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Haschgetüm Platin-User
Anmeldungsdatum: 26.03.2015 Beiträge: 2502
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Verfasst am: 22. Aug 2015 15:17 Titel: |
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Sooo, endlich mal alleine im Computerraum und Zeit zum Schreiben.
Am 17.07.2015 begann mein Weg in die Nüchternheit.
Um 09.00 Uhr morgens wurde ich auf der Entgiftungsstation erwartet.
Den Joint davor schlug ich aus, denn wir waren spät dran und ich wollte nicht zu spät kommen - ja auch ein süchtiger Mensch kann mal verantwortungsbewusst handeln.
Wie geplant war ich überpünktlich um 08:45 an der Pforte angekommen. Mein Freund begleitete mich. Mit zwei riesigen Koffern, einer Handtasche und einem Jutebeutel voller Bücher wappnete ich mich für die nächsten Monate.
Ein Pfleger mit Kippe in der Hand begrüßte uns.
"Haben Sie irgendwas dabei was sie nicht haben sollten? Irgendwas, woran wir uns verletzen könnten? Messer, Spritzen...? Falls ja, haben Sie Möglichkeit das jetzt noch abzugeben." Er deutete auf einen Briefkasten, der mit "Drogenuntensilien" beschriftet war.
Ich als Vorzeigedrogi hatte natürlich nichts dergleichen dabei.
Das Gepäck wurde mir abgenommen und zur Durchsuchung auf mein Zimmer gebracht.
Mein Freund und ich wurden zur Aufnahme geleitet, bei der einige Daten aufgenommen und verschiedene Erklärungen unterzeichnet wurden.
Anschließend musste ich mich von meinem Partner verabschieden. Wir würden uns schon in 12 Tagen wiedersehen, also fiel es mir nicht allzuschwer.
Im Anschluss würde ich in die Langzeittherapie gehen, zu der er mich ebenfalls begleitete.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem Stationsarzt, der bei meiner offensichtlichen Gesundheit keine körperliche Untersuchung für nötig hielt, wurde ich dann auch schon auf mein Zimmer geführt. Meine Koffer standen leer in der Ecke, während meine Sachen auf dem Bett verteilt lagen. So wirklich sorgfältig wurde da scheinbar nicht durchsucht, aber man musste ja wenigstens den Anschein wahren. Ich räumte also erst Mal auf. Die Kleidung und Wertsachen in den abschließbaren Kleiderschrank, die Schreibsachen in den Nachttisch. Noch ein paar Tüten Bonbons gegen den Heißhunger. Fertig.
Meine Zigaretten hatte ich nicht dabei. Ich wollte aufhören mit Rauchen, denn auch das war eine Sucht - meine stärkste von allen. Ansonsten war ich abhängig von THC und Amphetaminen und es gab zusätzlich Tendenzen einer Essstörung. Ich ließ mich auf Reduktionskost einstellen, da ich Angst hatte an Gewicht zuzulegen.
Ich erkundete die Station und stellte erfreut fest, dass es eine kleine Terrasse mit Garten gab. Na, das war doch schon fast wie Urlaub hier.
Nach und nach stellten sich mir die anderen Patienten vor. Die meisten entzogen von Heroin, Pola, Metha und / oder Alkohol. Nur 1-2 andere waren ebenfalls "lediglich" Amphetaminsüchtig. Einer war auf Kräutermischungen.
Ich saß ca. 7 Stunden zwischen Rauchern, bis ich mir die erste Kippe schnorrte. Es war einfach nicht auszuhalten.
Die Lebensgeschichten der Patienten drehten sich um Sucht, Prostitution, Dealerei, Knast und Selbstverletzung. Affig sein, Gerichtstermine, Abbrüche. Eine Schlägerei und mehrere Diebstähle.
Leider Gottes passierte es mir nach wenigen Tagen, dass ich versehentlich meinen Schlüssel an der Schranktür im Zimmer stecken ließ. Ich bemerkte nach ca. 1 Stunde, dass mein gesamtes Bargeld, also ca. 460 Euro, aus meiner Handtasche verschwunden waren. EC- und Kreditkarten waren hingegen noch da. Ich heulte, ich schrie, dann rief ich die Polizei an.
Es dauerte ca. 2 Stunden bis 2 Beamte in Uniform auf Station eintrafen.
Kein Lächeln, keine Begrüßung.
Sie nahmen den Sachverhalt auf und fragten nach Verdächtigen.
"Warum sind Sie denn überhaupt hier? Zur Entgiftung?"
"Ja."
"Aha. Von was entgiften Sie denn?"
"Spiel das jetzt irgendeine Rolle?"
"Nein. Entgiften Sie von Alkohol oder BTM?"
Was sollte das denn jetzt?
"Ähm, von BTM. Die meisten hier entziehen von BTM."
Hatte ich nun etwas verraten, was ich nicht hätte tun sollen? Ich war verunsichert.
Die Beamten unterhielten sich anschließend kurz mit den Pflegern und dann war die Sache auch schon abgehakt.
Wie genau kam ich jetzt noch mal drauf, dass die Polizei da helfen könnte? Ich wusste es doch eigentlich besser...
Liebenswürdiger Weise legten einige Patienten für mich zusammen, damit ich mir wenigstens ein Päckchen Tabak kaufen konnte.
Da ich genug Bonuspunkte gesammelt hatte, durfte ich abends ein Telefonat führen, rief meinen Freund an und bat ihn darum, mir Bargeld vorbei zu bringen, sodass ich schon am nächsten Tag wieder flüssig war. Dennoch ärgerlich. Sonderbarer Weise war ich nur kurz verstimmt. Ich war sogar ungewöhnlich gut drauf danach. Das Adrenalin gab mir einen gehörigen Kick und ich hatte den Rest des Tages richtig gute Laune.
Nach weiteren 7 Tagen war es dann geschafft. Ich durfte die Station verlassen und war nun entgiftet. Juhu.
Ich bestellte mir ein Taxi zum Bahnhof. Dort traf ich mich mit meinem Freund. Es war ein sehr herzliches und rührendes Wiedersehen. Was 2 Wochen ausmachen können...
Gemeinsam fuhren wir die 6 Stunden Richtung Schwarzwald zur Suchtklinik. Wir überlegten kurz, es im Zug zu treiben, aber die Toilette war dann doch nicht romantisch genug. Wir würden wohl noch etwas warten müssen.
In der Suchtklinik angekommen, wurden wir von mehreren Patientinnen herzlich begrüßt. Erst Mal ein Käffchen. Nett.
Auf den ersten Blick war die Landschaft traumhaft und die Klinik sehr neu und modern. 2010 erbaut machte alles einen recht netten Eindruck.
Hier wurden die Koffer nicht durchsuchst. Man brachte sie gemeinsam mit mir auf mein Zimmer, dass ich mir mit einer Mitte 40ig jährigen Speedsüchtigen teilen sollte. Nach 2-3 Wochen würde mir ein Einzelzimmer zugeteilt werden. Echt nett.
Wieder ein Aufnahmeprozedere. Handy abgeben. Medizinische Untersuchung. Blutabnahme. Uk-Abgabe.
Interessanter Weise war ich immer noch positiv auf Amphetamin. Oh Mann. 1 Tag vor Antritt der Entgiftung hatten wir uns noch eine Kapsel eingeschmissen mit medizinischem und retardiertem Stoff. Der Scheiss war wohl ganz schön lange im Körper. Naja, war nicht weiter wichtig.
Die ersten 3 Wochen handelte es sich um die Eingewöhnungsphase. Telefon hatte man zwar auf dem Zimmer, das Handy jedoch blieb verschlossen. Erst in der dritten Woche durfte man in Begleitung das Gelände verlassen, jedoch nur in unbebauter Landschaft. In der Nähe gab es einen See in dem man schwimmen konnte. Die Stadt durfte man erst in der 5. Woche besuchen, ab der 6. Woche dann in Begleitung.
Ich bin nun in der vierten Woche. Mittlerweile habe ich ein schönes Einzelzimmer und verschiedene Therapien, die ich besuche.
Kunsttherapie, Arbeitstherapie, Reittherapie, Theatergruppe, Sporttherapie, Bogenschießen, Computerkurs für Fortgeschrittene.
Am Wochenende vertreibe ich mir die Zeit mit lesen, schreiben, unerlaubter Weise Kaffee trinken.
Im Ergoverkauf erstand ich verschiedene Dinge für die Selbstbeschäftigung. Seidenmalereikram, ein Kratzbild, eine Schachtel zum Bemalen.
Ich krieg die Zeit ganz rum soweit und kann sagen:
Nüchternheit tut gut.
Mein Geist ist ruhiger.
Meine Träume sind friedlicher.
Die Flashbacks haben aufgehört.
Es ist Tag 36 - es geht mir gut. |
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ast Foren-Guru
Anmeldungsdatum: 14.03.2012 Beiträge: 3321
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Verfasst am: 22. Aug 2015 17:07 Titel: |
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hi Getüm,
schön, dass Du die Therapie genauso genießen kannst, wie vorher das Draufsein
allein die Erfahrung, dass das Leben 'ohne alles' schöner und ausgeglichener sein kann, als mit 'technischen Hilfsmitteln', ist schon was wert...
in diesem Sinne,
viel Spaß noch in der Resttherapie,
ast |
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Quasimodus Platin-User
Anmeldungsdatum: 04.02.2015 Beiträge: 1803
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Verfasst am: 22. Aug 2015 19:44 Titel: |
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hey H_getüm,
auch von mir ein chapeau.
Freut mich für dich , du hast es durchgezogen, nur das zählt.
Nun gehts erstmal richtig los, stürz dich ins Leben, du kannst alles erreichen , wenn du es willst.
viel Erfoooooolg
lg |
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gina41 Silber-User
Anmeldungsdatum: 26.05.2015 Beiträge: 111
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Verfasst am: 22. Aug 2015 23:10 Titel: |
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Schließe mich den beiden vorrednern an,kannst dir vieles nützliche aus der thera mit nach draußen nehmen. Mach weiter so,schön das du dich dort wohl fühlst,sei stolz auf dich.
Es grüßt gina |
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dakini Foren-Guru
Anmeldungsdatum: 07.04.2015 Beiträge: 3361
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Verfasst am: 23. Aug 2015 10:31 Titel: |
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Haschgetüm, Du sonniges Gemüt!
Wie schön, von Dir zu lesen, da bekommt man ja fast selbst Lust, sich noch mal ein Therapiechen zu gönnen:)
Bis auf den Klau in der Entgiftung. Aber ja, Du bist auf Deinem Weg, stimmig im Ganzen, warum sollte man sich da übermäßig über geklautes Geld aufregen, auch, wenn es nicht wenig war?
Nach Karin gestern bist Du die 2.cleane Stimme zum richtigen Zeitpunkt! Umzug ist geschafft,während dessen hatte ich Spaß beim Schreiben hier. Bin nun beim eher pratkischen angekommen, auch, weil ich nicht mehr nur umziehe,sondern wieder Raum für anderes habe und damit auch, die Krümel weniger werden zu lassen.
Atemübungen morgens im Garten auf ner Yogamatte, outdooraktionen. Wieder mit Freunden telefonieren. Mehr mit Leuten treffen steht noch an, bin ja recht zurück gezogen und mache gern viel allein. Mein erstes Date hab ich mit einem leicht durch geknallten Stylisten, den ich vor einigen Wochen in Venlo kennen lernte (no hard drugs) Mein Freund spielt gerade die Amme für seinen Freund, der ne Frau sucht. Die beiden wollen einen Tanzkurs besuchen, ich hab mich weg geschmissen vor lachen bei der Vorstellung, find es aber nett, grins.Er arbeitet viel, was ihn liebenswürdig macht, ist ja nur draußen dabei. Stimmung zwischen uns ist schön. So gerade der Stand der Dinge. Mich aufs schreiben konzentrieren, fällt bald weg, vermutlich werde ich mich dann aufs jammern hier verlegen, grins...auf jeden Fall könnte es zeitlich hin kommen, wir werden sehen..
Oh, Computerkurs, den könnte ich brauchen. Was für ein schönes Angebot! Ich freu mich für Dich, liest sich richtig gut, auch schöne Stimmung mit Deinem Freund. Ein Juhu, oder?
Es ist so klasse, dass Du gut gelandet bist! Das passt richtig zu Deiner frischen Offenheit Außerdem wünsch ich Dir, dass Du raus ziehst, was Du gebrauchen kannst, aber das wirst Du ja so wie so |
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Haschgetüm Platin-User
Anmeldungsdatum: 26.03.2015 Beiträge: 2502
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Verfasst am: 23. Aug 2015 19:37 Titel: |
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Danke ihr Lieben.
Ja dakini, wir haben ja den gleichen Zeitplan, hatten wir ja schon festgestellt... ich plane gegen Mitte Dezember wieder zu Hause zu sein , und hoffe ich kann an meiner Einstellung festhalten.
Ich schreibe täglich (fast) Tagebuch, um meine Eindrücke festzuhalten - ohne Schreiben geht bei mir ja sowieso nix.
Schön, dass es dir gut geht und du auch mit deinem Freund im Reinen zu sein scheinst...
Ich drück uns beiden die Daumen |
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