hört ihr das flüstern?

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holgerus
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Anmeldungsdatum: 12.05.2010
Beiträge: 50

BeitragVerfasst am: 26. Mai 2010 11:05    Titel: hört ihr das flüstern? Antworten mit Zitat

spätestens als klar war,das ich voll drauf war,aber auch schon vorher und hinterher sowieso immer wieder mal,bekam ich von meiner familie,von bekannten,verwandten,komilitonen,freunden,kollegen usw. im regelmäßigem abstand zu hören:das ich doch aufhören soll mit dem scheiß,ich würde mir mein ganzes leben damit und dadurch nur versauen,ich hätte doch soviel drauf und gerade DAS doch überhaupt nicht nötig etc.pp.;aus höflichkeit,um nett zu sein und um mein gegenüber nicht vorm kopf zu stossen,hörte ich es mir immer wieder an,ich stand rede und antwort,aber war dabei nicht wirklich beteiligt;oftmals hörte ich mir sowas auch an und fühlte mich dabei prostituiert,weil es nach dem gespräch ein paar scheine gab,also hatte ich mir das -als gegenleistung- auch anzuhören;wie es noch ganz zu anfang war,weiß ich jetzt schon garnicht mehr genau,ich weiß aber:dadurch das ich es mir immer und immer wieder anhören musste,stumpfte ich mit der zeit ab,ich wurde immun dagegen,das gerede -so gut es auch gemeint war- kam bei mir nicht mehr an,es war mir gleichgültig;ich fühlte mich dabei wie in einer messe,pastorale ansprachen die ich mit einem müden gähnen quitierte.
ganz anders dagegen jemand den ich zuvor schon eine geraume zeit lang kannte,ich rief wie schon sooft zuvor seine frau an,damit sie mich mal wieder aus einen finanziellen engpass befreit,diesmal aber wollte er mich noch kurz sprechen und er sprach in der tat mit mir,aber fraktur,das heißt,am telefon schmiss er mir meine ganze erbärmlichkeit an den kopf,er sagte mir ganz offen was ich für ein arsch bin und wie sehr meine familie unter mich und meiner sucht leidet,das er am liebsten jetzt zu mir kommen würde,um mir mal richtig in die schnauze zu hauen,in diesem ton ging das noch eine ganze zeit lang weiter;ich fühlte aber nicht nur wie wütend er auf mich war,sondern hörte auch seine sorge heraus,und tatsächlich:alles was er mir sagte,kam ungefiltert bei mir an,er ist zu mir durchgestossen,er hat mich erreicht und mir kamen noch während des telefonats die tränen,weil er mir mein leben gezeigt hat und das in aller deutlichkeit;und das -für mich unglaubliche traf ein-,am nächsten tag habe ich angefangen nichts mehr zu nehmen,ich habe zuhause kalt entzogen und habe es dann auch für einige monate geschafft nichts mehr anzupacken.
mich würde jetzt interessieren,ob ihr schon einmal sowas ähnliches erlebt habt und ob ihr die "leisen töne" überhaupt noch wahrnimmt?
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Sienna
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Anmeldungsdatum: 31.08.2009
Beiträge: 1986

BeitragVerfasst am: 26. Mai 2010 15:55    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo holgerus,
ich glaube, dass der Effekt des "Wachrüttelns" nicht unbedingt lautstärkebedingt sein muss. Wer am lautesten schreit, hat ja noch lange nicht recht.
Vielleicht war es bei deinen Verwandten/Bekannten einfach so, dass sie die Appelle wie Floskeln ausgedrückt haben. Von wegen: hör endlich auf mit den bösen Drogen, du landest noch in der Gosse.
Solche Sprüche sind der Standard, und gerade das würde mich daran stören (ja soetwas bekommt man als Junkie oft und gerne zu hören, ist aber auch bequemer, als jemandem richtig zuzuhören und auch mal nach seinen Problemen und Emotionen fragen). Bequem ist es allemal, aber leider gerade weil es standard ist, kommt es sehr unpersönlich rüber. So nehme ich das jedenfalls wahr.
Das "warum" dieser Leute wird mir nicht klar, wo liegt ihre Intention?! Sagen sie es nur aus reiner Höflichkeit, weil die Gesellschaft es von ihnen erwartet, oder weil sie ein Helfersyndrom haben? Aber wer interessiert sich wirklich für meine Probleme? Wer geht individuell auf mich ein und rasselt nicht bloße Floskeln herunter? Es ist doch offensichtlich, dass ich einer Person mit Authentizität mehr Glauben schenke, als so jemandem...

Nur meine 2 pfennig.
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Trope
Anfänger


Anmeldungsdatum: 24.03.2010
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 2. Jun 2010 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

Sienna, ich verstehe wie Du das meinst. Ich denke niemand sagt Dir irgendwas weil es die Gesellschaft erwartet. Mit Helfersyndrom wird das wohl auch nix zu tun haben. Viel mehr wissen sie vielleicht gar nicht damit umzugehen? Und geben die Floskeln weiter die sie schon mal gehört haben, um überhaupt etwas zu sagen. Ich finde ihre Sorge drücken sie damit trotzdem aus. Wem ihr egal seit gibt sich gar nicht erst die Mühe Floskeln abzuwerfen. Warum auch?

Mich würde es grenzenlos überfordern einen Süchtigen um mich zu haben. Das ist nicht schön aber die Wahrheit. Ich könnte niemals damit umgehen, es würde mich zu sehr belasten. Wenn Du möchtest das sich jemand Deine Probleme anhört, gehört von Dir der erste Schritt gemacht. Man darf niemals erwarten dass die Leute nur auf einen zukommen, und ist dann aber "beleidigt" wenn sie nicht das Richtige sagen. Es ist eben nun mal keine Selbstverständlichkeit das einem zugehört wird und viele Menschen rennen weg vor der Belastung/ Verantwortung die dadurch auf sie zukommt.
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Sienna
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 31.08.2009
Beiträge: 1986

BeitragVerfasst am: 2. Jun 2010 13:04    Titel: Antworten mit Zitat

Trope hat Folgendes geschrieben:
Wem ihr egal seit gibt sich gar nicht erst die Mühe Floskeln abzuwerfen. Warum auch?

Das ist so eine Sache. Warum befolgt man Werte und Normen, die eigentlich auch freiwillig sind? Beispiel: Man unterhält sich kurz mit einem Nachbar und fragt ihn aus Höflichkeit, wie es ihm geht. Smalltalk nennt man das. Aber interessiert es mich wirklich, was er mir erzählt? Würde es mich interessieren, wenn er mit mir über seine Eheprobleme spricht? Wohl eher nicht. Man muss die Situation erkennen und merken, was in einen Smalltalk gehört und was ein No-Go ist.
In diesem Fall geht es ja konkret um Freunde und Verwandte. Ich denke schon, dass da vieles aus reiner Höflichkeit, aus Anstand gesagt wird.
Ich meine, interessieren sich die Leute, die einmal im Jahr einer Hilfsorganisation einen Betrag spenden, wirklich für das Schicksal der Menschen? Oder wollen sie vielleicht nur ihr eigenes Gewissen befriedigen? Man kann sich auf die Schulter klopfen und stolz sein, dass man so ein großzügiger und anständiger Mensch ist, der den Armen Geld spendet. Beziehungsweise der sich für die Probleme der Süchtigen interessiert.
Ich will damit keinem unterstellen, ausschließlich aus solchen Gründen zu handeln. Es gibt bestimmt auch einige Menschen, die sich wirklich für etwas einsetzen. Nur einmal im Jahr spenden oder einmal einen gutgemeinten Spruch zu sagen ist für mich eher scheinheilig. Deshalb kann ich Floskeln nur als leere Worte ansehen.

Du hast aber sicher recht, dass viele Leute nicht wissen, wie sie mit Süchtigen umgehen sollen. Nur wenn der Person WIRKLICH etwas an mir liegt, dann macht sie sich die Mühe und beschäftigt sich mit der Thematik, versucht, mir in allen Lagen beizustehen. Meinst du nicht, man macht es sich etwas einfach, wenn man von vorne rein Hemmungen im Umgang mit Junkies hat? Klar, erwarten kann man diese Hilfe nicht. Aber was kann man schon mit Garantie erwarten, im Leben, außer den Tod?!

Grüße[/i]
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Trope
Anfänger


Anmeldungsdatum: 24.03.2010
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 2. Jun 2010 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

Ich kann nicht mit Dir übereinstimmen.

Zitat:
In diesem Fall geht es ja konkret um Freunde und Verwandte. Ich denke schon, dass da vieles aus reiner Höflichkeit, aus Anstand gesagt wird.


Wenn Du wirklich Freunde meinst (und nicht die Masse Bekannte die man so hat) dann geh ich da nicht mit. Meine wenigen wirklichen Freunde achten nicht auf Höflichkeit und Anstand wenn sie mir den Kopf waschen müssen. Sie achten lediglich auf den Ton. Sie sind interessiert daran dass sich für mich was ändert. Wichtig ist das sie zuhören. Wie sie letztendlich agieren kann ich so nicht bewerten. Wenn ich bestimmte Sätze erwarte muss ich mit mir selber reden.
Vielleicht wollen sie Dich aber auch nicht verletzen. Es tut weh Sätze zu hören "Du bist ein Versager, Du bist Schuld dass Deine Mutter den ganzen Tag weint, Du bist ein verdammter Nichtsnutz..." was auch immer. Außerdem gehört Mut dazu. Und die eigene Ohnmacht gegen die Sucht des Betroffenen muss überwunden werden. Jedem ist klar, dass der Betroffene nur selber da raus kommt. Und alles was ihr hören wollt wisst ihr selber.

Und:
Lieber einmal im Jahr für eine Hilfsorganisation spenden als gar nicht. Wenn ich mit einer Spende mein Gewissen beruhige ist daran nichts verkehrt. Den Hilfsbedürftigen ist es sowieso gleich aus welchem Anlass die Spende erfolgte, hier zählt nun wirklich nur was bei rauskommt. Ein Mensch der sich täglich gedanklich mit dem Leid der Hilfsbedürftigen auseinandersetzt hilft leider auch niemanden. Mitleid ist immer fehl am Platz, das hat keinen Nutzen. Die Handlung/ die Spende ist wertvoll.
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Sienna
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Anmeldungsdatum: 31.08.2009
Beiträge: 1986

BeitragVerfasst am: 2. Jun 2010 15:18    Titel: Antworten mit Zitat

Naja, was heißt Freunde? Mensch hat doch häufig einen gewissen großen Freundeskreis, wo dann nicht nur die engsten und vertrautesten Freunde drunter fallen. Bei Letzteren sollte schon ein ernsteres, tiefgründiges Gespräch Standard sein. Freunde sind schließlich dazu da, sich die Probleme ihrer Freunde anzuhören und zu helfen. Das gilt meiner Meinung nach auch für Drogensucht. Sie sollten auch, wenn ihnen etwas auffällt, die Person direkt darauf ansprechen und nicht erst warten, bis derjenige eventuell selbst Redebedarf hat. Das ist nämlich bei Süchtigen sehr selten der Fall.
Ich bezog mich aber eher unter die Bekannten: Die Leute, die glauben, einen zu kennen, und doch immer nur die halbe Wahrheit wissen. Dazu gehört (für mich) auch (meine) Verwandtschaft.
Ich merke schon, wir kommen auf keinen gemeinsamen Nenner.

Übrigens geht es mir nicht darum, jemanden zu haben, der mir den Kopf wäscht. Sondern bloß, dass mich ein Freund unterstützt, mir zuhört, für mich da ist. Gerade deshalb wirken Floskeln wie "du musst von den Drogen wegkommen" so hohl. Weiß ich doch alles selbst. Oder beziehungsweise wusste ich. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich mich immer auf ein paar Personen verlassen konnte. Viele ach so tolle Freunde wenden sich ab, wenn man plötzlich ein ernsteres Problem hat, als sich Gedanken über die nächste Party zu machen.

Wenn ich mit einer Spende mein Gewissen beruhige ist daran nichts verkehrt
Das sehe ich anders. Wenn die einzige Intention zu spenden dabei liegt, sein Gewissen zu beruhigen, kann man sich das Geld auch sparen. Erstens wird es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, wenn es denn zweitens überhaupt ankommt. Es geht doch vielmehr um das Prinzip. Manche Leute interessieren sich nicht mal im Geringsten für die Menschen (oder Tiere), denen das Geld zugute kommt. Solche "Gewissens-Spender" und die "Wir spenden, weil sich das so gehört"- Partei sind in meinen Augen nur scheinheilig. Es geht dabei auch nicht um Mitleid, sondern darum, sich lediglich die Missstände bewusst zu machen und darüber nachzudenken, anstatt kopflos einen Betrag zu überweisen.
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Trope
Anfänger


Anmeldungsdatum: 24.03.2010
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 2. Jun 2010 23:59    Titel: Antworten mit Zitat

Stimme vollkommen mit Dir überein, was ein Freund muss und was nicht.

Aber wie Du selber schreibst: Floskeln ala "Du musst von den Drogen wegkommen" sind hohl, denn das weißt Du selber. Das was Holgerus aufgezählt hat, diese ganzen "Beschimpfungen", weißt Du aber auch selber. Und wenn Bekannte Dir Floskeln um die Ohren hauen, Du aber weißt, sie wissen sowieso nur die halbe Wahrheit ist es ja auch Deine Schuld.

Was wäre Dir denn lieber: Die Floskel-Laberer sagen gar nichts oder rattern eben doch ihre fertigen Satzteile runter? Und wenn man so genervt ist kann man ja auch geradeaus sagen "Halts Maul, Deine Scheiße bringt mir gerade überhaupt nichts." Dazu gehört eben auch Mut jemanden so vor den Kopf zustossen, genauso wie es Mut bedarf Dir die komplette Wahrheit an den Kopf zu hauen. Das kann nicht jeder und soll auch nicht jeder.

Den meisten Menschen will man sich auch gar nicht öffnen, deswegen reicht es vollkommen aus, wenn sie ihre Floskeln runtersabbeln. Und der wirkliche Freund ist für Dich da. So wie Du schreibst es auch erlebt zu haben.

Im übrigen würde ich meinen Bekanntenkreis deswegen nie als meine Freunde bezeichnen, weil man in der Not eben merkt wer da ist und wer lieber feiern geht. Für mich hat das Wort Freund eine große Bedeutung, wenn ich jemanden als meinen Freund anerkenne hat das Wert.

Und zu den Gewissens-Spendern: Auch kleine Tropfen auf den heißen Stein bewirken etwas, hier macht es die Masse. Ich kann mir 10 Jahre lang die Missstände bewusst machen, aber helfen tut das gar nichts. Wie oft im Jahr spendest Du denn? Und wie oft im Jahr zerbrichst Du Dir den Kopf über hungernde Kinder?
Du schreibst "...wenn das Geld denn zweitens überhaupt ankommt." Das ich total ergriffen bin von den Ungerechtigkeiten auf der Welt ist kein Indiz dafür, ob das Geld denn dann auch tatsächlich ankommt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich kann es nur wiederholen: Die Gewissensspender helfen weinigstens, die Kopfzerbrecher sind nutzlos. Einer Organisation ist es egal woher das Geld kommt, wichtig ist, dass es kommt.
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veilchenfee
Foren-Guru
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Anmeldungsdatum: 18.12.2009
Beiträge: 4072

BeitragVerfasst am: 3. Jun 2010 09:49    Titel: Antworten mit Zitat

Mir hat überhaupt nie jemand Moralpredigten gehalten, als ich drauf war. Meine Familie sagte nichts, weil Eigenverantwortung bei uns stets groß geschrieben wurde. Demnach gab es nichts zu sagen. Als Gegenleistung habe ich aber auch von meiner Familie nichts erbeten oder eingefordert. Niemals hätte ich um Geld oder sonstige Unterstützung gebettelt. Als ich dann irgendwann wieder zurechnungsfähig war, ging alles "normal" weiter.

Meine Freunde haben sich in meiner schlimmen Zeit von mir abgewandt, was mir aber nur recht war. In meinem Zustand brauchte ich keine Freunde. Als ich wieder bei mir war, habe ich angerufen und die Freunde haben einem unverbindlichen Treffen zugestimmt. Schnell war ihnen klar, dass man wieder mit mir rechnen kann und alles normalisierte sich.

Ich habe es als sehr angenehm empfunden, nicht zugelabert zu werden und es hat das Clean-werden einfacher gemacht. Ich wurde ausschließlich für mich clean, nicht für andere. Heute ist mir klar, welche Selbstbeherrschung das gerade meine Mutter gekostet haben muss und ich bin ihr äußerst dankbar dafür.

Es lebe die Eigenverantwortung!
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Sienna
Platin-User
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Anmeldungsdatum: 31.08.2009
Beiträge: 1986

BeitragVerfasst am: 3. Jun 2010 12:56    Titel: Antworten mit Zitat

Trope hat Folgendes geschrieben:

Und wenn Bekannte Dir Floskeln um die Ohren hauen, Du aber weißt, sie wissen sowieso nur die halbe Wahrheit ist es ja auch Deine Schuld..

Wie du richtig erkannt hast, möchte man sich vielen Menschen nicht vollkommen öffnen, da das Vertrauen einfach nicht vorhanden ist. Man muss solche privaten Probleme wie Drogensucht ja nicht offen in die Welt posaunen, es reicht, wenn es die Leute wissen, die es auch wirklich wissen müssen.

Trope hat Folgendes geschrieben:
Die Floskel-Laberer sagen gar nichts oder rattern eben doch ihre fertigen Satzteile runter? Und wenn man so genervt ist kann man ja auch geradeaus sagen "Halts Maul, Deine Scheiße bringt mir gerade überhaupt nichts." Dazu gehört eben auch Mut jemanden so vor den Kopf zustossen, genauso wie es Mut bedarf Dir die komplette Wahrheit an den Kopf zu hauen. Das kann nicht jeder und soll auch nicht jeder.


Ja, mir wäre es lieber, sie sagten gar nichts. Wem bringt dieses Rumgelaber bitte etwas, außer ihnen? Ich habe schon oft erkennen müssen, dass viele Wörter schlichtweg ihrem Gewissen gedient haben. Die hätten sie sich dann auch getrost sparen können. Diese Leute haben dann bei mir an Achtung verloren. Und es kam auch das eine oder andere Mal vor, dass ich ihnen auf den Kopf zugesagt habe, was ich davon halte. Bin ein direkter Mensch. Aber wie holgerus schrieb will man den Leuten in manchen Fällen auch nicht vor den Kopf stoßen und höflich zu ihnen sein.

Trope hat Folgendes geschrieben:
Und zu den Gewissens-Spendern: Auch kleine Tropfen auf den heißen Stein bewirken etwas, hier macht es die Masse. Ich kann mir 10 Jahre lang die Missstände bewusst machen, aber helfen tut das gar nichts. Wie oft im Jahr spendest Du denn? Und wie oft im Jahr zerbrichst Du Dir den Kopf über hungernde Kinder?
Du schreibst "...wenn das Geld denn zweitens überhaupt ankommt." Das ich total ergriffen bin von den Ungerechtigkeiten auf der Welt ist kein Indiz dafür, ob das Geld denn dann auch tatsächlich ankommt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich kann es nur wiederholen: Die Gewissensspender helfen weinigstens, die Kopfzerbrecher sind nutzlos. Einer Organisation ist es egal woher das Geld kommt, wichtig ist, dass es kommt.

Man soll ja auch beides machen, spenden UND darüber nachdenken, wohin das Geld geht. Es gibt im Übrigen viele, sehr viele, unseriöse Organisationen, die sich die Beträge in die eigene Tasche stecken. So jemanden braucht wirklich kein Mensch unterstützen.
Sicher kann man nicht die ganze Welt retten, das verlangt ja auch niemand. Kopfzerbrecher sind soweit nicht nutzlos, da sie sich wenigstens Gedanken zur Veränderung machen. Wo wären wir hingekommen, wenn es stets nur Mitläufer, Ja-Sager und Resignierer gegeben hätte?

Um sich zu engagieren braucht man noch nicht mal Geld zu spenden. Es gibt andere Alternativen, die oft verlässlicher und hilfreicher sind. Anstatt einer Tierschutzorganisation Geld zu spenden (was natürlich auch nicht verkehrt ist!), könnte man zum Beispiel einen Hund oder eine Katze aus einem armen Land bei sich aufnehmen. Wenn ich sehe, wie schlecht gerade Tiere in südeuropäischen (!) Ländern behandelt werden, könnte ich mich schon wieder aufregen...
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MrSauber
Bronze-User
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Anmeldungsdatum: 17.04.2010
Beiträge: 42

BeitragVerfasst am: 13. Jun 2010 08:16    Titel: Antworten mit Zitat

Ich höre oft nur die eine Version der Story.
H
Was ist denn mit den Leuten, die wirklich helfen wollen, aber ihr Leben nicht auf das das "Verstehen" eines Junkies komplett umgestellt haben?

Es ist doch so: Du gehst ohne Schuhe im Winter raus und wirst krank.
Was ist die Aufgabe eines Menschen, der dir helfen will? Ja, dich "reinbringen" und dir helfen, wieder gesund zu werden.

Der denkt doch nicht im ersten Moment daran, WARUM du aus dem Haus barfuss rausgehst. Das kann doch 1000 verschiedene Gründe haben!

Also ists vielleicht erstmal wichtig, dass der entzieht, sich wirklich öffnet.
Nicht im Sinne, dass man den anderen als Urinal für die eigene Seele benutzt (zu klischeehaft), sondern dass man sendet um DANN zu empfangen.

Wenn "Standard-Floskeln" kommen, dann kommen sie von drei Gruppen von Menschen:
a.) die, die einfach irgendetwas sagen wollen, um Interesse zu sugerieren/vorzutäuschen
b.) die, die Helfen wollen, aber sich der Problematik garnicht bewusst sein oder sogar garnicht bewusst sein WOLLEN
c.) die, die wirklich Helfen wollen und es ernst meinen und einfach einen gemeinsamen Nenner suchen

Man sollte sich nur wirklich mit der Gruppe C befassen und sich denen öffnen, weil diese einfach zu erkennen sind: egal aus welchen Gründen, sie bleiben. Darum geht es nur: sie müssen bleiben WOLLEN. Und sie gehen den Weg mit. Das mag die Familie sein, Freunde oder ein Mensch der dich liebt.

Die anderen springen schnell ab und sind aus dem Sichtfeld weg; warum soll man an die Energie verschwenden?
Wenn man ein Junkie ist und es nicht mehr sein will, dann sollte man den Menschen kennenlernen, der eine/-n begleitet.
Es ist schwer, da Junkies oft emotional verarmt sind, da ihre Gefühle betäubt und ihr Leben verwirrt ist. Verwirrt, im Sinne dass alle Aspekte des Lebens (des äusserlichen und innerlichen) um die Sucht als Mittelpunkt umwickelt, damit verwoben und verworren, sind.

Da steigen andere Junkies auch nur oberflächlich durch (und da entsteht dann sofort leider das Gefühl "ach ja, der benutzt den gleichen Slang wie ich, oh mein Gott, der kennt mich ja so gut", halt Klischee Laughing), wie soll da jemand wirklich "Anker legen können", der vielleicht zum ersten mal im Leben mit diesem Menschen soviel und so intensiv Zeit verbringt?

Wenn man "professionell" drogenabhängig ist, können einem da nur "professionelle Junkieversteher" (Ärzte/Psychologen/Therapeuten,etc...) wirklich helfen? Ja, was das erkennen von Pattern und Klischees angeht (und wie man diese bricht/entlarvt) schon. Und vielleicht gelingt einem dann selbst sich auf "Gruppe C" zu konzentrieren und mit diesem Menschen den Weg zu gehen. Dieser Mensch setzt sich mit dir UND deiner Sucht auseinander; es ist das mindeste an Respekt für den, der dir dieses Geschenk macht, dass du selber die Hand ausstreckst, dich öffnest und vertraust.

Das ist dann auch kein Therapeut, den man vor sich hat, sondern jemand, der MIT dir für eine Sache kämpft. "Standardfloskel" und Klischee wäre nur zu denken und zu sagen: "Du, ich schaff das schon selbst und brauche keine Hilfe!". Das sagen die meisten erst wieder, wenn sie fit genug sind, um wieder konsumieren zu können.

Wie gesagt, die andere Seite der Medaille.
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spiegel
Anfänger


Anmeldungsdatum: 06.07.2010
Beiträge: 3

BeitragVerfasst am: 6. Jul 2010 20:21    Titel: Antworten mit Zitat

Hey...

Also i gehöre wohl zur Gruppe c). Ich bin 19 Jahre alt und habe seit nun fast 4 Jahren einen Freund der seit 3 Jahren regelmäßig (fast jeden Tag) Heroin konsumiert. Und seitdem ich das weiß, versuche ich für ihn da zu sein und ihm zu helfen (ich selber nehme gar nichts). I habe echt alles getan was in meiner Macht stand nur es hat alles nichts geholfen und bin nun am Ende meiner Kräfte, da auch unsere Beziehung im Allgemeinen sei darunter leidet.

Lieber MrSauber ich gehe den Weg nun schon eine Zeit mit, nur ich merke, dass ich es mich kaputt macht. Ich habe vor einiger Zeit sogar begonnen mir selbst weh zu tun, wofür ich lieder selber keine loische Erklärung habe. Ich lebe nun schon zu lange an meinen Grenzen. Ich liebe meinen Freund...wie gesagt, sonst wäre wahrscheinlich auch ich schnell abgesprungen. Nur wir stehen nun wirklich am Ende unserer Beziehnung, weil ich einfach nicht mehr kann und weil ich leben will. Wie soll ich sagen...ich bin in einem Zwiespalt. Einerseit möchte ich mit ihm zusammensein, weil ich ihn liebe und weil es natürlich auch schöne (nüchterne) Tage in unserer Beziehung gab, doch andererseits gibt es viel zu wenig dieser Tage und bin einfach nur verzweifelt,weil das Heroin, das er nimmt, auch mich zerstört.


Zusätzlich habe ich hier, wo ich wohne, beobachtet, dass eine Beziehung, in der einer konsumiert, nur dann funktioniert, wenn der andere auch damit anfängt. Das ist arg.


...gruß
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MrSauber
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 17.04.2010
Beiträge: 42

BeitragVerfasst am: 6. Jul 2010 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

spiegel hat Folgendes geschrieben:
Hey...

Also i gehöre wohl zur Gruppe c). Ich bin 19 Jahre alt und habe seit nun fast 4 Jahren einen Freund der seit 3 Jahren regelmäßig (fast jeden Tag) Heroin konsumiert. Und seitdem ich das weiß, versuche ich für ihn da zu sein und ihm zu helfen (ich selber nehme gar nichts). I habe echt alles getan was in meiner Macht stand nur es hat alles nichts geholfen und bin nun am Ende meiner Kräfte, da auch unsere Beziehung im Allgemeinen sei darunter leidet.

Lieber MrSauber ich gehe den Weg nun schon eine Zeit mit, nur ich merke, dass ich es mich kaputt macht. Ich habe vor einiger Zeit sogar begonnen mir selbst weh zu tun, wofür ich lieder selber keine loische Erklärung habe. Ich lebe nun schon zu lange an meinen Grenzen. Ich liebe meinen Freund...wie gesagt, sonst wäre wahrscheinlich auch ich schnell abgesprungen. Nur wir stehen nun wirklich am Ende unserer Beziehnung, weil ich einfach nicht mehr kann und weil ich leben will. Wie soll ich sagen...ich bin in einem Zwiespalt. Einerseit möchte ich mit ihm zusammensein, weil ich ihn liebe und weil es natürlich auch schöne (nüchterne) Tage in unserer Beziehung gab, doch andererseits gibt es viel zu wenig dieser Tage und bin einfach nur verzweifelt,weil das Heroin, das er nimmt, auch mich zerstört.


Zusätzlich habe ich hier, wo ich wohne, beobachtet, dass eine Beziehung, in der einer konsumiert, nur dann funktioniert, wenn der andere auch damit anfängt. Das ist arg.


...gruß


Ich verstehe Dich vollkommen. Fühle auch mit, aber Du LEIDEST mit.
Der Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid(en).

Wie Du schon sagst, es zerrt an DEINER Substanz, den eigentlich "arbeitest" Du für Drei: Dich (und Deine Unzulänglichkeiten), Ihn (und seine Unzulänglichkeiten) UND die Sucht.
Das ist nicht wirklich zu schaffen.

Ich benutze mal eine Metapher, um Dir meine Sichtweise zu präsentieren:
Stelle Dir vor, Du bist in einer Wüste und Dein Freund ist verletzt - er kann nicht selbst laufen. Ihr habt einen Wasservorrat, der für Euch beide auch reicht (für die angestrebte Reise).
Doch Dein Freund verlangt nicht nur von Dir, dass Du ihn mitziehst, nein, er sagt Dir noch "Du, ich nehme auch noch einen Kumpel mit und der wird nun Dein Wasser trinken...und Lust zu laufen hat er auch nicht".

Was würdest Du da machen? Das logische zu tun wäre ihm seinen Wasservorrat zu geben und alleine loszuziehen - den Du willst ja die Reise schaffen! Diese Reise ist DEIN Ziel.

Und was tut man, wenn man co-abhängig wird? Man zieht und zieht, verliert Kraft...und am Ende verdurstet man und KEINER schaffts ins Ziel.

Ich hoffe das war nicht zu pseudo-philosophisch, aber ich denke es verdeutlicht Deine Lage (und die von Vielen).
Man sollte Menschen helfen, sich selbst zu helfen. Und wenn Du jemanden "huckepack" tragen musst, dann helfe! Aber Dich aufzuopfern, ein Märtyrer für eine Sucht eines fremden zu werden...das sollte man sich nicht antun.

Für viele ist es ein LANGER Lernprozess und oft sind familäre und/oder emotionale Gesichtspunkte einzubeziehen. Am Ende bleibt die Frage: "Will er/sie GENAUSO SEHR Leben wie ich? Oder soll ICH ihn/sie UND ihre/seine Sucht AUCH noch "durchfüttern"?"

Und die logische Antwort ist "Nein!".

Wir sind hier nur ein einziges mal, auf dieser Erde. Und wenn jemand Dir dieses wunderbare "Geschenk" langsam wegnehmen will und Deine Träume damit verhindert/zerstört, dann lass sie/ihn "ziehen"...oder halt "drücken".

"Dumm ist nur, wer dummes tut!" - sagte der Forrest Gump.
Lass Dich nicht für dumm verkaufen!

Alles Gute,
MrSauber

P.S.: ich spreche aus eigener Erfahrung.
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ulla79
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Anmeldungsdatum: 17.03.2009
Beiträge: 908

BeitragVerfasst am: 6. Jul 2010 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

[quote="spiegel"]Hey...

Also i gehöre wohl zur Gruppe c). Ich bin 19 Jahre alt und habe seit nun fast 4 Jahren einen Freund der seit 3 Jahren regelmäßig (fast jeden Tag) Heroin konsumiert. Und seitdem ich das weiß, versuche ich für ihn da zu sein und ihm zu helfen (ich selber nehme gar nichts). I habe echt alles getan was in meiner Macht stand nur es hat alles nichts geholfen und bin nun am Ende meiner Kräfte, da auch unsere Beziehung im Allgemeinen sei darunter leidet.

Lieber MrSauber ich gehe den Weg nun schon eine Zeit mit, nur ich merke, dass ich es mich kaputt macht. Ich habe vor einiger Zeit sogar begonnen mir selbst weh zu tun, wofür ich lieder selber keine loische Erklärung habe. Ich lebe nun schon zu lange an meinen Grenzen. Ich liebe meinen Freund...wie gesagt, sonst wäre wahrscheinlich auch ich schnell abgesprungen. Nur wir stehen nun wirklich am Ende unserer Beziehnung, weil ich einfach nicht mehr kann und weil ich leben will. Wie soll ich sagen...ich bin in einem Zwiespalt. Einerseit möchte ich mit ihm zusammensein, weil ich ihn liebe und weil es natürlich auch schöne (nüchterne) Tage in unserer Beziehung gab, doch andererseits gibt es viel zu wenig dieser Tage und bin einfach nur verzweifelt,weil das Heroin, das er nimmt, auch mich zerstört.


Zusätzlich habe ich hier, wo ich wohne, beobachtet, dass eine Beziehung, in der einer konsumiert, nur dann funktioniert, wenn der andere auch damit anfängt. Das ist arg.


...gruß[/quoEs ist wirklich so, wie eine Beziehung zu dritt. H ist sozusagen die Ehefrau, „wir“ nur die Geliebten…
Ich kenne das auch, ich möchte so viel mit ihm machen und er kann immer nicht… Es macht mich traurig, aber ihn auch.
Man muss seinen Partner schon wirklich von Herzen und bedingungslos lieben, weil selber Bedingungen stellen ist schwierig..
Ich kann nicht sagen, ob es überhaupt nicht machbar ist, das es schwierig ist, ist keine Frage. Aber man muss sich auch Freiräume schaffen, denn ich glaube, auch wenn „wir“ normal weiterleben, kann das unseren Partner nur gut tun!

Mach bitte nicht den Fehler, wegen ihm mitzumachen. Beziehungen zwischen 2 Abhängigen scheinen nur besser zu gehen, weil sie eben dieses Konfliktpotential nicht haben, aber dafür ziehen sie sich immer weiter hinein…
Wo sollen diese Beziehungen „richtig“ funktionieren, wo bei nur EIN Thema haben!

Ich denke immer wenn Sucht eine Rolle spielt, ist eine Beziehung schwer….
te]
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spiegel
Anfänger


Anmeldungsdatum: 06.07.2010
Beiträge: 3

BeitragVerfasst am: 6. Jul 2010 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die rückmeldung MrSauber

Dass du aus Erfahrung sprichst merkt man und du hast es echt vollkommend auf den Punkt gebracht.

Du hast es so auf den Punkt gebracht, dass es direkt eine Erleichterung war es zu lesen und es bestätigt mich und meine Gedanken vorallem. Tränen konnt ich mir sowieso nicht verkneifen.

Dass ich mit dem ganzn anfange stand schon immer außer Debatte und nachdem was ich schon alles gesehen habe, hat sich auch ziemlich schnell jegliche Neugier auch aus dem Staub gemacht.

naja...ich frag mich was das universum noch mit mir vor hat =D
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