Vorstellung eines Alkoholikers

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Mond
Anfänger


Anmeldungsdatum: 30.08.2014
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 30. Aug 2014 19:10    Titel: Vorstellung eines Alkoholikers Antworten mit Zitat

Hallo Zusammen
Ich bin heute das erste mal hier und möchte mich kurz vorstellen . Seit einem Jahr genau bin ich trocken . Was als " normales trinken " begann entwickelte sich zu einer Gewohnheit und schleichend zu einer Abhängigkeit die ich lange Zeit nicht wahrhaben wollte . Eine merkliche Einschränkung meines Lebens stellte ich nicht fest . Ich war erfolgreich in meinem Job , das Familienleben funktionierte , gesundheitliche Probleme waren mir unbekannt . Dann plötzlich begann eine dieser drei Säulen meines Lebens zu bröckeln , mein Familienleben . 2011 erkrankte meine Frau an Brustkrebs . Ich unterstütze sie so gut ich konnte und die Krankheit bestimmte fortan unser / mein Leben . Der Alkohol spendete mir Trost in den dunklen Phasen und gab mir Kraft ( wie ich damals dachte ) neue Herausforderungen anzunehmen . Tatsächlich besserte sich der Zustand meiner Frau nach einer Totaloperation und zwei Chemotherapien merklich . Wir waren überglücklich und waren uns sicher zu siegen . Als ihr nach der Chemo die Haare ausgingen , rasierte ich ihr die letzten ab und wir lachten und tranken eine Flasche Sekt dabei . Wir nannten das unsere " Chemoparty " . Nach einer kurzen Zeit der Hoffnung schlug das Monster Krebs wieder und diesmal noch erbarmungsloser zu . Er hatte mit Tumoren die Leber befallen . Kein Arzt wollte uns etwas über die Chancen sagen . Trotzdem begannen wir wieder zu kämpfen . Ich merkte wie dieser noch schwerere Kampf immer mehr Kraft kostete und ich trank mehr und heimlich , damit meine Frau nichts mitbekam ich aber immer einigermaßen gut drauf war .
Der Zustand meiner Süßen verschlechterte sich immer mehr . Obwohl sie immer noch sehr tapfer war sah ich in ihren Augen wie das Leben langsam von ihr wich .
Am 21.04.2013 ist sie gestorben .
Ich war bis zum Schluss bei ihr , unterbrochen von einigen Besuchen an der naheliegenden Tankstelle um Alkohol zu besorgen den ich heimlich auf der Krankenhaustoilette trank .
Die nächste Zeit saß ich allein zu Hause und trank . Jetzt brauchte ich ja nicht mehr heimlich zu trinken , es war ja niemand mehr da . Im Unterbewusstsein regelte ich mit meinem Sohn und meiner Schwägerin die notwendigen Dinge .
Nach und nach bekam meine Familie mit das ich ein Problem hatte und überzeugten mich in eine PK zu gehen . Dort machte ich meinen ersten Entzug durch und kam nach 14 Tagen wieder raus . 3 Monate hielt ich durch , danach musste ich das zweite mal in die PK . Als ich diesmal entlassen wurde ging ich sofort zum Supermarkt und holte mir Alkohol und trank 4 Wochen durch . Keinen kümmerte es und ich glaubte meine Familie hatte mich aufgegeben . Ich ging nicht mehr zur Arbeit mir war alles egal , hauptsache ich hatte Alkohol im Haus . Ich schämte mich auch nicht mehr in der Öffentlichkeit zu trinken . Als ich meinen Bruder mit dem Zug besuchte nutzte ich jede Umsteigegelegenheit um zu trinken . Vor dem Bahnhof auf einer Bank , zwei halbe Liter vor mir . Nach dem Besuch bei meinem Bruder der vollkommen entsetzt über meinen Zustand war fuhr ich nach Hause und dachte ( ja ich dachte , kann man kaum glauben ) Ab jetzt gibt es nur noch zwei Möglichkeiten . Entweder du gehst unter , oder du gehst morgen zum Arzt . Ich enschied mich für den Arzt der mich nartürlich sofort wieder einweisen wollte als er mich sah . Das wollte ich aber auf keinen Fall . Ich wollte es diesmal ganz alleine schaffen , zu Hause mit der Möglichkeit jederzeit wieder Alkohol zu besorgen wenn ich es wollte . Ich wollte keine " Käseglocke " mehr wie in der PK . Nein ich wollte mich quälen und es alleine schaffen . Und ich quälte mich . Es war die Hölle . Aber es funktionierte . Ich strich jeden Tag ohne Alkohol im Kalender ab , besuchte eine Motivationsgruppe und begab mich in eine ambulante Langzeittherapie in der ich noch heute bin .
Ein Jahr habe ich geschafft und darauf bin ich verdammt stotz , aber auch Realist genug das dieses eine Jahr erst ein Anfang ist . Ein Anfang in ein neues Leben .
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veilchenfee
Foren-Guru
Foren-Guru


Anmeldungsdatum: 18.12.2009
Beiträge: 4072

BeitragVerfasst am: 30. Aug 2014 19:46    Titel: Antworten mit Zitat

Wow.
Mond, Du hast ein hartes Programm hinter Dir und ich spreche Dir meinen Respekt aus! Nun heißt es, rückfallfrei über die Jahre zu kommen, aber das ist Dir bewusst. Lebt Dein Sohn noch bei Dir? Aus eigener Erfahrung (mein Vater ist Alkoholiker) weiß ich, dass das Mißtrauen nie ganz verschwinden wird. Immer, wenn ich meinem Vater begegne, schaue ich ihn erst einmal prüfend an um seinen Zustand festzustellen. Ist er nüchtern, bin ich sehr erleichtert. Hast Du das bei Deinem Sohn auch schon beobachten können?
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Mond
Anfänger


Anmeldungsdatum: 30.08.2014
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 31. Aug 2014 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

Mein Sohn lebt mit seiner Freundin zusammen und ja manchmal habe ich das Gefühl das er mich prüfend anschaut . Ich glaube aber das ist normal wenn man Rückfälle miterlebt hat . Er weiß jetzt aber auch das so etwas immer passieren kann und kein Grund ist jemanden aufzugeben , sondern vielmehr ihn zu unterstützen wieder aufzustehen . Wir haben oft und sehr offen über dieses Thema gesprochen was sehr wichtig ist .
Seine Angst ist halt , nach der Mutter auch noch den Vater zu verlieren . Das hat er mir ganz ehrlich gesagt .
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Non
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 31.03.2014
Beiträge: 28

BeitragVerfasst am: 4. Sep 2014 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Mond,

hab grade deine Geschichte gelesen... hat mich an den autobiografischen Roman "Script Avenue" erinnert, in dem die Frau des Autors auch an Krebs stirbt. Nach so einem schlimmen Erlebnis zeugt es von noch mehr Stärke, dem Alkohol zu entsagen. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob ich das auch schaffen würde. Mein Kompliment!

Aber dein Bericht hat mich nicht deshalb angesprochen, sondern weil du betonst, dass du es alleine geschafft hast. So wars bei mir auch. Dabei war ich fast am Verzweifeln weil ich nach Hilfe gesucht habe und nur ignoranten Quacksalber-Ärzten, pseudo-empathischen Schwafel-Sozis und religiösen Eiferern begegnet bin. Bis ich nach einem weiteren frustrierenden Gespräch mit einem Arzt einer Entzugsklinik ("solange sie noch Konjunktive benutzen, wollen sie gar nicht aufhören" Mad ) gemerkt habe, dass der Einzige der wirklich die Kompetenz hat mich beim aufhören zu unterstützen bin ich selbst. So habe ich an diesem Tag aufgehört und bis auf einen kleinen Rückfall in einem post-narkotischen Rausch (Magenspiegelung) hält es seit bald einem halben Jahr.

Ich möchte schon fast ketzerisch werden und sagen: Das ganze Helfer-Rudel, das auf Alkoholiker und Drogensüchtige losgelassen wird, generiert mehr Probleme für sie, als sie ohne sie hätten. Vielleicht wussten das schon die Junkies hier in den 80ern als bei ihnen die Drohung die Runde machte "Hilf dir selbst sonst hilft dir ein Sozi".
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Mond
Anfänger


Anmeldungsdatum: 30.08.2014
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 5. Sep 2014 19:21    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Non
Ich bin auf meinem Weg vielen " Angestellten " aber auch Menschen begenet .
Da ich in Sachen Therapie , Suchtberatung und alles was dazu gehört am Anfang logischerweise sehr unerfahren war habe ich natürlich alles mitgenommen was angeboten wurde . Erst im Laufe der Zeit konnte ich unterscheiden wer und was mir bei meinem Entschluß helfen kann . Die Entscheidung nach zwei Rückfällen es selbst und ohne Hilfe durchzuziehen gab mir das nötige Selbstbewusstsein Unterscheidungen vorzunehmen und auch einmal aus den vorgegebenen Stukturen auszubrechen und nicht alles über sich ergehen zu lassen , obwohl es in irgendwelchen " heiligen " Büchern steht .
Es ist sicher sehr schwer bei einer Therapie Dinge zu hinterfragen , weil man oft als Revolutzer abgestempelt wird der sowieso nicht trocken werden will . Ist mir auch einige Male passiert . Trotzdem trifft man auch auf Menschen wo man das Gefühl hat hier geht es um Herzblut und Überzeugung . Ich habe diese Menschen meist bei den " unteren Diensträngen " kennengelernt .
Wichtig ist halt zu sehen es gibt solche und solche und nur die Erfahrung hilft einen zu erkennen wer und was ist das richtige für mich.
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Non
Bronze-User
Bronze-User


Anmeldungsdatum: 31.03.2014
Beiträge: 28

BeitragVerfasst am: 6. Sep 2014 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

Mond hat Folgendes geschrieben:
Trotzdem trifft man auch auf Menschen wo man das Gefühl hat hier geht es um Herzblut und Überzeugung . Ich habe diese Menschen meist bei den " unteren Diensträngen " kennengelernt .


Das habe ich auch so erlebt! Am Überzeugendsten waren für mich sogar diejenigen, die keinerlei soziale, medizinische oder suchtspezifische Ausbildung hatten.
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Praxx
Foren-Guru
Foren-Guru


Anmeldungsdatum: 25.07.2014
Beiträge: 3203

BeitragVerfasst am: 7. Sep 2014 12:28    Titel: Antworten mit Zitat

Non hat geschrieben
Zitat:
Ich möchte schon fast ketzerisch werden und sagen: Das ganze Helfer-Rudel, das auf Alkoholiker und Drogensüchtige losgelassen wird, generiert mehr Probleme für sie, als sie ohne sie hätten

Stimmt: Von den "Selbstremittierern" - also Alkoholikern, die ihr süchtiges Trinkverhalten beenden, ob abstinent oder nicht - tun das in USA und Kanada 85%, in Deutschland 70% ohne Kontakt zu Suchthilfe oder spezifischer medizinisch/psychologischer Therapie.
Dabei ist "Selbstremission" offenbar eher die Regel als die Ausnahme (Quelle: Deutsches Ärzteblatt, März 2014, S.119)
Krass formuliert bedeutet das: Der Spontanverlauf der Suchtkrankheiten ist günstiger als der Verlauf unter der Standardtherapie!
Anstatt jetzt zu erforschen, welche Bedingungen diesen günstigen Verlauf fördern und festigen können und daraus neue Therapieansätze zu entwickeln, hält die institutionalisierte Suchthilfe und Suchtmedizin zumindest in Deutschland eisern an ihren Traditionen fest, unbeirrt von erwiesenen Tatsachen.
Also, dein Gefühl hinsichtlich der organisierten Suchthilfe ist kein Wahngebilde, sondern nachweislich richtig!

LG

Praxx
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